Hitzige Fiesta
Hogueras spalten Alicantes Einwohner in zwei Lager – Höhepunkt zwischen 17. und 24. Juni
Ganz Alicante steht in den Startlöchern für den Fiesta-Höhepunkt schlechthin: die Hogueras. Am Wochenende werden die Pappmaché-Figuren aufgestellt, die am 24. Juni bei der Cremá zu Asche zerfallen. Doch angesichts des Lärms ist in der Stadt nicht allen zum Feiern zumute.
Einmal im Jahr, zu den Hogueras, ist Alicante für eine Woche tief in zwei gegensätzliche Lager gespalten: Auf der einen Seite wird gefeiert, auf der anderen verzweifelt nach Ohropax gekramt. Hartgesottene lassen sich kein einziges Knallfeuerwerk entgehen, feiern Tag und Nacht und baden sich bei der Verbrennung der PappmachéFiguren im Wasser aus den Feuerwehrschläuchen.
Die Hogueras, auf Valenciano Fogueres – was wörtlich übersetzt Scheiterhaufen bedeutet – sind vergleichbar mit den noch pompöseren Fallas in Valencia, aber das will hier in Alicante natürlich niemand hören.
Die Leidtragenden der Fiesta, die ihren Höhepunkt zwischen 17. und 24. Juni findet, sind die Anwohner, die mindestens eine Wo- che lang Halligalli vor ihren Haustüren standhalten müssen. Sie stehen entweder fluchend an den Fenstern, während die Feierwütigen wie jedes Jahr Plastiktische und -stühle heranschleppen und damit die Barrios lahmlegen. Oder sie verlassen gleich die Stadt, um Lärm, Schwefelgeruch und Menschenmassen zu entfliehen.
Sergio Guíjarro Pastor gehört zu denen, die die Fiesta genießen, auch wenn die Hogueras für ihn mehr Arbeit als Feiern bedeuten. „So kurz davor mache ich nachts kein Auge mehr zu, der Druck ist riesig“, sagt der 42-jährige Hoguera-Bauer.
In der Werkstatt von Cousin Alberto Navaro Guíjarro in Alicantes Industriegebiet El Bacarot tüftelt er seit Monaten an den Figuren für unterschiedliche FiestaAusschüsse, die Comisiones. Fast jedes Stadtviertel von Alicante hat seine eigene Comisión mit entspre- chender Hoguera-Figur. Insgesamt sind es knapp 90 Monumente, die in der ganzen Stadt verteilt stehen.
Guíjarro entwirft für die diesjährigen Fiestas insgesamt drei Hogueras. Die größte für die Comisión Don Bosco im Stadtviertel San Blas: eine acht Meter hohe schwangere Frau. „Sie soll das Leben repräsentieren“, erklärt der Konstrukteur. 8.000 Euro bezahlt Don Bosco für die Hoguera mit dem Titel „Vitae“, die auf der Plaza Juan Pablo II stehen wird. „Das liegt noch in der mittleren Preisklasse“, erklärt Guíjarro. Alicantes Hoguera Principal auf dem Rathausplatz hat zu Hochzeiten schon bis zu 100.000 Euro verschlungen.
Reich werden die HoguerasKünstler davon in der Regel nicht. Gut die Hälfte der Einnahmen, erklärt Guíjarro, gehe für Material, Miet- und Stromkosten drauf. Und die andere Hälfte muss er sich mit seinen fünf Kollegen in der Werkstatt teilen. Viel fällt da für das Familien-Unternehmen nicht ab. „Ich kann gerade so davon leben“, erklärt Guíjarro, der jetzt, mitten im Endspurt, täglich zwölf bis 14 Stunden in der Fabrikhalle am Stadtrand von Alicante verbringt.
Überlebensgroße Köpfe, Arme, ein Pferd und unzählige kleinere Figurteile aus Styropor liegen und stehen hier herum. Millimeterdick ist alles mit feinem weißem Staub bedeckt. Jeder, der sich hier auch nur kurz aufhält, kann sich vorstel-
len, wie unangenehm es sein muss, hier tagtäglich zu arbeiten.
Vom Entwurf auf Papier bis zum Aufbau der Hoguera an Ort und Stelle, der Plantá, ist es ein mühsamer Weg. Mit ganz einfachen Mitteln sägen, schneiden und schleifen die Männer an ihren Kunstwerken: Herkömmliches Schleifpapier oder ein schlankes Jamón-Messer kommen zum Einsatz, bevor die Rohbauten mit Kleister und Zeitungspapier beklebt und anschließend mit Lack grundiert und bemalt werden.
„Die Plantá ist mein liebster Arbeitsschritt“, sagt Guíjarro. In diesem Jahr werden die Figuren am Sonntag und Montag, 19. und 20. Juni, in den Barrios von Alicante aufgestellt. Erst wenn Hauptund Nebenfiguren in ihrer vollen Pracht auf der Straße stehen und alles gut gegangen ist, kann der 42-Jährige durchatmen. Ab dann liegt die Verantwortung bei Comisión, Pyrotechnikern und Feuerwehr, die am Freitag, 24. Juni, das Anzünden übernehmen und das Abbrennen überwachen.
Dass die monatelange Arbeit am Ende zu einem Häufchen Asche zerfällt, findet Guíjarro nicht dramatisch. „Das gehört einfach dazu“, sagt er, „wenn ich kann, bin ich auch immer dabei“. Sommerliche Entrümpelung Der Brauch, Figuren zu verbrennen, hatte ursprünglich einen ganz praktischen Grund. Valencianische Schreiner räumten traditionell im Frühjahr ihre Werkstätten auf, Holzreste, die nicht mehr zu gebrauchen waren, landeten in Haufen auf der Straße und wurden schließlich verbrannt.
Gegen Ende des 19. Jarhunderts begannen die Handwerker, Figuren aus dem übriggebliebenen Holz zu schnitzen, die satirisch über Politik, Kirche und Gesellschaft herzogen. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Figuren professioneller. Erstmals wurden die Puppenkörper aus Stoff hergestellt, Köpfe und Hände der Figuren aus Wachs geformt. Der Beruf des Hoguera-Bauers entstand.
Ab Mitte des 20. Jahrhunderts arbeiteten die nun professionellen Constructores de Hogueras mit Pappe, ab den 90er Jahren mit Sty- ropor. Der leichte Stoff ermöglichte es, immer höhere Figuren zu kreieren. Haushoch ragen die Hogueras heute zum Teil in die Höhe. Mit dem neuen Material wurde das Design der Kunstwerke immer ausgefeilter, die Hogueras-Bauer entwickelten ihre eigenen Stile und wurden wie Künstler verehrt.
Heute wird mit Valencias Fallas im März der Frühlingsanfang gefeiert, die Alicantinos begehen mit ihrer Version den Sommerbeginn, weshalb die Hogueras auch immer um den 20. Juni stattfinden, der kürzesten Nacht des Jahres. Gefeiert wird die Johannisnacht, also San Juan, in Alicante traditionell erst von 23. auf 24. Juni. Dann versammelt sich – heutzutage vermehrt die jüngere Generation – am Stadtstrand Postiguet zu einer riesigen Freiluftparty.
Jedes Freundesgrüppchen bringt ein bisschen Holz für ein kleines Lagerfeuer mit, in das um Punkt 24 Uhr kleine Zettelchen geworfen werden, auf denen Dinge stehen, die möglichst nicht in Erfüllung gehen sollen. Anschließend springen die Mutigen über die Flammen und baden die angesengten Füße im Meer. Das soll doppelt Glück bringen.
„Der alicantinische Foguerer, wie der Hogueras-Fan auf Valenciano heißt, legt besonderen Wert darauf, dass es sich bei seiner Fiesta nicht um die Fallas von Valencia handelt“, erklärt Ismael Belda. Der Alicantiner Journalist hat ge- meinsam mit Fernando Abad und sieben weiteren Autoren das Buch „Oh, Hogueras“geschrieben. Ein kritisches Essay über den Wahnsinn der Fiestas von Alicante.
Sie lassen kein gutes Haar an den Hogueras. „Das Fest hat sich sehr von den Alicantinos entfernt“, findet Belda. Die hohen Amtsinhaber der Comisiones feierten abgeschottet vom Rest des Publikums, monieren die Autoren. In den Barracas und Racós, wie die Buden mit Bars, Tischen, Stühlen und lauter Musik in den Straßen heißen, würden ganze Viertel ihr eigenes Süppchen kochen.
„Ursprünglich war das nicht so“, sagt Abad. Wer heute Bellea, also Festkönigin, werden will, muss bis zu 12.000 Euro hinblättern, um das Gefolge mit Essen und Getränken zu versorgen sowie die teure Festbekleidung zu finanzieren. „Das ist doch Wahnsinn“, sagt Belda, dessen Tochter genau aus diesem Grund einst keine Festkönigin wurde. Immer teurere Figuren Auch dass die Figuren immer teurer und in Hochzeiten der Partido Popular im Land Valencia weniger kritisch gegenüber Politikern wurden, bemängeln Belda, Abad und ihre Mitstreiter. „Das hat sich aber in letzter Zeit zum Glück wieder gebessert“, sagen die Autoren.
Bei seiner Erscheinung 2005 stieß das Buch bei den Fiesta-Verbundenen erwartungsgemäß auf heftige Kritik. Kein alicantinischer Verlag traute sich, das Essay zu verlegen. Zu allem Überfluss für die stolzen Foguerers von Alicante war es schließlich ein Verlag aus Valencia, der sich dessen annahm. „Ziemlich bezeichnend“, sagt Belda, der betont, dass sie nichtsdestotrotz alle Liebhaber der Hogueras seien. „Wir wünschen uns nur ein paar Veränderungen“, sagen sie.
Hingehen werden Belda und Abad wohl trotzdem, genau wie Hogueras-Bauer Guíjarro. Nach den Fiestas in Alicante ist für ihn noch lange nicht Schluss. Er baut noch eine weitere Figur für die Feierlichkeiten von San Vicente del Raspeig, die vom15. bis 24. Juli stattfinden. „Danach ist aber eine Pause dran“, sagt der 42-Jährige. Es geht erstmal drei Wochen in den Urlaub.