Ein mildes Urteil
Deutscher Richterspruch zum Totschlag von Orba – Keine häusliche Gewalt
Im Januar 2015 erwürgt der Deutsche Arnold B. seine Ehefrau im gemeinsamen Haus in Orba, setzt sich Tage später ins Flugzeug und stellt sich den deutschen Behörden. Damit stellt er die Justiz der beiden Länder vor ein Problem: Wer ist zuständig? Der Fall landet schließlich vor dem Landgericht Berlin, vor dem nun ein noch nicht rechtskräftiges Urteil gefallen ist: Fünf Jahre muss Arnold B. in Haft, ein relativ mildes Urteil. In Spanien hätte ihn vermutlich eine deutlich höhere Gefängnisstrafe erwartet. Denn hierzulande wird häusliche Gewalt seit dem Jahr 2004 schwer geahndet, während im deutschen Strafrecht der Begriff nicht einmal näher definiert ist.
Der Fall der 2015 von ihrem Ehemann in Orba getöteten Gisela S. hat Behörden über Landesgrenzen hinweg beschäftigt: Das Gericht für Gewalt gegen Frauen in Dénia, das Landgericht Alicante und schließlich das Berliner Landgericht. Es ist der erste Kriminalfall, den das Landgericht Alicante zur Verhandlung ans Ausland abgegeben hat. Gisela S.’ Ehemann, Arnold B., hatte sich Tage nach seiner Tat in Berlin der Polizei gestellt. Im September 2016 ist das Urteil, das der CBN jetzt vorliegt, gegen den heute 55-Jährigen ergangen.
Arnold B. und Gisela S. sind ein ungleiches Paar. Die pensionierte 69-jährige Lehrerin gilt als lebhaft, sie malt gerne und strebt nach Selbstverwirklichung. Der 53-jährige Bahnbeamte hingegen ist ruhig und in sich gekehrt. Häufig trinkt er zu viel. Sein hoher Alkoholkonsum belastet die Bezie- hung, oft ist die ältere Gisela S. ihrem Mann in Diskussionen überlegen. Wegen des Alkohols handelt sich Arnold B. mehrere Disziplinarverfahren bei der Deutschen Bahn ein. Er wird depressiv, dann arbeitsunfähig und schließlich frühpensioniert.
Arnold B. und Gisela S. – für ihn ist es die zweite Ehe – hält irgendwann nichts mehr in ihrer Heimatstadt Köln. Sie beschließen, in die Sonne nach Spanien zu ziehen. Im Frühjahr 2013 kauft das Paar ein Haus in Orba im nordöstlichen Hinterland der Provinz Alicante. Dort finden sie Bekannte unter den Auslandsdeutschen, freunden sich mit Kathrin H. an. „Zwischen beiden herrschte Friede, Freude, Eierkuchen, es schien die ganz große Liebe“, wird Kathrin H. später bei der Gerichtsverhandlung in Berlin aussagen. Allerdings habe sie den Eindruck gehabt, Gisela S. dominiere ihren Ehemann in jeder Hinsicht.
Vermutlich am Morgen des 9. Januar 2015 – so genau wird man das später nicht mehr rekonstruieren können – brennen Arnold B., wie er sagt, „die Sicherungen durch“. Er hat in der Nacht zuvor viel Wodka getrunken, wacht ver- katert auf und bemerkt, dass seine Partnerin nach einem erneuten Streit im Gästezimmer der gemeinsamen Villa in Orba geschlafen hat. Er steht auf und geht in das Zimmer. Gisela S. erwartet ihn schon schimpfend. Sein exzessiver Alkoholkonsum stört sie schon lange. Arnold B. stößt seine Ehefrau aufs Bett, legt die Hände um ihren Hals und drückt mit aller Kraft zu. Der Kampf dauert zwei Minuten, dann ist die 69-Jährige tot.
Arnold B. schleift die Leiche seiner Frau in den Abstellraum, in dem auch ihre Bilder lagern. Mehrere Tage lebt er mit der Leiche im Haus, hat Selbstmordgedanken – und ertränkt sie in Alkohol. Irgendwann fasst der damals 53-Jährige den Entschluss, nach Deutschland zu fliegen und sich der Polizei zu stellen. Vermutlich weil er die Sprache nicht spricht, fürchtet er einen Prozess vor einem spanischen Gericht. Am 18. Januar – zuvor hat er seinen Flug am Vortag verpasst – fliegt er von Alicante nach Berlin-Tegel und stellt sich dort der Polizei.
„Ich habe meine Ehefrau umgebracht“, sagt er zuerst bei der Flughafen- und später bei der Kriminalpolizei aus. Einen Tag später findet die Guardia Civil tatsächlich die Leiche von Gisela S. in der Villa in Orba. Arnold B. kommt sofort in Untersuchungshaft und in Spanien beginnen die Ermittlungsarbeiten wegen Häuslicher Gewalt.
Alles deutet darauf hin, dass sich alles so abgespielt hat, wie der Täter es schildert, der Staatsanwalt am Strafgericht für Frauengewalt Nummer 1 in Dénia erhebt Anklage. Das Problem: Die Beweise sind in Spanien, der Angeklagte sitzt in Deutschland in U-Haft. Ein Abwägen der Kompetenzen beginnt. Das Gericht in Dénia verweist den Fall schließlich wegen der Schwere des Delikts an das Landgericht in Alicante. „Dort entschied man, dass Spanien und Deutschland gleiche Kompetenzen hatten, den Fall zu bearbeiten“, erklärt eine Sprecherin des Oberlandesgerichts in Valencia. Die spanische Justiz könne die Kompetenz, den Prozess zu eröffnen, an die deutschen Behörden übergeben – und das tat sie dann auch. „Gemäß Artikel 21 entschied der Staatsanwalt, dass Deutschland in der besseren Position war, weil der Täter sich dort gestellt und gestanden hatte“, so die spanische Justizsprecherin. Möglich sei das dank des sogenannten Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen von Straßburg vom
Das Problem: Die Beweise sind in Spanien, der Angeklagte sitzt in Deutschland in U-Haft