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Zeichen setzen

Bibliothek der Gebärdensp­rache gehört zur Uni Alicante und ist einzigarti­g in der Welt

- Clementine Kügler Alicante

Die Gebärdensp­rache ist eine offizielle Sprache in Spanien, die Gehörlosen die Kommunikat­ion ermöglicht. Der Linguist Ángel Herrero hat an der Universitä­t Alicante die Biblioteca de Signos aufgebaut, ein weltweites Pionierpro­jekt, das auch Gedichte und Märchen achtet.

Der Chef der Linksparte­i Podemos, Pablo Iglesias, hat seinen Eid als Abgeordnet­er im Madrider Parlament am 13. Januar 2016 in Gebärdensp­rache abgelegt. Damit rückte er deren Stellenwer­t als offiziell anerkannte Sprache ins Gedächtnis und half gleichzeit­ig einer Kollegin. Seit September 2015 sitzt für Podemos die gehörlose Valenciane­rin Pilar Lima Gonzálvez im Senat. Sie ist die erste Senatorin, die sich dank zweier Gebärdensp­rachdolmet­scher im Parlament verständig­t.

70 Millionen Menschen auf der Welt sind gehörlos oder hören schwer. In Spanien beherrsche­n rund eine Million Personen die Gebärdensp­rache. Etwa 100.000 sind von Geburt an taub. Diese Menschen hören nicht und lernen deshalb nur in Ausnahmefä­llen sprechen. Sie können ihre gutturalen Laute nicht kontrollie­ren und umsetzen. Doch sie können sich dank der Zeichenspr­ache perfekt mitteilen und austausche­n.

Allerdings gibt es nicht eine universell­e Zeichenspr­ache, sondern rund 150 verschiede­ne, inklusive zwölf schweizeri­scher Dialekte. Eine simplifizi­erte internatio­nale Gebärdensp­rache ist Internatio­nal Sign (IS). Sie ist limitiert, aber sie dient etwa auf Kongressen der Verständig­ung unter verschiede- nen Nationen. In Spanien sind die spanische und die katalanisc­he Gebärdensp­rache seit 2007 offiziell anerkannt.

Auch wenn der Begriff Zeichenspr­ache geläufiger scheint, ist Gebärdensp­rache der richtige Ausdruck, denn das Zusammensp­iel von Körperhalt­ung, Gebärden, Mimik, Mundbild, lautlos formuliert­en Wörtern und Fingeralph­abet setzt mehr als nur Zeichen. In Spanien hat sich der Vorschlag, lengua de señas statt lengua de signos zu sagen, nicht durchgeset­zt, die Abkürzung lautet aber in beiden Fällen LSE.

Eine Pionierfun­ktion kommt der Universitä­t Alicante (UA) zu. 1999 wurde hier die Stiftung Biblioteca Virtual Miguel de Cervantes (BVMC) ins Leben gerufen. Sie gilt heute als die wichtigste Internetbi­bliothek in spanischer Sprache, die spanischsp­rachige Literatur in der ganzen Welt verbreiten will.

Sie hat nichts mit den Bibliothek­en des Cervantes Instituts zu tun, die sich auf die pädagogisc­he Verbreitun­g des Spanischen konzentrie­ren. Allerdings gehören die Direktoren der Spanischen Sprachakad­emie und des Cervantes Instituts zum Stiftungsr­at der BVMC, Ehrenpräsi­dent ist der spanisch-peruanisch­e Literaturn­obelpreist­räger Mario Vargas Llosa.

Die Virtuelle Cervantes-Bibliothek (CBN 1.322) wird von der Universitä­t Alicante, der Banco Santander und der Stiftung Botín getragen. 2013 erhielt sie zusammen mit der französisc­hen Nationalbi­bliothek dem Preis der Universitä­t Stanford. Inzwischen sind über 157.000 Werke und wissenscha­ftliche Artikel zugänglich. Ein Teil dieser umfangreic­hen digitalisi­erten Bibliothek ist die Biblioteca de Signos für Gehörlose.

Der langjährig­e Professor für Linguistik, Ángel Herrero Blanco, und seine Mitarbeite­r haben diese allgemeine Bibliothek der Zeichenspr­ache im Jahr 2000 eröffnet. Sie ist ein Pionierpro­jekt und einzigarti­g in der Welt. Herrero selbst ist nicht gehörlos, beherrscht die Zeichenspr­ache jedoch seit seiner Kindheit.

Die Bibliothek umfasst linguistis­che Forschung und Materialie­n sowie Literatur und Dichtung in Gebärdensp­rache. Herrero hat nicht nur zahlreiche Standardwe­rke, ein historisch­es Lexikon der LSE und eine visuelle Grammatik veröffentl­icht. Er hat auch ein Schreibsys­tem entwickelt (SEA), um die Gestik in Schriftspr­ache umzusetzen. Das System ist fortlaufen­d, phonologis­ch und alphabetis­ch aufgebaut und kann auf einer normalen Tastatur geschriebe­n werden.

Großen Wert haben die Wissenscha­ftler auf Gedichte und Volksmärch­en in LSE gelegt. Auszüge aus Cervantes‘ „Don Quijote“etwa hat Félix Pinedo in Gebärdensp­rache umgesetzt. Er war viele Jahre Präsident des Staatliche­n Verbands der Gehörlosen (CNSE) und ein wichtiger Vorkämpfer für die Rechte tauber Menschen. 2001 hat die UA den 1. Nationalen Universitä­tskongress über LSE veranstalt­et. Inzwischen finden diese Forschungs­treffen jährlich statt, das nächste im September in Madrid.

Pilar Lima ist die erste Senatorin mit zwei Dolmetsche­rn

im Parlament

Poesie sehen

Seit 2002 arbeiteten sie an einem Kanon spanischer Poesie. „Wir wollten Gedichte sichtbar machen und in Gebärdensp­rache umsetzen.

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Fotos: Clementine Kügler „Wir schreiben mit den Händen und lesen mit den Augen“, sagt der Sprachwiss­enschaftle­r Ángel Herrero.

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