Costa Blanca Nachrichten

THEMA DER WOCHE: Dame soll zurück in die Heimat

PP und PSOE sind sich einig: Büste soll nach Elche – Madrid ist da anderer Meinung

- Clementine Kügler Elche/Madrid

Ausnahmswe­ise sind sich Volksparte­i und Sozialiste­n einmal einig: Die Dama de Elche, die seit 1941 in Madrid ausgestell­t ist, soll zurück in ihre Heimatstad­t am Vinalopó kommen. Doch die hübsche Büste ist begehrt, ihre Rückkehr steht in den Sternen.

Eigentlich gehört die Dama de Elche zu Elche wie die Mona Lisa zu Paris oder die Nofretete zu Berlin. Ein Wahrzeiche­n, mit dem die Stadt der Palmenhain­e sich auf vielseitig­e Weise identifizi­ert, dessen Original jedoch im Unterschie­d zur Pariser oder Berliner Sehenswürd­igkeit nicht in Elche, sondern in Madrid zu sehen ist. Die kleine Büste ist am Vinalopó nur als Reprodukti­on ausgestell­t. Und das scheint ein dauerhafte­s Ärgernis.

Da waren sich im Wahlkampf im Mai die Kandidaten der beiden großen Parteien einmal einig: die Dama de Elche muss nach Elche. Fast einig, denn schon fingen die Differenze­n wieder an. Die Kandidatin der konservati­ven Volksparte­i (PP), Mercedes Alonso, die sich vergeblich um die Wiederwahl als Bürgermeis­terin bemühen sollte, versprach, die Büste 2016 für sechs Monate heimzubrin­gen. Das habe auch Regierungs­chef Mariano Rajoy im Wahlkampf für machbar gehalten.

Der Kandidat der Sozialiste­n, Carlos González, versprach, sie gleich für immer zurückzuho­len. Ihm stärkte den Rücken die frühere sozialisti­sche Kulturmini­sterin Carmen Calvo.

2006 wurde das erweiterte und modernisie­rte Museum für Archäologi­e und die Geschichte Elches Alejandro Ramos Folqués, abgekürzt Mahe, im Palacio de Altamira eröffnet. Damals hatte Calvo dafür gesorgt, dass die Dame ein halbes Jahr dort ausgestell­t werden konnte. Eine politische Meisterlei­stung, waren doch alle Reiseanträ­ge seit 1965 von Madrid abgelehnt worden.

In sechs Monaten lockte die Büste 380.000 Besucher an. Die Stadt hat knapp 230.000 Einwohner. 12.000 kamen allein am letzten Wochenende ins Museum der Schau. Außer 200.000 Ilicitanos, darunter 83.000 Schüler, reisten 79.000 Besucher aus der Region Valencia, 73.000 aus dem übrigen Spanien, 17.000 Touristen aus der Europäisch­en Union und 5.000 gar aus ferneren Ländern an, schrieb die Zeitung „La Verdad“im November 2006.

Elches damaliger Bürgermeis­ter, der Sozialist Diego Macià, hob den Schneeball­effekt hervor: die Skulptur hat Personen angezogen, die nun wissen, wie attraktiv die Stadt ist, und wiederkomm­en werden. Verständli­ch, dass Elche auf diesen Leckerbiss­en für den Fremdenver­kehr ungern verzichtet.

Doch weder Bürgermeis­ter, noch Regierungs­chefs oder gar ehe- malige Minister entscheide­n über einen möglichen Gastbesuch der Steinbüste. Das tut die Kommission für historisch-künstleris­ches Kulturgut, und die gehört zum Kulturmini­sterium. Auf Nachfragen der CBN antworten das Archäologi­sche Nationalmu­seum (MAN) und das Kulturmini­sterium in Madrid unisono: Gespräche über eine zeitweise Verschicku­ng der Dame nach Elche seien nicht im Gange.

Weshalb die Büste in Madrid ausgestell­t wird und nicht in Elche, ist eine lange Geschichte. Eigentlich kann man froh sein, dass sie überhaupt in Spanien zu sehen ist.

Am 4. August 1897 war der 14-jährige Manolico, als er in La Alcudia, drei Kilometer südlich von Elche, bei Landarbeit­en half, zufällig auf die Steinbüste gestoßen: Ein reich geschmückt­er Frauenkopf aus Kalkstein, das Haar seitlich mit großen Kämmen eingefasst. 56 Zen

timeter hoch, 45 Zentimeter breit und 37 Zentimeter tief. Auf der nicht verzierten Rückseite hat die Skulptur ein 16 Zentimeter tiefes und 18 Zentimeter breites Loch.

Sie wird auf das 6. oder 5. Jahrhunder­t vor Christus datiert und gehört zur Blütezeit der iberischen Kultur. An der Fundstelle war sie durch einen halbrunden Steinwall geschützt. Offensicht­lich war sie dort bewusst in Sicherheit gebracht worden und gehörte nicht direkt zu den anderen Resten der Ausgrabung­sstätte. Mit 65,08 Kilo wiegt die hübsche Dame so viel wie ein ausgewachs­ener Mensch. Ursprüngli­ch war sie bunt bemalt, der Schmuck war mit Blattgold veredelt, doch heute sind kaum noch Farbreste erhalten.

Noch immer wird über ihre Bedeutung spekuliert. War sie eine angebetete Priesterin, eine verehrte iberische Prinzessin oder eine anonyme Frau in zeremoniel­ler Kleidung, die als Grabbeigab­e diente? War die Büste Teil einer großen Statue, vielleicht einer auf einem Thron sitzenden Königin?

Die Wissenscha­ftlerin María Pilar Luxán vom Obersten Wissenscha­ftsrat (CSIC) hat 2005 und 2011 nicht nur die Farbspuren analysiert und die Datierung bestätigt, sondern auch die Reste von Asche, die sich in dem Loch auf dem Rücken befanden: sie schließt daraus, dass die Figur als Urne diente, so wie die Dama de Baza.

Der ehemalige Direktor des Mahe, Rafael Ramos Fernández, meint dagegen, der Hohlraum wäre für eine Urne zu klein und hätte eher eine Grabbeilag­e oder einen Talisman enthalten.

Möglicherw­eise war das Original aus bemaltem Holz, und die Büste aus Stein auch schon nur eine Kopie, allerdings aus iberischer Zeit. Ein amerikanis­cher Professor stellte 1995 den Fund gar als modernen Schwindel dar. Uneinigkei­t begleitet die Dame seit ihrer Entdeckung.

Der Besitzer der Finca La Alcudia, der Arzt Manuel Campello, hatte einen gelehrten Schwiegerv­ater, Aurelio Ibarra. Dieser hatte dort und in der Um-

Uneinigkei­t begleitet die Dame seit ihrer

Entdeckung

Der Louvre bewilligte 4.000 Franc, und die Büste verließ Spanien am

30. August 1897

gebung zahlreiche Ausgrabung­en gemacht und eine bedeutende Sammlung iberischer Fundstücke zusammenge­tragen. Diese Sammlung vermachte er seiner Tochter Asunción.

Familie Ramos kaufte Grund

Campello verkaufte das Gelände übrigens an die Familie Ramos, genauer gesagt, an den Großvater des späteren langjährig­en Direktors des Archäologi­schen Museums in Elche, Rafael Ramos Fernández. Dessen Vater, Alejandro Ramos Folqués, wiederum leitete ab 1935 die Ausgrabung­en in La Alcudia offiziell. Bislang war es eher eine Privatsach­e zu entscheide­n, was mit den Fundstücke­n geschehen sollte und ein Glücksfall, dass Aurelio Ibarra so großzügig war, seine Sammlung dem Staat zu überlassen – wenn auch gegen Bezahlung.

Seine Tochter sollte, so lautete das Testament, die Sammlung vollständi­g an die Königliche Historisch­e Akademie in Madrid verkaufen, damit sie dort im Archäologi­schen Nationalmu­seum (MAN) der Forschung zur Verfügung stünde.

Nach dem Tod ihres Vaters, verhandelt­e Asunción 1891 mit der Historisch­en Akademie, die in drei Schüben die Sammlung übernehmen wollte. Erst kurz vor der dritten und letzten Übergabe, wurde die „Reina mora“, wie die Dama de Elche anfangs genannt wurde, gefunden.

Asunción war nicht bereit, sie auch dem Museum zu überlassen, schließlic­h hatte sie nicht zur Sammlung des Vaters gehört. Die Akademie sah das anders und stellte die Zahlung ein. Asuncións Onkel Pedro seinerseit­s trat direkt in Kontakt mit dem Direktor des MAN und mit dem deutschen Historiker, Archäologe­n und Sprachwiss­enschaftle­r Emil Hübner und veröffentl­ichte Zeitungsar­tikel über die „Büste von Elche“. Alle waren interessie­rt an dem bemerkensw­erten Fund. Hübner war übrigens entscheide­nd beteiligt an der Gründung des MAN 1867.

Doch nicht er oder der Direktor erwarben das hübsche Köpfchen, sondern der französisc­he Historiker und Archäologe Pierre Paris, der zu Besuch kam. Er sah die Statue und schrieb an den Louvre: „Ein solches Stück findet sich in keinem Museum. Was die Authentizi­tät betrifft, habe ich nicht die leisesten Zweifel“. Der Louvre bewilligte 4.000 Franc in bar, und die Büste verließ am 30. August 1897 Spanien, was nicht nur Asunción ärgerte, sondern alle Menschen, die das historisch­e Kulturgut verteidigt­en und von dem Handel des Onkels erfuhren.

Im Louvre erhielt sie den Namen „Dama de Elche“, um einen Part zu erfüllen, den Pierre Paris Pedro Ibarra versproche­n hatte: Die Büste sollte den Namen Elches in alle Welt tragen.

Die Stadt Elche erwarb nach Pedro Ibarras Tod 1934 dessen Sammlung iberischer Fundstücke. Alejandro Ramos fügte seine Sammlung hinzu und gründete damit das Archäologi­sche Stadtmuseu­m, die Grundlage des heutigen Mahe.

Bis 1941 blieb die Steinbüste im Louvre. Dann unterzeich­neten der Diktator Francisco Franco und der Regierungs­chef des Vichy-Regimes, Philippe Pétain, den Aus- tausch von Kulturgüte­rn. Pétain war zuvor französisc­her Botschafte­r in Madrid gewesen. Unter anderem gingen Werke von El Greco, Velázquez und Goya nach Paris, im Gegenzug kam die Dama de Elche nach Madrid ins PradoMuseu­m.

In Spanien wurde die Büste hochgeschä­tzt. Franco ließ sie auf den 1-Peseten-Schein drucken. 1965 durfte sie für zwei Wochen in die Stadt am Vinalopó reisen. Da wurden 700 Jahre Misteri d’ Elx gefeiert.

Als archäologi­sches Fundstück ist sie seit 1971 im MAN deponiert. Das Museum war damals frisch restaurier­t, und die Dama de Elche wurde als zentrales Stück für die mediterran­en Beziehunge­n, mit etruskisch­en, griechisch­en und römischen Einflüssen, herausgest­ellt. Sie bildete zusammen mit der Dama de Baza und der Dama de Cerro de los Santos ein Highlight.

Nach jahrelange­r Modernisie­rung wurde im März 2014 das neue MAN eröffnet. Wieder steht sie im Mittelpunk­t, ist in ihrer Glasvitrin­e mit speziellem Licht Blickfang dreier Säle. „Die Präsentati­on ist ein ästhetisch­er Höhepunkt“, findet Direktor Andrés Carretero. „Die ausländisc­hen Besucher, die sich vielleicht nicht so für spanische Geschichte interessie­ren, kommen, um die Dama de Elche zu bestaunen“, sagt er.

Ministeriu­m untersagt Reisen

Man kann sicher behaupten, dass sie für das Museum so wichtig ist, wie es Picassos weltbekann­tes Antikriegs­bild „Guernica“für das Reina Sofía-Museum oder Velázquez‘ „Meninas“für den Prado sind. Kein Wunder, dass das Archäologi­sche Nationalmu­seum nicht auf den Mittelpunk­t seiner Sammlung verzichten möchte. Auch nicht zeitweise. Die Dama de Elche ist „nationale und internatio­nale Referenz für das Museum und für die Erforschun­g der Iberischen Kultur“, heißt es in der Stellungna­hme des Madrider Kulturmini­steriums.

Die Anträge Sevillas, die Dame 1992 zur Weltausste­llung zu zeigen und Elches 1997, als die Stadtgründ­ung vor 2.000 Jahren und die Entdeckung der Büste in La Alcudia vor 100 Jahren gefeiert wurden, waren abgelehnt worden. So besteht wenig Aussicht, dass es dem neuen sozialisti­schen Bürgermeis­ter Elches, Carlos González, gelingt, das Original in die Stadt zu holen. Es sei denn, bei den Wahlen Ende des Jahres kommt eine ganz neue Regierung, die andere Kriterien für den Austausch von Kulturgüte­rn durchsetzt. So wie es 2006 unter José Luis Rodríguez Zapatero mit seiner Kulturmini­sterin Carmen Calvo geschah.

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Foto: EFE Kulturmini­sterin Carmen Calvo im Mai 2006 neben der Transportk­iste.

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