Feurige Kunst
Keine Fiesta ohne Pyrotechnik – Das Land Valencia riecht nach Schwarzpulver
Pyrotechnik ist fester Bestandteil jeder valencianischen Fiesta. Auch bei den Hogueras in Alicante knallt es zur Zeit täglich. Prächtiges Feuerwerk und ohrenbetäubende Böller versetzen Jung und Alt in Staunen. Doch dahinter steckt eine gefährliche Arbeit und eine minutiöse Planung.
Unweit von Murcia, in einer kargen Landschaft, steht hinter einem hohen Stacheldrahtzaun, auf einem mit Kameras überwachten Gelände, eine Reihe Baracken. Assoziationen nach Militär und Krieg werden geweckt, und damit liegt man nicht einmal soweit daneben. Denn hinter dieser unfreundlichen Absperrung wird mit tonnenweise Sprengstoff hantiert.
Die Gebrüder Ferrández in Beniel fabrizieren in den kleinen Bunkern Feuerwerk. Der Familienbetrieb – das sind Antonio Ferrández und seine drei Geschwister sowie Söhne und Töchter – arbeitet mit Schwarzpulver und anderen gefährlichen Stoffen, mit dem Ziel, immer phänomenalere Farb- und Lichtspektakel an den Himmel zu zaubern.
Seit 1892 ist die Familie im Pyrotechnik-Geschäft tätig. Mittlerweile ist die fünfte Generation am Werk – und die Erfahrung zahlt sich aus. Drei Jahre in Folge hat Fuegos Artificiales Hermanos Ferrández gegen die prestigeträchtige
Mascletà-Konkurrenz gewonnen. Vier Mal in den letzten sechs Jahren den internationalen Wettbewerb für das schönste Castillo.
Diese Unterscheidung ist wichtig. Während die Castillos – die Schlösser – bunte Nacht-Feuerwerke im klassischen Sinne sind, wie sie auch in Nordeuropa verbreitet sind, handelt es sich bei der
Mascletà um ein lautes Böllerfeuerwerk, das meist tagsüber gezündet wird. Spektakel für alle Sinne Bereits vor mehr als 1.000 Jahren jagten die Chinesen mit Holzkohle, Schwefel und Salpeter gefüllte Raketen in die Luft. Einerseits als Spektakel, andererseits als Kriegstaktik. Seefahrer brachten das potente Schwarzpulver nach Europa, wo 1379 im italienischen Vicenza die erste friedliche Anwendung als Feuerwerk stattfand. Alsbald entwickelte sich daraus eine eigenständige Kunst, die vor allem in Südeuropa große Verbreitung fand.
„Während es in nördlichen Ländern bei Feuerwerken in erster Linie um die Optik geht, steht in Südeuropa – und insbesondere in Spanien – auch der Lärm im Vor- dergrund“, erzählt Antonio Ferrández. „Den Leuten hier gefällt der Krach“, lacht der Pyrotechniker.
Im Gegensatz zu den Castillos ist die in Valencia heimische Tradition der Mascletà nicht nur etwas fürs Auge, sondern für fast alle Sinne gleichermaßen – vor allem wenn man das Spektakel in der ersten Reihe miterlebt.
Das Trommelfeuer ist ohrenbetäubend. Als hätte Satan höchst- persönlich seine Artillerie in Stellung gebracht und würde unerbittlich gen Himmel feuern. Schwerer, gelblicher Rauch breitet sich aus und droht, alles zu verschlingen. Die Luft wird von einem hellen, nervösen Flirren erfüllt. Die in rascher Abfolge explodierenden Knallkörper lassen die Luft vibrieren, den Boden erzittern, den Körper erbeben. Gänsehaut macht sich breit.
Und schließlich ist da dieser scharfe Geruch nach verbranntem Schwefel, der unbeschreiblich ist. Etwas in der Art muss dem von Robert Duvall gespielten, durchgeknallten Lieutenant Colonel Kilgore in Francis Ford Coppolas Vietnamkriegsdrama „Apocalypse Now“durch den Kopf gegangen sein, als er sagte: „Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen. Riecht nach Sieg.“ „Das Geheimnis einer guten
Mascletà liegt nicht einfach im Abfackeln von Schießpulver“, stellt Antonio Ferrández richtig, das könne ja schließlich jeder. Nein, der Schlüssel liegt in der minutiösen Planung und Synchronisierung der einzelnen Knaller, so dass das Zusammenspiel eine möglichst eindrucksvolle Wirkung erzielt. Wie ein Komponist arrangiert der Pyrotechniker die einzelnen Elemente, um einen klassischen Spannungsbogen zu schaffen. So besteht eine richtige Mas
cletà aus mindestens vier Teilen: der Einleitung, dem Körper, dem sogenannten Terratrèmol – Erdbeben – sowie dem Finale in der Luft. Ähnlich einer Symphonie wollen die einzelnen Elemente dirigiert werden. Eine komplexe Verkabelung ermöglicht den gelungenen Ablauf. Maximal 150 Kilogramm Schwarzpulver kommen zum Einsatz, mindestens sechseinhalb Minuten dauert der Krach. Kein Geld-Verbrennen Dass Feuerwerk hierzulande hohe Kunst ist, daran gibt es keinen Zweifel. Während den Hogueras widmen die Regionalzeitungen der
Mascletà beinahe täglich eine ausführliche Kritik. Das Land Valencia ist führend in der Feuerwerkstechnik, hier sind die meisten Fabriken angesiedelt. Die valencianische Pyrotechnik ist auch international bei vielen Großanlässen vertreten.
Bei den Feuerwerkswettbewerben geht es neben Ruhm und Ehre auch um viel Geld. Ein Castillo bei den Hogueras lässt sich die Stadt Alicante gut 15.000 Euro kosten. Wobei das Spezialpreise sind, wie Antonio Ferrández betont: „Der Marktpreis eines solchen PrachtFeuerwerks läge wohl bei etwa 40.000 Euro.“Eine Mascletà ist mit knapp 5.000 Euro etwas günstiger zu haben. Wenn man bedenkt, dass es während gut zehn Tagen jeden Tag knallt, kommt ganz schön was zusammen. Beinahe 130.000 Euro kostet die Pyrotechnik der Hogueras dieses Jahr. Dazu kommen noch die Ausgaben für die Organisation und Sicherheit.
Kein Wunder, dass es da kritische Stimmen gibt, die sich darüber beschweren, dass so viel Geld geradezu verbrannt oder in die