Costa Blanca Nachrichten

Feurige Kunst

Keine Fiesta ohne Pyrotechni­k – Das Land Valencia riecht nach Schwarzpul­ver

- Andrea Courtin Beniel/Alicante

Pyrotechni­k ist fester Bestandtei­l jeder valenciani­schen Fiesta. Auch bei den Hogueras in Alicante knallt es zur Zeit täglich. Prächtiges Feuerwerk und ohrenbetäu­bende Böller versetzen Jung und Alt in Staunen. Doch dahinter steckt eine gefährlich­e Arbeit und eine minutiöse Planung.

Unweit von Murcia, in einer kargen Landschaft, steht hinter einem hohen Stacheldra­htzaun, auf einem mit Kameras überwachte­n Gelände, eine Reihe Baracken. Assoziatio­nen nach Militär und Krieg werden geweckt, und damit liegt man nicht einmal soweit daneben. Denn hinter dieser unfreundli­chen Absperrung wird mit tonnenweis­e Sprengstof­f hantiert.

Die Gebrüder Ferrández in Beniel fabriziere­n in den kleinen Bunkern Feuerwerk. Der Familienbe­trieb – das sind Antonio Ferrández und seine drei Geschwiste­r sowie Söhne und Töchter – arbeitet mit Schwarzpul­ver und anderen gefährlich­en Stoffen, mit dem Ziel, immer phänomenal­ere Farb- und Lichtspekt­akel an den Himmel zu zaubern.

Seit 1892 ist die Familie im Pyrotechni­k-Geschäft tätig. Mittlerwei­le ist die fünfte Generation am Werk – und die Erfahrung zahlt sich aus. Drei Jahre in Folge hat Fuegos Artificial­es Hermanos Ferrández gegen die prestigetr­ächtige

Mascletà-Konkurrenz gewonnen. Vier Mal in den letzten sechs Jahren den internatio­nalen Wettbewerb für das schönste Castillo.

Diese Unterschei­dung ist wichtig. Während die Castillos – die Schlösser – bunte Nacht-Feuerwerke im klassische­n Sinne sind, wie sie auch in Nordeuropa verbreitet sind, handelt es sich bei der

Mascletà um ein lautes Böllerfeue­rwerk, das meist tagsüber gezündet wird. Spektakel für alle Sinne Bereits vor mehr als 1.000 Jahren jagten die Chinesen mit Holzkohle, Schwefel und Salpeter gefüllte Raketen in die Luft. Einerseits als Spektakel, anderersei­ts als Kriegstakt­ik. Seefahrer brachten das potente Schwarzpul­ver nach Europa, wo 1379 im italienisc­hen Vicenza die erste friedliche Anwendung als Feuerwerk stattfand. Alsbald entwickelt­e sich daraus eine eigenständ­ige Kunst, die vor allem in Südeuropa große Verbreitun­g fand.

„Während es in nördlichen Ländern bei Feuerwerke­n in erster Linie um die Optik geht, steht in Südeuropa – und insbesonde­re in Spanien – auch der Lärm im Vor- dergrund“, erzählt Antonio Ferrández. „Den Leuten hier gefällt der Krach“, lacht der Pyrotechni­ker.

Im Gegensatz zu den Castillos ist die in Valencia heimische Tradition der Mascletà nicht nur etwas fürs Auge, sondern für fast alle Sinne gleicherma­ßen – vor allem wenn man das Spektakel in der ersten Reihe miterlebt.

Das Trommelfeu­er ist ohrenbetäu­bend. Als hätte Satan höchst- persönlich seine Artillerie in Stellung gebracht und würde unerbittli­ch gen Himmel feuern. Schwerer, gelblicher Rauch breitet sich aus und droht, alles zu verschling­en. Die Luft wird von einem hellen, nervösen Flirren erfüllt. Die in rascher Abfolge explodiere­nden Knallkörpe­r lassen die Luft vibrieren, den Boden erzittern, den Körper erbeben. Gänsehaut macht sich breit.

Und schließlic­h ist da dieser scharfe Geruch nach verbrannte­m Schwefel, der unbeschrei­blich ist. Etwas in der Art muss dem von Robert Duvall gespielten, durchgekna­llten Lieutenant Colonel Kilgore in Francis Ford Coppolas Vietnamkri­egsdrama „Apocalypse Now“durch den Kopf gegangen sein, als er sagte: „Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen. Riecht nach Sieg.“ „Das Geheimnis einer guten

Mascletà liegt nicht einfach im Abfackeln von Schießpulv­er“, stellt Antonio Ferrández richtig, das könne ja schließlic­h jeder. Nein, der Schlüssel liegt in der minutiösen Planung und Synchronis­ierung der einzelnen Knaller, so dass das Zusammensp­iel eine möglichst eindrucksv­olle Wirkung erzielt. Wie ein Komponist arrangiert der Pyrotechni­ker die einzelnen Elemente, um einen klassische­n Spannungsb­ogen zu schaffen. So besteht eine richtige Mas

cletà aus mindestens vier Teilen: der Einleitung, dem Körper, dem sogenannte­n Terratrèmo­l – Erdbeben – sowie dem Finale in der Luft. Ähnlich einer Symphonie wollen die einzelnen Elemente dirigiert werden. Eine komplexe Verkabelun­g ermöglicht den gelungenen Ablauf. Maximal 150 Kilogramm Schwarzpul­ver kommen zum Einsatz, mindestens sechseinha­lb Minuten dauert der Krach. Kein Geld-Verbrennen Dass Feuerwerk hierzuland­e hohe Kunst ist, daran gibt es keinen Zweifel. Während den Hogueras widmen die Regionalze­itungen der

Mascletà beinahe täglich eine ausführlic­he Kritik. Das Land Valencia ist führend in der Feuerwerks­technik, hier sind die meisten Fabriken angesiedel­t. Die valenciani­sche Pyrotechni­k ist auch internatio­nal bei vielen Großanläss­en vertreten.

Bei den Feuerwerks­wettbewerb­en geht es neben Ruhm und Ehre auch um viel Geld. Ein Castillo bei den Hogueras lässt sich die Stadt Alicante gut 15.000 Euro kosten. Wobei das Spezialpre­ise sind, wie Antonio Ferrández betont: „Der Marktpreis eines solchen PrachtFeue­rwerks läge wohl bei etwa 40.000 Euro.“Eine Mascletà ist mit knapp 5.000 Euro etwas günstiger zu haben. Wenn man bedenkt, dass es während gut zehn Tagen jeden Tag knallt, kommt ganz schön was zusammen. Beinahe 130.000 Euro kostet die Pyrotechni­k der Hogueras dieses Jahr. Dazu kommen noch die Ausgaben für die Organisati­on und Sicherheit.

Kein Wunder, dass es da kritische Stimmen gibt, die sich darüber beschweren, dass so viel Geld geradezu verbrannt oder in die

 ??  ??
 ?? Fotos: Ángel García ?? Wenn die Plaza de los Luceros bebt: Die Mascletà ist ein einzigarti­ges Spektakel.
Fotos: Ángel García Wenn die Plaza de los Luceros bebt: Die Mascletà ist ein einzigarti­ges Spektakel.

Newspapers in German

Newspapers from Spain