Vom Meister lernen
Oscar Testa betreibt nach erfolgreicher Musikerkarriere eine Gitarrenbauschule in Altea
Oscar Testas Stimme ist einzigartig, seine Fingerfertigkeit an der Mandoline wirkt zauberhaft. Kein Wunder, dass der Argentinier eine erfolgreiche Musikerkarriere hinter sich hat. Seit Jahren widmet sich Testa auch dem Bau und der Reparatur von Gitarren und anderen Zupfinstrumenten – und gibt sein Wissen an Schüler in Altea weiter.
Wenn Oscar Testa den Mund öffnet, geraten alle anderen Geräusche in den Hintergrund. Der Argentinier singt von einem verheirateten Mann, der seine verheiratete Nachbarin liebt, lässt die ganze Verzweiflung des Paares, das keins sein darf, fühlbar werden und entlockt der Gitarre dazu beinahe magische Klänge. Vollkommen unbemerkt haben sich zwei französische Touristen an das weit geöffnete Fenster in Altea gestellt, angelockt von der kleinen Gratis-Kostprobe eines großen Sängers.
„Ein Gedicht des Poeten Rafael de León über eine verbotene Liebe“, sagt Testa anschließend und hängt die Gitarre, die seinen Namen trägt, zurück an die Wand der kleinen Werkstatt, in der der Musiker Gitarren und weitere Zupfinstrumente baut, repariert und sein Wissen an Schüler weitergibt. „Die meisten Luthiers machen aus ihrem Beruf ein Staatsgeheimnis und wollen ihr Können mit niemandem teilen“, bedauert Testa. Seine Philosophie ist eine ganz andere: Je mehr Leute sich für den Beruf des Gitarrenbauers interessieren, desto länger wird dieser überleben.
2.000 Kilometer auf einem Lkw-Dach durch Argentinien
„Gitarren zu bauen hat nicht nur etwas mit Musik zu tun. Es geht um handwerkliches Geschick, man arbeitet mit einem natürlichen Material. Das Kreieren kann sogar als Therapie dienen“, ist Testa überzeugt. Auch für den 69-Jährigen war es schwierig, einen Lehrmeister zu finden. Letztendlich kaufte er sich eines Tages eine gute Gitarre und nahm sie auseinander, um zu schauen, wie das Innenleben aussieht. Aufbau, Zusam- mensetzung und die Reihenfolge, in der die Einzelteile gebaut und aneinander geleimt werden, brachte sich Testa selbst bei. „Meine erste Gitarre war viel zu schwer und hatte praktisch überhaupt keinen Klang“, lacht der Luthier heute über seine Anfänge.
Apropos Anfänge: Begonnen hat die Leidenschaft des Argentiniers für den Instrumentenbau, als er 18 Jahre alt war. „Mein Heimatort ist etwa 200 Kilometer von Buenos Aires entfernt. Dort gab es ein Logistikunternehmen und ich durfte auf einem der Lastwagen mitfahren“, sagt Testo. Auf dem Dach des Lkw legte der junge Mann so 2.000 Kilometer durch den Norden Argentiniens zurück. „Dort lernte ich viele Handwerker kennen, vor allem Gitarrenbauer. Und Holz gibt es sowieso mehr als genug in Argentinien“, so Testa.
Zurück in seiner Heimat, nahm sich der junge Mann fest vor, seine eigene Gitarre zu bauen, doch
dann kam ihm die Musikerkarriere dazwischen. „Ich wurde Sänger in der Folkloregruppe Los Carabajal. Wir waren sehr erfolgreich, spielten auf Festivals und tourten durch ganz Lateinamerika“, sagt Testa. Je nach Region spielten sie die dort traditionelle Instrumente und sangen die Volkslieder des Publikums.
Tour durch Europa
Der Erfolg führte Testo und seine Musikerkollegen schließlich in den 70er Jahren nach Spanier. „Wir wurden verpflichtet, einige Monate lang in einer Bar in Barcelona zu spielen. Letztendlich blieben wir über ein Jahr“, sagt Testa. Für die Folklore-Festivalsaison kehrten Los Carabajal zurück nach Lateinamerika, traten in Chile, Argentinien, Paraguay auf. „Es gab damals zwischen Dezember und Februar über 400 solcher Festivals“, sagt Testa.
1974 folgte eine weitere Europatournee, die die Gruppe unter anderem in die Schweiz führte – und erneut nach Spanien. Sieben Monate lang traten sie in Bilbao auf, schließlich übernahm Testa eine kleine Bar in Santiago de Compostela, die er drei Jahre lang führte. Neben dem Musikerleben blieb die Idee vom Gitarrenbau aber stets im Hinterkopf. Zurück in Argentinien, brachte sich Testa selbst bei, wie Boden, Decke, Zarge, Hals, Griffbrett und Saitenhalter gebaut werden oder welches Holz die Töne besonders lang vibrieren lässt.
Nachdem er einige Erfahrung gesammelt hatte, zog es Testa er- neut nach Spanien. „Ich wollte von einem echten Experten der klassischen spanischen Schule wissen, ob meine Arbeit etwas taugte“, sagt der Argentinier. Er suchte Manuel Contreras in Madrid auf, dreifach zum weltbesten Luthier gewählt. Contreras bestätigte dem Kollegen sein Können und schenkte ihm ein Buch über Gitarrenbau – von dem spanischen Luthier schlechthin, José Ramírez. Die Anleitung des Meisters bewahrt der Argentinier bis heute auf, obwohl er mittlerweile selbst an einem Buch über Gitarrenbau und seine Karriere schreibt.
Kaum Interesse in Altea
2005 lernte Testa nach einem Auftritt in El Campello eher zufällig Altea kennen – und lieben. „Damals beschloss ich, dass ich eines Tages hierher zurückkehren würde“, so der 69-Jährige. 2011 gab er schließlich seine gut gehende Gi- tarrenbau-Schule und -Werkstatt in Buenos Aires auf und zog in das kleine Städtchen an der Costa Blanca. Seit zwei Jahren ist die Escuela de Lutheria im Musikkonservatorium der Stadt untergebracht.
„Wir hatten uns eigentlich Unterstützung von der Stadt erhofft, haben Projekte in Schulen vorgeschlagen, Kurse für Kinder oder Behinderte“, sagt Testas Frau Susana Márques. Bisher stößt das Paar mit seinen Ideen auf taube Ohren und ist schwer enttäuscht. „Seine Schüler sind meist Ausländer oder Spanier aus Dénia, Jávea und Umgebung“, sagt Márques. In der Künstlerstadt Altea selbst herrscht dagegen wenig Interesse, von einem großen Meister zu lernen – oder ihm einfach nur bei einem Glas Wein zu lauschen, wenn er Liebende lebendig werden lässt, einen Tango anstimmt oder einer Mandoline zauberhafte Klänge entlockt.