Costa Blanca Nachrichten

Imposanter Koloss

Wie aus einem Rinnsal der Cañón del Mascarat wurde –Marina Alta fasziniert Hobby-Geologen Óscar Navarro

- Melanie Strauß Calp

Wie gefräst wirkt die Abbruchkan­te der Falla de Toix zwischen Altea und Calp. Dass der Felskoloss sein Aussehen aber einer Laune der Natur zu verdanken hat, erklärt Hobby-Geologe Óscar Navarro bei einer Tour durch das Pueblo del Mascarat.

Pausenlos brettern die Autos über die Köpfe hinweg, der Motorenlär­m hallt an den Felswänden wider. Als eine Plastiktüt­e in Zeitlupent­empo von der Brücke am Mascarat segelt, stößt Óscar Navarro einen leisen Fluch aus. „Die Leute sind so respektlos“, murmelt er und sieht mit gerunzelte­r Stirn dem Stück Plastik nach, das langsam zu Boden segelt und ein paar Meter weiter von den Spalten zwischen den Felsbrocke­n am Boden verschluck­t wird.

Der schüchtern­e Hobby-Geologe aus Valencia hat schon viele Urlaube in der für ihn erdgeschic­htlich interessan­ten Marina Alta und Baja verbracht. Normalerwe­ise begeht er allein den Morro de Toix, den Puig Campana oder den Peñón de Ifach. Heute zeigt er aber gerne die Besonderhe­iten des Cañón del Mascarat, der – wie er meint – völlig unterschät­zten Schlucht, die sich unter der Nationalst­raße N-332 verbirgt. Die meisten Autofahrer kennen die Gegend nur als die kurvigen Tunnel, die Altea und Calp verbinden.

Iberia fehlte die Spitze

Um die Geschichte des Mascarat zu erzählen, muss Navarro weit ausholen: Im Laufe ihres Daseins hat die Schlucht, die auch unter dem Namen Barranco Salado bekannt ist, einiges durchgemac­ht. Vor rund 30 Millionen Jahren – der Geologe nennt diese Zeit Oligozän – lag da, wo sich heute die bis zu 100 Meter tiefe Schlucht auftut, ein tropisches Meer.

Iberia, der heutigen iberischen Halbinsel, fehlte damals noch die Südspitze. Andalusien und Gibraltar stießen im wahrsten Sinne des Wortes erst später dazu: Mit der Kollision der eurasische­n und der afrikanisc­hen Platte vor rund 23 Millionen Jahren.

In dem niedrigen Tropenmeer hatten sich zuvor so große Mengen an skelettier­ten Tierresten angesammel­t, dass sich daraus das Kalkgestei­n der Sierra Oltá, der Sierra de Bernia und des Morro de Toix bildete.

Durch den Druck, den die afrikanisc­he auf die eurasische Platte ausübte, entstand die heute als Betische Kordillere bekannte Ge- birgskette, die sich von Cádiz über die Sierra Nevada, Valencia bis zu den Balearen zieht. „Und der Peñón ist übrigens nur ein Stück, das von der Sierra de Oltá herunterge­rutscht ist“, erklärt Navarro.

Die Entstehung des Cañón del Mascarat begann mit einem Wasserrinn­sal, das von der nordwest- lich gelegenene­n Sierra de Bernia heruntertr­opfte, mal mehr mal weniger Wasser mit sich führte, Kiesel und später größere Felsbrocke­n mit sich riss und die Schlucht nach und nach aushöhlte. Das mitgeschle­ppte Steinmater­ial ist hauptveran­twortlich für die heutige Tiefe der Schlucht. „Wasser allein kann das nicht schaffen“, sagt Navarro mit einem anerkennen­den Blick nach oben.

Immer wieder deutet er unterwegs auf tiefe Furchen, die die Erosion an den Felsen hinterlass­en hat, zeigt auf rötlich oxidierte Steine, die dem ungeschult­en Blick nicht auffallen würden. Wasser und Gestein haben ganze Arbeit geleistet – und das, obwohl das warme Tropenmeer es viel schwerer bei der Erosion hatte, als kalte Gewässer, erklärt der Geologe. Bekannterm­aßen enthält kaltes Wasser mehr Kohlenstof­fdioxid und hat daher mehr Erosionskr­aft. „Der Fels vergisst nichts“, sagt Navarro.

Wer sich in den Cañón del Mascarat wagt, sollte festes Schuhwerk, einen Helm oder zumindest einen Hut und möglichst lange Hosen anziehen. Die Felsbrocke­n sind etwas unwegig, ab und an fallen kleine Steinchen von den Brücken und Fenchel, Oleander und Disteln zerkratzen die Beine der Wanderer. Die Route vom Pueblo del Mascarat aus durch die Schlucht ist relativ kurz, etwa einen Kilometer kann man in den Cañón hineingehe­n. Dank der schattensp­endenden Felswände kann man den Weg aber auch im Sommer gut gehen.

Der Cañón wächst weiter

Auf bis zu einen Meter nähern sich die Wände ganz am Ende der Schlucht aneinander an. Dort, wo die neue und alte Auto- sowie die Trambrücke sich hoch über den Köpfen über den Abgrund legen, ziehen sich kalkige Wasserschl­ieren über den feuchten Stein. Ein Paar Wassertrop­fen haben es durch eine winzige Öffnung in der Wand am Ende der Kluft geschafft. „Der Cañón wächst weiter“, erklärt Navarro das Rinnsal, „und zwar Richtung Inland, also die Sierra de Bernia“.

Auch wenn es sich nach Katastroph­enstimmung anhört, sollte man sich vor dem Begehen des Barranco über mögliche drohende Regenfälle informiere­n. „Und zwar auch 30 Kilometer nordwest-

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Foto: Ángel García
 ?? Fotos: Ángel García (3)/Melanie Strauß (2) ?? Drei Brücken überspanne­n den bis zu 100 Meter tiefen Cañón del Mascarat.
Fotos: Ángel García (3)/Melanie Strauß (2) Drei Brücken überspanne­n den bis zu 100 Meter tiefen Cañón del Mascarat.
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Linsenförm­ige Nummuliten gibt es hier haufenweis­e.

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