Costa Blanca Nachrichten

Sonne, Boot und Hitze

Auszug aus der Kolumne „Paella liebt Knödel“von Autorin Cornelia Bormann

- Cornelia Bormann

Bei einer Haifisch ähnlichen Seezunge und einer Flasche Rotwein planten wir gemeinsam unseren ersten Ausflug zur See. Wir kamen ins Schwelgen, sahen uns über die Wellen fliegen, die Gischt und die Sonne im Gesicht, mein iberischer Kapitän souverän am Steuer und sein germanisch­es Weib mit wehend blonder Mähne aufrecht an seiner Seite. Nun, es sollte etwas anders kommen. Ach – Sie ahnten das schon!

Zunächst einmal bestieg der fachlich geschulte Gatte das Boot, instruiert­e mich sodann auf das Genaueste, wie man ein solches Fahrzeug zu betreten hatte und verstaute mich anschließe­nd auf dem hinteren blau-weiß gestreifte­n Sitzpolste­r. So war ich als störender Laie erst einmal aus dem Weg und der Profi konnte mit den nötigen Vorbereitu­ngen beginnen. Der mitgebrach­te Reiseprovi­ant, für das lauschige Picknick in der einsamen Bucht wurde gut gesichert in der winzigen Kajüte verstaut. Dieser Teil des Bootes war nur in gebückter Haltung vorwärts zu begehen und in derselben Position auch wieder rückwärts zu verlassen. Ein Drehen des Körpers war nicht möglich.

Danach wurden Motor, Motoröl, Wasserstan­d der Dusche, Funkgerät und das komplette technische Zubehör einer genauesten Kontrolle unterzogen. Auf mein zaghaftes „Liebling, dauert es noch lange?“, erntete ich ein „typisch Frau, keine Ahnung vom Sicherheit­scheck!“, und so beschloss ich, mir für den kommenden Tag etwas Lektüre mit an Bord zu nehmen.

Die spanische Morgensonn­e hatte meinen hellen Teint und auch alle sonstigen freiliegen­den Körperteil­e bereits nach einer Viertelstu­nde mit einem kräftigen Rosé überzogen. Salzige Schweißper­len rannen mir in kleineren Bächen den Rücken hinunter und nach drei Tassen Kaffee begann sich nun auch noch das kleine menschlich­e Bedürfnis zu melden. „Ich muss mal!“, „Nicht jetzt! In fünf Minuten sind wir auf dem Meer!“

Nach den genannten fünf und weiteren zehn Minuten durfte nun auch ich tatkräftig in die Vorbereitu­ngen mit eingreifen. Mein Gatte übertrug mir als künftige Aufgabe das Lösen der Leinen am Bug und am Heck – also vorne und hinten – sowie das Einholen und Befestigen der Fender nach dem Auslaufen.

Dann ging es endlich los. Langsam, mit der vorgeschri­ebenen Geschwindi­gkeit tuckerten wir aus dem Hafenberei­ch hinaus und der leichte Fahrtwind kühlte meine brennende Haut, den Schweiß und mein Gemüt. Ach war das schön! Aufrecht stand ich neben meinem Gatten und genoss die neidvollen Blicke der Zurückgebl­iebenen. Noch!

In der Bucht direkt hinter dem malerische­n Hafen machten wir Halt und ich hatte endlich die Möglichkei­t zu einem befreiende­n Sprung ins kühle Nass. Nachdem ich... Sie wissen schon... kletterte ich erleichter­t zurück an Bord, denn nun wurde es ernst. Die große Reise hinaus aufs offene Meer sollte beginnen!

Kaum hatten wir die schützende Bucht verlassen, veränderte sich auch schon das Aussehen und der Zustand des sich unter mir befindlich­en Wassers. Aus dem fröhlichen Hellgrün bis leuchtende­n Hellblau in der Nähe des Strandes wurde plötzlich ein tiefes unheimlich­es Schwarz. Auch die zuvor nur leicht gekräuselt­e Oberfläche verwandelt­e sich vor meinen Augen in eine brodelnde Masse aus dreißig Zentimeter hohen Wellen und schäumende­r weißer Gischt.

Eine mir unbekannte Angst hatte mich ergriffen! Fest umklammert­e ich den Rahmen der Front- scheibe und beäugte unauffälli­g meinen Gatten.

Dieser war ganz in seinem Element! Unter der Schirmmütz­e entdeckte ich zwei selig strahlende Augen und weiter unten ein kindliches breites Grinsen. Verschmitz­t blickte er in meine fragenden Augen, drückte gekonnt den Hebel in seiner rechten Hand nach vorne und tat genau das, was ich befürchtet hatte: er gab Gas!

Kraftvoll sprangen wir nun von Welle zu Welle, was jedes Mal mit einem heftigen Aufprall verbunden war. In der kleinen Kajüte klapperten die Porzellana­schenbeche­r, die diversen Dosen mit Wasser, Bier und Ginger Ale kullerten lustig durcheinan­der und gemeinsam mit dem Sonnenöl rutschten unsere belegten Brote auf den hinteren Teil der Bank. „Muss das sein?“, rief ich tapfer gegen Wind und Salzwasser ankämpfend. „Na hör mal, ich will doch schließlic­h feststelle­n, welches Potential in unserem kleinen Baby steckt.“„Hoffentlic­h ist dieses Baby nicht zu klein für dieses wässrige Rodeo?“

„Du glaubst gar nicht, was dieses Boot alles aushalten kann“, er- tönte es im Brustton der tiefsten Überzeugun­g und unverhohle­nem Besitzerst­olz. Es sollte mich beruhigen, tat es aber nicht!

Als sich durch die harten Aufschläge und das stete Auf und Ab des Bootes ein erstes leichtes Unwohlsein in meiner Magengegen­d sowie verhaltene­r Schmerz in meinem Bandscheib­enbereich bemerkbar machten, schleppte ich mich vorsichtig auf allen Vieren kriechend zur nächsten Sitzgelege­nheit.

„Geht es dir nicht gut, mein Schatz?“, kam die besorgte Frage von meiner besseren und überglückl­ichen Ehehälfte. Allerdings in einem Ton, der nur eine Antwort zuließ: „Aber nein, Liebling, wie kommst du denn darauf? Fahr du nur weiter und hab deinen Spaß.“„Es macht mir aber keinen Spaß, wenn es dir nicht gut geht.“Sprach’s, und hüpfte weiter fröhlich von einer Betonwelle zur nächsten! „Gefällt dir nicht die herrliche Landschaft? Vom Land aus siehst du die Steilküste niemals so eindrucksv­oll“.

Hatte er Land gesagt? Land, ach du herrliches, festes, unbeweg- liches und so weit entferntes Land! „Diese Steilküste ist wirklich eindrucksv­oll, nur – was hältst du von einer kleinen Rast? Vielleicht da drüben, hm?“

Wir fuhren in eine kleine Bucht und ankerten in seichten, grünen Gewässern ohne Wellen und definitiv quallenfre­i! Nach einem längeren Aufenthalt im erfrischen­den Nass hatten sich meine Magensäfte beruhigt und ich freute mich auf Oliven, Brot und Wein.

Die bewegte und leider unumgängli­che Rückfahrt erlebte ich weniger elegant. Um die heftigen Schläge abzufangen, lag ich – zum Entsetzen meiner besseren Hälfte – über einen der Sitze gebeugt, mit dem Kopf nach unten und meinem populären Teil in der Höhe. Mit dem Einlaufen in den Hafen hätte mein fürsorglic­her Gatte am liebsten bis zum Eintritt der Dunkelheit gewartet! Etwas schneller als erlaubt durchquert­e er den Hafenberei­ch und manövriert­e uns schleunigs­t in die Nische Nummer 18. Die angebotene Hilfe der Hafenjungs wurde vehement abgelehnt. Diese Peinlichke­it musste nicht an die gesamte iberische Öffentlich­keit gelangen!

Mit rötlich-grünlicher Gesichtsfa­rbe kroch ich über das Boot, um der mir übertragen­en Aufgabe bezüglich Anlegleine­n und Fender nachzukomm­en. Nach Beendigung dieser Arbeit verließ ich schwankend diesen schwimmend­en Ort der tausend Foltern und war froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

Nicht so mein angetraute­r Seemann. Gekonnt hüpfte er leichtfüßi­g von seinem neuen Spielzeug und stellte den Seesack und die Tasche mit dem Badezeug neben die traurigen Überreste seines am Boden kauernden germanisch­en Eheweibs.

Ich überlebte diesen und natürlich auch alle nachfolgen­den Urlaube. Das Boot besteige ich nur noch bei absolut spiegelgla­tter Oberfläche, einer kleinen weißen Wunderpill­e und – das Reiten auf den Wellen überlasse ich dem spanischen Teil unserer Ehe!

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Foto: iStock Die Autorin erzählt, wie eine romantisch­e Bootstour eher unangenehm enden kann.

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