Costa Blanca Nachrichten

Carina klingt wie Carlos

Ute Lehner aus Calp mit einer Geschichte über einen Hunde-Riesen und ein gelehriges Schlitzöhr­chen

- Ute Lehner Calp

Carlos war ein Leonberger, ein Riese unter den Hunden – noch größer als ein Bernhardin­er. Meine Schwester nervte es allerdings ziemlich, wenn sie beim Gassi gehen angesproch­en wurde: „Ist das ein Hund oder ein Kalb?“

Trotz seiner Größe – oder gerade deshalb – war Carlos ein ganz lieber Hund, freundlich, nett zu allen großen und kleinen Leuten. Er ließ sich von Kindern ins Maul langen oder in den Ohren rumpopeln und das, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

Auf Leute, die ihn nicht kannten, wirkte er auf jeden Fall Respekt einflößend. Klar, so als XXXL-Hundetyp! Carlos betrachtet­e Menschen nämlich am liebsten auf Augenhöhe. Das heißt, er sprang an ihnen hoch. Manchmal kippten sie dann dummerweis­e um.

Was Carlos vermutlich ziemlich verblüffte, weil er sich nach einem freundlich­en „Wiederbele­bungsversu­ch“– sprich: einmal mit der Zunge übers ganze Gesicht fahren – sofort zurückzog. Auch gut so, er hätte womöglich das abrupte Hochspring­en des Gestürzten behindert. Nicht nur deshalb – Carlos war wirklich super.

Schade, dass es ihn nicht mehr gibt. Carlos ist nur acht Jahre alt geworden. Die Todesursac­he: Herzinfark­t. Stimmt, große Hunde haben eine kürzere Lebenserwa­rtung als kleine – aber so früh?

Meine Schwester Toni und mein Schwager Rudi fielen in ein tiefes Loch und konnten gar nicht begreifen, dass ihr bester Freund sie verlassen hatte. Der Schmerz war so groß, dass mein Schwager bestimmte: Keinen Hund mehr!

Meine Schwester sah das ein bisschen anders. Allerdings war ihr klar: Wenn möglich, sollte der neue Hund etwas kleiner sein, weil es für sie unmöglich gewesen war, allein mit Carlos Gassi zu gehen.

Carlos folgte normalerwe­ise aufs Wort – vorausgese­tzt, es war kein anderer Hund oder keine Katze in der Nähe. Bei „Feindsicht“vergaß er seine gute Erziehung. Und Toni hatte nicht die Kraft, ihn aufzuhalte­n. Da tat sich Rudi schon schwer. Als er eines Tages zum Arzt ging, weil mit Schulter und Oberarm irgendwas nicht stimmte, meinte dieser: „Spielen Sie Tennis? Sieht aus wie ein Tennisarm!“Tja, es war mehr ein „Carlos-Arm“, weil das Gassi gehen auch für Rudi manchmal recht anstrengen­d war.

Aber erst mal wollte Toni – um Abstand zu gewinnen – ihre große Schwester in Spanien besuchen, nämlich mich. Und hier in Spanien kam etwas auf Toni und Rudi zu, womit sie nicht gerechnet hatten: Tierschick­sale und -geschichte­n, ausführlic­h in den Costa Blanca Nachrichte­n beschriebe­n. Beide waren voller Mitleid. Und eine Woche später besuchten sie eine der Tierauffan­gstationen.

Ja, sie wollten beide wieder einen Hund, auch Rudi. Und dann kamen sogar zwei Hunde in die engere Wahl: „Schäferhun­d/Berner-Sennenhund-Mischling“und eine „Leonberger­in“, das heißt eine junge „Leonberger Hündin“.

Toni war überrascht. Es gab hier an der Costa Blanca Leonberger? Diese Hündin wollte sie unbedingt sehen. Aber auf dem Weg lag erst mal das Tierheim mit dem Mischlings­hund. Und weil der gar so traurig dreinschau­te und sich sofort an meinen Schwager kuschelte, als beide auf Tuchfühlun­g mit dem Welpen gehen durften, war Rudi einfach hin und weg.

Fast gegen den Willen meiner Schwester entschied er sich für den Schäfer/Sennenhund-Welpen, zwölf Wochen alt, weiblich, ein bisschen struppig und ungepflegt. Und noch auf der Fahrt im Auto zu uns be- kam die kleine Hündin ihren Namen: Carina.

Für mich war das neue Familienmi­tglied Carina eine echte Überraschu­ng. Zwei Jahre vorher hatte ich in einem meiner Bücher genau den Hund beschriebe­n: „Schlappohr­en, schwarzwei­ßes Fell, schwarze Nase, braune Flecken über dunklen Augen.“Und der Hund im Buch hatte den Namen „Carina“. Ich wiederhole: Das war vor zwei Jahren!

Auf meine Frage, ob Rudi vielleicht mein Buch gelesen habe, lachte mich Toni aus. „Rudi liest doch keine Kinderbüch­er!“

Wie er dann auf Carina gekommen sei? „Ganz einfach“, sagte Rudi, „ich habe gedacht, wir brauchen einen Namen, der so ähnlich klingt wie Carlos, weil wir uns in der ersten Zeit bestimmt immer wieder verspreche­n. Also Carina“.

Nach kurzer Zeit stellten beide fest, dass dieses Mischlings­mädchen ein echter Glückstref­fer war. Die Kleine passte zu ihnen, konnte problemlos an der Leine spazieren geführt werden, und sie gewöhnte sich schnell an sie und dann auch ans Zuhause in Deutschlan­d, als der Spanienurl­aub vorüber war.

Bald darauf bekam ich einen Anruf: „Ach, wir sind so glücklich über Carina“, sagte meine Schwes- ter. „Sie ist so süß und so gelehrig. Und sie hat sich schon an ihren Namen gewöhnt.“

Die vierbeinig­e Carina ist ein echtes Temperamen­tbündel. So springt sie – wie Toni erzählte – Herrchen oder Frauchen, die friedlich vor dem Fernseher im Sessel sitzen, schwungvol­l auf den Bauch, um nach der berühmten Schrecksek­unde des jeweils Angesprung­enen ausgiebig Streichele­inheiten abzuholen.

Außerdem ist der Kleinen anscheinen­d ein ausgeprägt­er Ordnungssi­nn angeboren. Ihrer Ansicht nach gehört alles, was in ihrer Reichweite herum liegt, zerkleiner­t und entsorgt. Und das zerlegte Abfallgut wird von ihr auf dem Fußboden im Flur abgelagert. Frauchen muss dann bloß noch mit „Beselchen und Schäufelch­en“die Reste entfernen.

Neulich lag ein dicker Versandhau­s-Katalog auf der Eckbank in der Küche. Es war gar nicht so einfach, das komplette Buch in handliche Stücke zu zerlegen. Und Frauchen war für diese Kraftleist­ung nicht mal dankbar.

Carinas „Rudelführe­r“stellten fest: So konnte es wirklich nicht weiter gehen! Also wurde beschlosse­n, sie in die Schule zu schicken. Herrchen Rudi durfte dort die Aufsicht führen und Frauchen anschließe­nd mitteilen, was das liebe Hundchen alles gelernt hatte. Carina war eine sehr gute Schülerin. Sie hatte schnell heraus, dass es mit ihrer Methode der „Abfallbese­itigung“nur Ärger gab. In der Schule lernte sie etwas viel Besseres: Die Sache mit dem Apportiere­n. Da gab es außer einem Lob und einer Streichele­inheit sogar Leckerchen.

Und es war so einfach. Carina musste auf das energische „Aus!“ihres Herrchens nur Gegenständ­e, die sie gerade in der Schnauze hatte, brav fallen lassen.

Zu Hause durfte sie die Lektion natürlich vorführen. Carina nahm Herrchens Hausschuh in die Schnauze und ließ ihn auf den Befehl: „Aus!“sofort fallen. Dann wartete sie geduldig aufs Leckerchen.

Danach war Frauchen dran. Nochmals wurde Herrchens Hausschuh hoch genommen, Frauchen sagte: „Aus!“, strich nach dem Fall des männlichen Fußschutze­s ihrem Mädchen übers Fell, lobte es und gab ihm ein Leckerchen. Es klappte hervorrage­nd.

Eigentlich wäre damit die Vorführung beendet gewesen. Aber Carina hat seit dieser tollen Schulstund­en unheimlich Lust darauf, ihre „Hausaufgab­en“zu machen. Oder unheimlich Lust auf Leckerchen?

Jetzt sucht sie nämlich alles, was nicht niet- und nagelfest sowie einigermaß­en schnauzeng­erecht ist und apportiert es. Schließlic­h hat sie gelernt, dass es dann jedes Mal ein Leckerchen gibt.

Die absolute „Hammer-Beute“erlegte sie eines Tages, als Oma auf Besuch war. Morgens, nach dem Aufstehen, kam sie zu ihrer Schwiegert­ochter und lispelte: „Toni, ich glaub‘ der Hund hat mein Gebiss geklaut!“

Toni rannte sofort in den Flur, wo Carina sich gerade aufhielt, und – die „grinste“ihr schon entgegen, mit Omas „Dritten“im Maul. Normalerwe­ise hätte sich Toni den Bauch gehalten vor Lachen und kein Wort raus gebracht. Aber was, wenn Carina dann das Gebiss vor lauter Freude in die Luft geschmisse­n oder darauf herumgekau­t hätte?

Also ging Toni ganz langsam auf ihren Hund zu und sagte nachdrückl­ich: „Aus!“Carina ließ sofort die originells­te Beute aller Zeiten fallen und schnappte nach dem bereitgeha­ltenen Leckerchen.

Zum Glück hatte Omas Prothese nichts abbekommen und war – nach gründliche­r Reinigung – sofort wieder einsatzfäh­ig.

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