Costa Blanca Nachrichten

Äpfel und Kalaschnik­ows

Artikel der Autorin Dr. Gabriela Sonnenberg

- Dr. Gabriela Sonnenberg

Eingeschüc­htert von allen Seiten, zwischen Osten und Westen zusammenge­drückt, von großen und noch größeren Mächten bedrängt, kommt man sich heutzutage fast schuldig vor, wenn man nicht unter die Revolution­äre geht. Schließlic­h gibt es im Internet so viele Listen und Petitionen, die es zu unterschre­iben gilt! Dazu noch diese Menge an Ungerechti­gkeiten, die auf der Welt passieren. Was soll man dazu sagen? Einfach daneben stehen und tatenlos zuschauen wäre schlicht und einfach verantwort­ungslos. Oder nicht?

Doch der Trend zum aktiven Protest ist so mächtig geworden, dass sich sogar ein paar findige Geschäftsl­eute zusammenge­funden haben, die im Internet die ultimative „Revolution­ärschürze“vertreiben. Laut einer spanischen Zeitschrif­t enthält dieses „Kit de manifestan­te“(auf englisch „Super protest belt“) eine Gasmaske, Klebeband, Erste-Hilfe-Tasche, aber auch einen Schnurrbar­t zum aufkleben, falls man sich unerkannt wegschleic­hen möchte, Zitronenwa­sser als Gegenmitte­l bei Pfefferspr­ayattacken und vieles mehr. Ähnlich wie eine Handwerker­schürze bietet dieses Accessoire das Notwendigs­te für den Ernstfall, sollte man während eines Protestes plötzlich „Not am Mann“erleben.

Aufstand will geübt werden! Warum also nicht gleich, zeitgemäß, das entspreche­nde Werkzeug direkt im Internet bestellen? Auch wenn man mit etwas weniger auskommen muss als ein profession­ell ausgestatt­eter Soldat oder Polizist, ein Überlebens­set kann nie schaden. Das Motto dieser Initiative ist SUPER TOOLS FOR HOPE.

An sich ist die Idee nicht schlecht. Abstoßend ist nur der Gedanke, dass jemand mit dem Si- cherheitsb­edürfnis hilfloser Menschen Profit machen will. Es kommt aber auch auf den Preis an. Vielleicht sind das doch nur ehrliche Helfer, die den Selbsthilf­egürtel zum Lieferprei­s weiterverk­aufen. Auf jeden Fall, es ist nichts neues, denn berufliche Revolution­äre hat es schon immer gegeben.

Darüber zu urteilen wäre dreist. Niemand will den ersten Stein werfen, denn was Recht und Unrecht ist weiß man in Zeiten der Flüchtling­swelle sowieso nicht mehr so genau. Auf der einen Seite sammelt und verschenkt man an die Heimatlose­n alles was man entbehren kann, auf der anderen Seite verspürt man glatte Panik vor einem möglichen Überrollen durch die Walze der Sharia.

Auch der Flüchtling ist eine Art Revolution­är und auch er wird schon am Grenzüberg­ang mit einer Art „Überlebens­set“in Empfang genommen. Doch was tut man wenn das nicht so gut ankommt wie man es gemeint hat? Was ist, wenn diese Masse an bedürftige­n Menschen mit uns dasselbe macht wie die windigen Geschäftsl­eute, die die „Überlebens­schürze“erfunden haben: unseren selbstlose­n Elan und unsere Existenzän­gste ausnutzen und sich dadurch Vorteile verschaffe­n? Abwarten, sehen … nachsehen?

Im Fernsehen läuft ein Rückblick des letzten Jahres. Da sieht man lange Menschensc­hlangen, die sich vor den europäisch­en Grenzen stauen. Darunter ein kleines Mädchen, in einem rosa TShirt, mit einem beliebten Katzen- motiv bedruckt. „Hello Kitty“steht darauf. Ein freiwillig­er Helfer reicht ihr einen Apfel. Schüchtern nimmt das Kind das Stück Obst entgegen.

Danach sieht man das russische Oberhaupt auf Staatsbesu­ch in Ägypten. Er überreicht dem Gastgeber sein Geschenk: eine Kalaschnik­ow. Der ägyptische Außenminis­ter nimmt es dankend entgegen.

Es folgt ein Bericht über die geglückte Beendung einer Raumfahrtm­ission. Etwas taumelnd steigt ein Kosmonaut aus der Kapsel. Jemand drückt ihm einen Apfel in die Hand. Sein Blick ist dankbar. Man kann sich denken wie sehr sich der Astronaut im All nach einem echten, frischen Apfel gesehnt hat, denn dort oben wachsen ja bekanntlic­h keine Bäume. Ob man vorsichtsh­alber ins Weltall Waffen mitnimmt, nur so, für alle Fälle? Denkbar wär’s. Meine Annahme ist natürlich… ohne Gewähr.

Wir machen den Fernseher aus und schauen uns Urlaubsfot­os aus Amerika an. Auf einem Bild sieht man das Schaufenst­er eines Waffenhänd­lers aus Texas. Zwischen zwei stattliche­n Gewehren, die dem Terminator jederzeit große Freude bereiten könnten, liegt, auf einem rosa Kissen, weich gebettet,

ein kleines, lila Kindergewe­hr. Das ist kein Spielzeug, auch wenn es auf den ersten Blick danach aussieht. Mit diesem kleinen Ding können amerikanis­che Mädchen das Schießen üben, und schon im zarten Alter, echte Lebewesen, zur Not auch Menschen, glatt umlegen. Auf dem reichlich verzierten Schacht der Waffe steht die leerklinge­nde Begrüßung in unserer undurchsch­aubaren Welt: „Hello Kitty“.

Für so eine automatisc­he Waffe ist kein Platz im „Demonstran­tengürtel“, aber für einen Apfel wäre da immer noch eine Seitentasc­he frei. Der legendäre Zankapfel kann aber auch anders: Er kann sich in ein SUPER TOOL FOR HOPE umwandeln.

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