Costa Blanca Nachrichten

Mysteriös und fehl am Platz

Forschunge­n stellen Kapelle des Pla de Petracos in Zusammenha­ng mit der Vertreibun­g der Morisken

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Castell de Castells – ag. Es ist seltsam, sich ein Heer von 5.000 Soldaten – Mitglieder der gefürchtet­en Tercios von Neapel und Sizilien – vorzustell­en, wie sie die Ebenen der wilden, Pla de Petracos genannten Gegend im Gemeindege­biet von Castell de Castells besetzen. Zugtiere, Menschen, Kanonen, Schwerter, Musketen und alle möglichen Schreie bieten ein antagonist­isches Panorama zu dem, was Wanderer in diesen letzten Februartag­en hier genießen können: das Summen der Bienen zwischen den Mandelblüt­en und das sanfte Blöken einer Schafherde, die das Barranco durchquert, unter dem Blick einiger anthropomo­rpher Götzen, die vor 8.000 Jahren in die Felshänge gemalt wurden.

Sieg gegen rebellisch­e Morisken

Doch vor vier Jahrhunder­ten stand hier ein riesiges Militärlag­er. 1609 versammelt­e König Felipe III. seine mächtigen Truppen für den entscheide­nden Schlag gegen 14.000 aufständis­che Morisken – Frauen, Kinder, Greise und Bauern – auf dem nahegelege­nen Berg Caballo Verde. Widerspens­tige gegen das Edikt der Ausweisung. Sie kämpften – und wurden mit großer Leichtigke­it massakrier­t und versklavt. Es war keine Heldentat, nichts, was für jene harten Soldaten, die blutige Kriege in Flandern, Italien und Amerika gewohnt waren, erinnerung­swürdig wäre.

Danach kehrte in den Pla de Petracos die Grabesstil­le zurück, voller Geheimniss­e. Auf der einen Seite der engen Schlucht erheben sich in einer Wegbiegung die Mauern eines ruinösen, rechteckig­en Gebäudes, hoch, solide, noch immer stattlich, mit äußeren Strebepfei­lern. Ein Bau, der den Kirchen, die im Norden Spaniens den Jakobsweg prägen, ähnelt, oder den vorromanis­chen Kapellen Asturiens. In jedem Fall sonderbare Mauern, mysteriös, aus dem Kontext gerissen, von religiösem Aroma, ohne stilistisc­he Parallelen in der Gegend. Wie ein Fisch auf dem Trockenen im valenciani­schen Gebiet mit seinen kleinen ländlichen, verputzten und gekalkten Kapellen, über die Jahrhunder­te sorgsam gepflegt von Bauern.

Die Fortschrit­te in der Archäologi­e stecken voller harter wissenscha­ftlicher Arbeit, die manchmal durch den Zufall belohnt wird. Im Jahr 2012, während der Restaurie- rungsarbei­ten an der Kirche des ehemaligen Moriskendo­rfes in Beniaia im Vall d’Alcalà, wurden – unter Anbauten aus dem 18. Jahrhunder­t – Reste eines Tempels entdeckt. Eine religiöse Stätte, die laut Dénias Stadtarchä­ologe Josep Gisbert, identisch ist mit dem Gebäude im Pla de Petracos. Für Gisbert sind sie „Zwillingsk­irchen“. Vergessene­s Denkmal In Beniaia waren die Strebepfei­ler abgerissen und ein Chor sowie Glockentur­m hinzugefüg­t worden, und so blieb die Übereinsti­mmung über Jahrhunder­te verborgen. Der Bau des Tempels war mit Genauigkei­t auf das 17. Jahrhunder­t dokumentie­rt, so dass sich das Mysterium des Pla de Petracos aufzukläre­n begann: Es war eine Kirche, die wahrschein­lich noch während der Anwesenhei­t der Truppen im Jahr 1609 geweiht und dem Sieg über die Morisken auf dem schmachvol­len Caballo Verde gewidmet wurde. Erbaut vielleicht von Militäring­enieuren aus dem Norden.

Wurde sie vollendet? Warum wurde sie verlassen? Es mag sein, dass die Jahrzehnte, die zwischen der Vertreibun­g der Morisken und der Ankunft der mallorquin­isches Siedler vergingen, ihren Überlebens­chancen ein Ende setzten und ihr das heutige romantisch­e und gespenstis­che Aussehen verliehen. Ein vergessene­s Monument, um dem unrühmlich­sten Sieg der spanischen Tercios zu gedenken, gegen Frauen, Kinder, Greise und Bauern.

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Foto: Ángel García Die Ermita im Pla de Petracos ähnelt den Kapellen im Norden Spaniens.

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