Costa Blanca Nachrichten

Europa auf dem Weg zum Mars

Der Sternenhim­mel im April - Astronomie. Raumfahrt. Kosmos.

- Friedrich Kassebeer

Der Name Schiaparel­li hat in den Annalen der Astronomie einen würdigen Platz. Giovanni Schiaparel­li (gesprochen: Skiaparell­i) war als Direktor der Mailänder Sternwarte Ende des 19. Jahrhunder­ts einer der renommiert­en Marsforsch­er. Im September 1877 kam der rote Nachbarpla­net in Opposition­sstellung der Erde besonders nahe – 56,35 Millionen Kilometer. Schiaparel­li zeichnete eifrig Karten vom Mars, Astrofotos gab es damals noch nicht.

Der Astronom entdeckte linienförm­ige Strukturen, die scheinbar wie ein Netz den Planeten überzogen. Er hielt sie für natürlich entstanden­e Senken, die vielleicht Wasser enthalten hatten und nannte sie auf Italienisc­h „canali“. In der englischen Presse wurden sie irrtümlich als „canals“übersetzt, nicht als „channels“, für Rinnen oder Gräben. Deutsch hießen sie dann einfach „Kanäle“.

So wurden dem roten Planeten plötzlich Lebewesen, Kanalbauer, angedichte­t, eine ganze Zivilisati­on. Zukunftsro­mane erschienen, wie von H.G. Wells 1898 „Krieg der Welten“, der zwischen Erde und Mars, oder 1897 von Kurd Lasswitz „Auf zwei Planeten“, die Kolonisier­ung der Erde durch Marsianer, die zum Überleben wärmeres Sonnenlich­t brauchen. Schiaparel­li (1835-1910) blieb auf immer mit den „Kanälen“verbunden, doch wurde er auch für zahlreiche andere astronomis­che Entdeckung­en internatio­nal ausgezeich­net. Der Asteroid 4062 wurde nach ihm benannt, ebenso ein Mondkrater und der Krater Schiaparel­li auf dem Mars (!).

Und nun erfährt der Italiener eine weitere späte Genugtuung: Die am 14. März gestartete europäisch­russische Mission „ExoMars“, die einen Orbiter zum roten Planeten schickt, führt eine Landekapse­l mit, die den Namen Schiaparel­li trägt.

In diesem Jahr gibt es wegen der Mars-Opposition im Mai wieder einmal ein Startfenst­er für den Flug zum Nachbarpla­neten. Deshalb startete die Europäisch­e Weltraumor­ganisation ESA zusammen mit der russischen Raumfahrta­gentur Roskosmos die Mission zum roten Planeten. Am 14. März hob vom Weltraumba­hnhof Baikonur eine Proton-Rakete ab, die ein komplizier­tes Mars-Labor auf den Weg brachte. Die Sonde soll nach einer Reise von sieben Monaten und mehreren hundert Millionen Kilometern im Oktober am Mars ankommen und in eine Umlaufbahn einschwenk­en. Exakt am 16. Oktober soll sich der Lander „Schiaparel­li“von der Sonde trennen, mittels Radarsteue­rung, Bremsraket­en und Fallschirm­en weich auf dem Planeten landen und mehrere Marstage dort Untersuchu­ngen vornehmen – vom 19. bis 23. Oktober. Länger reichen die Batterien nicht.

Es ist wieder einmal eine Aufgabe fern im All, die das Können der Navigatore­n und Ingenieure auf die Probe stellt. Und natürlich stehen wieder viele hundert Millionen öffentlich­er Mittel auf dem Spiel.

Das Unternehme­n mit dem Namen „ExoMars“wurde von der ESA seit Jahren vorbereite­t. Die NASA war 2012 wegen zu hoher Finanzlast­en aus dem Projekt ausgestieg­en. Daher begann die Zu- sammenarbe­it mit Roskosmos, welche die Proton-Rakete und auch Teile der Sonde stellt.

„Exobiologi­e auf dem Mars“heißt das Forschungs­feld, auf dem inzwischen Wissenscha­ftler aus mehreren Nationen arbeiten. Die Suche nach vergangene­m oder aktuellem Leben auf dem Mars ist eines der wissenscha­ftlichen Hauptziele der ESA-Mission. Dazu sollen auch die Wassereisv­orkommen im Permafrost­boden genau kartiert werden. Es sind vor Jahrmillio­nen enorme Wassermass­en über den Mars geflossen, wie präzise Aufnahmen der Gebirgs- und Talformati­onen inzwischen gezeigt haben. Wasser war auch auf der Erde die Voraussetz­ung für die Entstehung organische­n Lebens.

Die Amerikaner sind mit ihren seit Jahren auf dem Mars rollenden NASA-Rovern den Europäern und Russen technisch voraus. Aber Proben oder Messergebn­isse, die auf Spuren von Leben schließen lassen, haben sie bisher nicht geliefert. Mit ExoMars konzentrie­ren sich die Europäer nun auf die gezielte Suche nach Methan, dessen Vorkommen auf biologisch­e Pro- zesse hindeuten könnte. In der zweiten Phase von ExoMars soll 2018, wenn sich das nächste Startfenst­er öffnet, ein Rover auf dem Planeten gelandet werden. Sein Bohrer soll bis zu zwei Meter tief in den Boden eindringen, um Proben zu gewinnen, die Hinweise auf die frühe Geschichte des Planeten geben könnten.

Am irdischen Frühlingsh­immel erscheint der Mars beim Sternbild Skorpion, das gegen Mitternach­t im Osten aufgeht. Der rötliche Glanz des Nachbarpla­neten steigert sich in dem Maße, wie sich seine Opposition zur Sonne am 22. Mai nähert. In der Opposition erreicht ein Planet stets die geringste Entfernung zur Erde. Mars wird 75,3 Millionen Kilometer entfernt sein, deutlich mehr als die Rekordnähe von 55,8 Millionen Kilometern bei der spektakulä­ren Opposition von 2003. Die Unterschie­de ergeben sich aus der stark elliptisch­en Marsbahn um die Sonne.

Der Riesenplan­et Jupiter, der im Löwen den Frühlingsh­immel beherrscht, ist in seinem Glanz von Mars nicht zu übertreffe­n. Der rote Planet ist aber heller als der gewalti- ge Ringplanet Saturn, dem er auffallend näher rückt – natürlich nur aus irdischer Perspektiv­e. Mit der Jahreszeit ändert sich der Himmel: die großen Winterster­nbilder dominieren abends noch, werden aber vom „Frühlingsd­reieck“verdrängt, mit Regulus im Löwen, Spica in der Jungfrau und Arktur im Bootes.

Dem Mars wurden plötzlich Lebewesen, Kanalbauer, eine ganze Zivilisati­on angedichte­t

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Friedrich Kassebeer ist deutscher Journalist und Hobbyastro­nom.

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