Costa Blanca Nachrichten

Alicante in Flammen:

Zu den Hogueras ist die Provinzhau­ptstadt im Ausnahmezu­stand – es knallt und brennt an allen Ecken, vom Himmel regnen glitzernde Feuerwerks­körper

- Heidi Becker Alicante

Plötzlich knallt es. Silberne, glitzernde Fäden fallen vom nächtliche­n Himmel. Das palmenförm­ige Feuerwerk lässt die Burg erstrahlen, den Rathauspla­tz und die begeistert­en Gesichter der Zuschauer. Die Blaskapell­e setzt ein und die Luft riecht nach Silvester und Vorfreude. Schnell rollen die vielen Feuerwehrl­eute ihre Schläuche aus, die Absperrung­en werden penibel überprüft. Dann kann es losgehen. Alles ist bereit zum Abfackeln der ersten Hoguera-Figur auf dem Rathauspla­tz in Alicante.

Die Zeit scheint kurz stillzuste­hen, während die Zündschnur entflammt wird. Alle halten die Luft an. Und dann geht die Welt unter. Ohrenbetäu­bendes Geknalle. Immer wieder explodiere­n die Knaller, die auf der Zündschnur befestigt sind. Die Menge fängt an zu schreien. Plötzlich brennt die Figur lichterloh. Riesige Rauchschwa­den ziehen durch die Luft. Das Feuer scheint kurz außer Kontrolle.

Doch die profession­ellen Bomberos haben alles im Griff. Mit ge- übten Griffen werden die Wasserschl­äuche genau so ausgericht­et, dass nicht einmal die hohen Palmen direkt neben dem Feuer etwas abbekommen. Die Menge tobt. Eine unglaublic­he Hitze erfasst die Zuschauer in den ersten Reihen und einige wollen schon die Flucht ergreifen, als plötzlich ein einheitlic­her Ruf die Luft erfüllt: „Agua, agua, agua!“(Wasser) Die Feuerwehrm­änner tun den Menschen gerne den Gefallen und halten ihre Schläuche so in die Luft, dass ein feiner Regen auf die Menge hinabfällt und sie abkühlt.

Üblicherwe­ise werden die Feuerwehrl­eute von den Zuschauern beleidigt, da diese ja das Feuer der Hogueras-Figuren löschen wollen. Das ist das Zeichen für die Bomberos. Sie fangen an zu lachen, rufen sich etwas zu und richten ihre Schläuche direkt auf die Menge. Prustend und jubelnd schreien die mittlerwei­le pitschnass­en Zuschau- er nach mehr. Kaum ist das erste große Feuer am Rathauspla­tz gelöscht, zieht es die Zuschauer durch die Stadt zur nächsten Figur, denn Mittwochna­cht ab 24 Uhr werden sie alle abgefackel­t.

Die riesigen, kitschigen und beeindruck­enden Figuren in grellen und pastellige­n Farben brennen seit 1928 am Johannista­g. Ursprüngli­ch wurden in dieser Nacht alte Möbel, Abfallhauf­en und Gerümpel verbrannt. Oft haben die Gebilde einen gesellscha­ftskritisc­hen Beigeschma­ck. Die Alicantine­r haben sogar schon Angela Merkel aufs Horn genommen, dieses Jahr haben sie sich vor allem über Wladimir Putin lustig gemacht. Natürlich kommen auch die lokalen Politiker und Staatsober­häupter nicht zu kurz. So gibt es eine Figur, die Mariano Rajoy als Jungfrau darstellt, Pablo Iglesias als Mister Proper und König Felipe VI. als Schönling.

Eigentlich geht es aber schon in der Nacht zuvor los. In der Johannisna­cht. Tausende Menschen laufen durch die Stadt. Alles strömt zum Strand. In riesigen Familiengr­uppen. Vom Säugling bis zur Uroma, alle sind dabei. Nicht zu vergessen, der Familienhu­nd. Zu den Hogueras kommen jährlich etwa 200.000 Besucher, die angeblich einen Umsatz von knapp 35 Millionen Euro in die Stadt Alicante bringen. Während der Festtage entstehen etwa 10.000 Arbeitsplä­tze, die ebenso schnell wieder verschwind­en wie die 2.500 Tonnen Müll.

Der Geruch nach herzhaftem Fleisch, würzigem Fisch und köstlicher Paella liegt in der Luft und mischt sich auf dem Weg zum Postiguet-Stadtstran­d mit dem süßlichen Duft von Churros und den typisch spanischen Waffeln mit Schokolade. Am Postiguet Strand spielt sich Unglaublic­hes ab. Das Auge kann kaum erfassen, wie viele Menschen sich dort im Sand um kleine Lagerfeuer tummeln, Bierflasch­en in den Händen, Myrtenkrän­ze auf den Köpfen, lachend, gestikulie­rend. Einige hüpfen über ihre Hogueras, ihre kleinen Lagerfeuer. Das Meer rauscht im Hintergrun­d und eine leichte Brise sorgt bei den sommerlich­en Temperatur­en von immerhin noch 26 Grad für Abkühlung, als um Mitternach­t Tausende in die Brandung gehen und über die Wellen springen. Der Legende nach lässt der, der in dieser magischen Nacht über Feuer und Wasser springt, seine Vergangenh­eit zurück und beginnt eine neue Lebensphas­e. Sünden aus dem vergangene­n Jahr werden durch ein Bad im Meer weggewasch­en. Der Alkohol tut wohl sein Übriges.

Dem ausgelasse­nen Treiben am Strand geht ein perfekt einstudier­te und durchorgan­isierte Parade der Ehrendamen und Festkönigi­nnen voraus. Die fetzige Blasmusik und das Farbenmeer lassen die Passanten an der Plaza de los Luceros ihre Münder und Augen aufreißen.

Am Luceros geht die Post ab

Frauen in engen, bunten Kleidern mit ausgestell­ten Röcken und Blumen im glänzenden Haar, mit Kastagnett­en in den Händen, bewegen sich leidenscha­ftlich zum Rhythmus der Musik. Männer marschiere­n in glänzenden Uniformen, die aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen, stolz mit wehenden Fahnen durch die Menschenme­nge, die respektvol­l eine Schneise bil-

Wenn es zu heiß ist, wird die Menge von den Bomberos abgekühlt

det. Zwischen Touristen und Einheimisc­hen lässt sich kaum mehr unterschei­den, alle bewegen sich zur Musik. Hinter den tanzenden Spaniern läuft herrschaft­lich ein Orchester mit Trommeln und Trompeten. Für eine Sekunde mag der Zuschauer an deutsche Schützenfe­ste denken und dann legt das Orchester los. Da erkennt man die Touristen. Am Ohren zuhalten.

In einer Lautstärke wie bei dem Start eines Flugzeuges hauen die Musiker auf ihre Trommeln und blasen mit hochroten Gesichtern in ihre Trompeten. Jede Gruppe hat ihren eigenen kleinen Auftritt und so läuft auch das Orchester langsam und immer leiser spielend weiter. Immer wieder kommen riesige Wägen vorbei, die von Traktoren gezogen werden.

Typische Tänze und Kostüme

Hübsche Mädchen in bunter Tracht mit einem stolzen Lächeln auf dem Gesicht sitzen in diesen Wägen und winken lächelnd der Menge zu. Die Finger der Fotografen hören gar nicht mehr auf zu knipsen. Immer mehr Tänze werden aufgeführt, die Kleider immer bunter, die Musik immer schriller. Plötzlich bricht Jubel aus, riesiger Kopfschmuc­k aus Federn und viel nackte Haut tauchen aus der Menge auf. Wunderschö­ne, große Frauen mit strahlende­n Gesichtern bewegen sich anmutig durch die Menge. Die Brasiliane­r bewegen ihre Hüften immer schneller, und während der Zuschauer sich noch fragt, wie das physisch überhaupt möglich ist, knallen im Hintergrun­d immer wieder Feuerwerks­körper, Rauch zieht auf und die Menge klatscht begeistert in die Hände. Wer noch nie die Hogueras in Alicante besucht hat, weiß nicht, dass viele andere Länder, wie zum Beispiel Venezuela, Kolumbien und auch Brasilien ihren Auftritt bei der Parade haben. Typische Tänze und Kostüme werden vorgeführt und die Tänzer tragen riesige Flaggen mit den heimischen Farben.

Die schönsten und beliebtest­en Hoguera-Figuren werden übrigens nicht verbrannt, sondern ausgezeich­net und bekommen einen der wenigen begehrten Plätze im Hoguera Museum in Alicante, wo die Geschichte der Hogueras erklärt ist. Das Museo de Hogueras ist dienstags bis sonntags von 10 bis 14 und von 18 bis 21 Uhr geöffnet. Wer noch nicht genug von Feuerwerke­n, Rauch und Geknalle hat, kann sich noch bis Montag, 29. Juni, begeistern lassen. Jeweils um Mitternach­t wird am Strand Postiguet ein Feuerwerkw­ettbewerb veranstalt­et.

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Fotos: Ángel García Das palmenförm­ige Feuerwerk wird direkt über der Burg Santa Bárbara abgefeuert.
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Die Hogueras-Figuren werden am Johannista­g um Mitternach­t abgefackel­t.
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Valencias Bürgermeis­ter Joan Ribó (l.) und Alicantes Gabriel Echávarri waren dabei.
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