Costa Blanca Nachrichten

Hilferuf oder Falle?

Leseprobe aus dem neuen Roman „Wer kennt die Wege Gottes? Der Wind weht uns...“von Friedhelm Schmidt

- Friedhelm Schmidt Orcheta

Der grüne Golf biegt in die Grand Street ein, vor dem Haus Nummer 151 stellt David Johnson den Wagen ab. Sein Weg von der MilitärAka­demie West Point bis zu seinem Haus beträgt nur 15 Miles, die er in gut 30 Minuten Fahrzeit schafft. Newburgh am Hudson-River ist eine kleine ruhige Stadt, 66 Miles von New York entfernt. Nach hier hat er sich zurückgezo­gen, nachdem er sich von seiner Frau getrennt hatte. Den Gedanken an die Scheidung verdrängt er schnell, zu bitter sind die Erinnerung­en daran. Er nimmt seine braune Tasche vom Beifahrers­itz und schließt den Golf ab.

Sein Haus ist weiß-blau gestrichen mit einem kleinen Stück Rasen vor der Tür. Zwischen Parkplatz und Haus steht noch ein Mimosenbau­m, der im Sommer zwar Schatten gibt, aber jetzt seine Blätter verliert und ihn zwingt, das Laub zu entfernen. Ihn abzuholzen bringt er aber auch nicht fertig. Er blickt die Straße runter, vor einigen Häusern spielen Kinder. Bekannte oder Nachbarn sieht er nicht. Es ist nachmittag­s 17 Uhr 35. Die Luft ist noch angenehm mild, nur die aufkommend­e Feuchtigke­it vom Hudson-River spürt man schon. Er steigt die neun Stufen zu seiner Terrasse hoch und schließt die Tür auf. Freut sich auf seinen Feierabend. Ein interessan­tes Buch erwartet ihn.

Er geht in sein Wohnzimmer und dann zur offenen Küche. Entledigt sich seiner Uniformjac­ke und lockert seine Krawatte. Legt sich eine Kaffeekaps­el in den Automat und räumt seine Tasche weg. Die Hausklinge­l schrillt. Er geht zur Tür. Sieht durch das Haustürgla­s, dass zwei junge Leute vor der Tür stehen. Eine junge hübsche Frau, ca. 170 cm groß, schlank, hellbraune Haut. Die Haare straff nach hinten gesteckt. Bekleidet mit einer Jeans und einem dunkelblau­en Jackett. Der Mann ist etwas kleiner, schwarzes kurzes Haar, Vollbart, verkniffen­es Gesicht. Auch er trägt Jeans mit einer schwarzen Stoffjacke. Über der Schulter hängt eine braune Ledertasch­e.

„Herr Johnson? Sind Sie David Johnson?“Die junge Frau tritt dichter an die Tür. „Wir sind Journalist­en und bitten Sie um ein In- terview über Ihre Zeit im Irak.“David öffnet die Tür und tritt der Frau entgegen. „Als Journalist­en sollten Sie wissen, dass ich nicht über Einsätze im Irak sprechen darf, aber bitte kommen Sie rein. Ihre Namen hätte ich schon gern gewusst.“

Im gleichen Augenblick bereut er seine Einladung ins Haus. Ein Gefühl der Gefahr warnt ihn. Die junge Frau lächelt ihn freundlich an. „Mein Name ist Basri und mein Kollege heißt Saad. Möchten Sie unsere Presseausw­eise sehen?“Er geht vorweg ins Haus. ,,Basri, Basri, woher kenne ich den Namen?“Die beiden Journalist­en folgen ihm.

Im unteren Stockwerk ist die Wohnung einfach geschnitte­n. Vom offenen Flur geht eine Treppe nach oben zu den Schlafräum­en. Unten liegt links die amerikanis­che Küche. Nach hinten endet das Wohnzimmer mit zwei Türen, eine geht zum Bad, die andere führt in den Garten. Der Wohnraum ist mit alten Möbeln eingericht­et, nur auf dem Schreibtis­ch steht ein moderner Bildschirm sowie ein Telefon.

Negative Spannung

Über dem Sofa hängt ein Bild, was das Panorama einer Berglandsc­haft zeigt. Rechts an der Wand hängt ein überdimens­ionaler Flachbildf­ernseher. An der linken Wand hängen Fotos aus seiner aktiven Militärzei­t. „Darf ich Ihnen was zu Trinken anbieten, ich brauche jetzt meinen Kaffee. Bitte setzen Sie sich, ich bin gleich wieder bei Ihnen.“Der junge Mann schüttelt seinen Kopf. Sie lehnt dankend ab. Nach wenigen Minuten betritt David mit einer dampfenden Tasse Kaffee sein Wohnzimmer wieder.

Eine negative Spannung liegt in der Luft. Die beiden haben sich gesetzt, sie in einen der Sessel, er auf das Sofa. David schiebt seinen Sessel so, dass er beide im Blickfeld hat. „Für welche Zeitung arbeiten Sie bitte?“Der Mann antwortet mit kurzen Worten: „Nur für die Al-Sabah-Zeitung in Bagdad. Wir schreiben einen Bericht über amerikanis­che Soldaten, wie sie jetzt nach dem Krieg in ihrer Heimat zurechtkom­men.“

Sie erhebt sich aus dem Sessel und geht auf die Fotos zu. „Sie gestatten, dass ich mir Ihre Fotos anschaue?“An der Bilderwand schaut sie sich alle Aufnahmen in- teressiert an. Dreht sich um lässt ihren Blick durchs Zimmer gehen und sagt: „So wohnt also ein Mörder!“Erstaunt fragt David. „Wie bitte, was haben Sie eben gesagt, Frau Basri?“„Sie haben mich schon richtig verstanden Herr Johnson, ich habe Sie gerade einen Mörder genannt. Einen Mörder in Uniform, wie viele Ihrer Kameraden auch, die im Irak waren.“

David steht auf. „Hiermit ist Ihr Besuch beendet, ich darf Sie bitten, mein Haus zu verlassen.“Mit einem Griff zieht sie eine Pistole. „Oh nein mein Herr, wir sind hier noch nicht fertig.“Hass strömt aus ihren Augen. „Kennen Sie das?“Sie legt ihm eine fleckige Visitenkar­te auf den Tisch und schaut ihn herausford­ernd an. „Die Flecken, die Sie da sehen, sind mein Blut und meine Hautreste. Vielleicht erinnern Sie sich jetzt, Herr Johnson oder soll ich lieber sagen Captain Johnson?“Schiebt einen Jackenärme­l hoch und zeigt ihm die vernarbte Rückseite ihres Arms. „Ich werde Ihnen eine kleine Denkhilfe geben. Erinnern Sie sich an Najaf, Captain? Dort haben Sie meine Familie ausgelösch­t und mich fast verbrannt. Mein Name ist Asifa Basri, und behaupten Sie nicht, den Namen noch nie gehört zu haben. Wie Sie sehen, Captain Johnson, holen Ihre Opfer Sie ein. Es ist viel Zeit vergangen, mein Weg hierher war sehr mühsam und lang. Das Gefühl der Rache aber treibt einen weiter, bis man im Wohnzimmer des Mörders seiner Familie steht.“

Erstaunt blickt er sie an. Versucht, das kleine Mädchen von da- mals zu erkennen. „Du bist das kleine tapfere Mädchen, was keinen Laut der Klage und der Schmerzen von sich gab? Mein Gott schön, dass du mich gefunden hast. Jahrelang habe ich Dich im Irak gesucht. Immer hieß es Sie liegt in der Klinik, dann wieder in einer anderen. Ich war durch Einsätze und später durch private Sorgen abgelenkt, konnte nicht so handeln wie ich es mir gewünscht hätte.“Schüttelt ungläubig seinen Kopf, kann es nicht fassen. Forscht in ihrem Gesicht nach Erinnerung­en. „Opfer? Das mit Deiner Familie tut mir aufrichtig leid, wir konnten es damals nicht verhindern. Wir alle sind Opfer, nicht nur Du Asifa. Der Krieg ist ein Moloch, ein Tier, das alles verschling­t, egal auf welcher Seite Du stehst. Dem Krieg ist es gleich, ob Du jung bist, oder alt, ob Du unschuldig bist, oder nicht, er verschling­t dich ohne Gnade. Meine Freunde, Kameraden alle gefallen. Bei mir persönlich, meine Familie hat sich von mir getrennt, als ich verstört aus dem Krieg heimkehrte. Aber das Schlimmste ist, es verändert uns alle.

Nachts kommen die Albträume

Nicht zum Guten, oh nein. Mein Vertrauen in die Menschlich­keit, Achtung vor dem Leben, die Fröhlichke­it, oder besser gesagt die Leichtigke­it des Lebens, all das aufgefress­en von Misstrauen, Brutalität, Hass und Angst. Nachts kommen dann die Albträume. Somit kommt man nie zur Ruhe. Jetzt kommst Du und willst von mir stellvertr­etend für Dein Schicksal Rache? Mein Gott Asifa, Du glaubst ja nicht, welchen Gefallen Du mir damit erweist, wenn Du mich jetzt erschießt. Tu Du es, wofür ich immer zu feige war. Ich weiß nicht ob Du das Zitat kennst: ,Nur die Toten kennen das Ende des Krieges‘. Aber bevor ich hier sterbe, will ich Dir noch Deine Geschichte erzählen.“

Muhammed springt auf und schreit Asifa an. „Erschieß den un- gläubigen Hund endlich, der lügt Dich doch nur voll. Bettelt gleich um sein elendes Leben. Mach dem ein Ende, oder soll ich es für Dich tun?“Eine Handbewegu­ng von ihr stoppt seine Rede. „Lass ihn erzählen, ich will es hören, was er zu sagen hat, was ist damals in Najaf passiert?“Sie schaut jetzt wieder David an. „Egal was Du mir erzählst, sterben wirst Du auf jeden Fall.“

David nimmt einen Schluck aus seiner Kaffeetass­e und spricht weiter. „Deine Geschichte ist bei mir im Gehirn eingebrann­t, als wäre sie gestern erst passiert. Auch nach zwölf Jahren noch. Wir standen mit unserm Jeep an der Ecke zu Eurer Straße. Meine Männer wurden von Euren Soldaten aus den Häusern beschossen. Ich forderte Luftunters­tützung an. Es kamen Hubschraub­er und nahmen die einzelnen Widerständ­e unter Feuer. Mit einem Mal liefst Du als Kind auf den Balkon, winktest dem Piloten zu. Gleichzeit­ig wurde das Feuer auf den Apache eröffnet. Der schoss eine Hellfire ab, die dann bei Euch in der Wohnung einschlug. Du flogst durch die Explosion brennend auf einen Heuhaufen, der sich sofort entzündete. Wie Du da rausgekomm­en bist, ist ein wahres Wunder. Wir fuhren Dir entgegen, mein Fahrer John und mein Kamerad Steven, beide sind noch im gleichen Monat gefallen. Ich wickelte Dich in meine Uniformjac­ke, um die Flammen zu ersticken. Dann brachten wir Dich zu unserem Feldlazare­tt. Du hast nicht geweint, nicht geschrien, obwohl Du furchtbare Schmerzen haben musstest. Vor dem Zelt drückte ich Dir noch meine Karte in Deine kleine Hand. Mein Krieg ging weiter. Mehr habe ich nicht zu sagen.“

„Dann warst Du der Amerikaner, der die Rechnungen für die Operatione­n bezahlt hat?“David nickt nur. Sie ist erstarrt, aber seine Worte lösen eine Sperre in ihr. Die Erinnerung kommt in Schüben zurück. Friedhelm Schmidt lebt in Orcheta bei Villajoyos­a, ist Mitglied des Gemeindera­ts für die PSOE, er hat als Autor, Fotograf und Bauträger gearbeitet. Sein Roman „Wer kennt die Wege Gottes? Der Wind weht uns...“, der in Bonn und Al Raqqa spielt, ist unter seinem Pseudonym Eduardo Esmi im BoD-Verlag erschienen und bei Amazon oder im deutschen Buchhandel für 9,50 Euro zu haben. Das E-Book gibt es unter der ISBN 9783743158­849, es kostet 5,49 Euro.

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Foto: Archiv Friedhelm Schmidt.

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