Bootte miitt Kllasse
Hundert Jahre Jachtwerft Astondoa, seit 1978 in Santa Pola – Tradition und Innovation mit Gütesiegel alter Baukunst
1916 bauten zwei Brüder im baskischen Portugalete Holzboote und ahnten wohl nicht, welche Route diese einschlagen würden. Ihre Familienmarke Astondoa ist mittlerweile in Santa Pola heimisch und baut Luxusjachten, die Millionen Euro kosten.
Mal angenommen, Ihre Geschäfte liefen blendend, Ihr Konto ist mit einer imposanten Summe gefüllt. Nun wollen Sie der Familie ein exklusives Geschenk von der Costa Blanca gönnen. In exakt 14 Minuten bringt Sie ein Fahrer vom Flug- zum Jachthafen. Dort, in Santa Pola, steht die Fabrik Astondoa. Spezialität: Luxusjachten.
Astondoa – den Namen hörten Sie, als in Ihrem Umfeld alles von der neuen Jacht eines russischen Unternehmers sprach. Ein Prachtstück von 45 Metern, 150 Fuß, mit exquisitem Inneren zwischen futuristisch und Retro. „Gott, das ist mein Traum“, soll er gerufen haben, als er das Design erstmals sah.
Wieviel ihn der Traum kostete? Jenseits der 20 Millionen Euro, munkelt man. Nicht so teuer ist das 90-Fuß-Modell, das auf der „boot“in Düsseldorf Ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkte – und wegen dem Sie nun in Santa Pola sind.
Doch über Geld sprechen Sie nicht mit Rafael Ruso. Der Astondoa-Verkäufer hat Sie am Eingang der Fabrik empfangen. Allein der Gebäudekomplex fällt durch die noble Gestaltung auf, wirkt im Inneren wie ein Luxusschiff. Blitzeblank geputzt sind die riesigen Fenster Richtung Meer.
Von oben schauen Sie in die Fabrikhallen. „Das Segelboot da restaurieren wir nur, bauen selbst aber nur Motorjachten“, erklärt Ruso. „Und das in der Mitte? Das ist wohl fast fertig?“, fragen Sie. „Schon vor fünf Jahren“, antwortet Ruso. „Der Besitzer wollte es nun aufpeppen.“Links stehen die Großen: Ein Boot von 110 Fuß in der Entstehungsphase, eingebettet in eine zweiteilige Gussform.
Daneben streichen Arbeiter eine noch leere Form. „Je gründlicher das geschieht, desto besser die Boots-Oberfläche“, sagt Ruso, und signalisiert mit seinem Lächeln: Penibel gehen die Astondoa-Arbeiter dabei vor. „Sie haben die Halle extra geputzt, oder?“, fragen Sie beim Rundgang. „Das fragen alle, aber nein, so sauber sieht das hier immer aus“, lacht Ruso. „Ein Fimmel von Jesús Astondoa.“
Bis heute hießen so die Chefs der Firma immer – seit der Großvater und Onkel des heutigen Jesús Astondoa sich 1916 ans Boote Bauen machten, damals noch im baskischen Portugalete. Größere Erfolge stellten sich in den Nachkriegsjahren ein – mit Sport- und Freizeitbooten. Die Baukunst der Astondoas machte bis an die Costa Blanca von sich reden.
Für drei große Fischerboote bat sie die Werft Vatasa, ebenfalls mit baskischen Wurzeln, um Hilfe. Astondoa-Gründer Jesús, nun im Rentenalter, schickte nach Santa Pola seinen seit Jahren angelernten Sohn, auch Jesús. Den „Sheriff“, wie ihn alle nannten. Dieser war es auch, der, das Potenzial des Mittelmeeres erkennend, 1978 entschied, den Betrieb vollständig nach Santa Pola zu verlagern.
Noch nicht in den heutigen Firmensitz allerdings, in dem Sie Rafael Ruso nun in einen geräumigen
Raum voller glänzender Möbelstücke und Einrichtungselemente führt. Mit Astondoa-typischen Designs, etwa von Innenarchitekt Cristiano Gatto. „Unser Fachmann für Modelle, die mehr sind als nur copy and paste“, lobt ihn Ruso.
Die alles entscheidende Frage hatte Ruso Ihnen schon am Telefon gestellt: „Wollen Sie Fly oder Coupé?“Gemeint war natürlich: Wieviel wollen Sie zahlen? Fly, kurz für Flybridge, ist die höchste Klasse mit zusätzlicher Brücke für Steuerrad, Sitzgelegenheiten und Lagerplatz. Die kompaktere Coupé kostet etwa die Hälfte.
Nein zu Fremdbestimmung
Das Innere aussuchend, kommt das Gespräch auf das Äußere. Boote aus Polyesterharz mit glasfaserverstärktem Kunststoff sind heute eine Selbstverständlichkeit – waren es jedoch 1981 noch nicht. Im Jahr, als der „Sheriff“die zweite Revolution anging. Statt des aufwändigen Bauens aus Holz würde man nun Kunststoff nutzen, der auch die exakte Reproduktion von Modellen erlauben würde.
Fortan wuchs Astondoa stetig, fabrizierte zur Jahrtausendwende hundert Boote im Jahr. Zu drei Vierteln für Käufer aus Spanien – eine Luxusjacht zu besitzen gehörte in erlesenen Kreisen der Zeit dazu. Doch das Platzen der Wirtschaftsblase stürzte auch Astondoa tief in die Krise. Die Verkäufe brachen um 70 Prozent ein, Astondoa schloss drei seiner vier Hallen.
Zur Rettung hörte die Firma jedoch nicht auf den Lockruf großer Unternehmensverbindungen, sondern setzte weiter auf die Familientradition. Auch aus „Respekt vor den Vorfahren“. Wie wichtig diese bei Astondoa sind, zeigen die kleinen Anekdoten, die Ruso zwischendurch einwirft. Zum Beispiel eine, die von einer großherzigen Spende des „Sheriffs“an einen kranken Mitarbeiter handelt.
Statt hochdotierter Fremdbestimmung nutzten die Bootsbauer also auch in der Krise eigene Stärken – demonstrierte sie jedoch nun im Ausland. Cannes, Miami oder Shanghai – Messen rund um die Weltkugel besuchten die Qualitätsboote aus Santa Pola. Mit Erfolg: 70 Prozent der Verkäufe von Astondoa gehen heute ins Ausland. „Zum Großteil in die USA, gefolgt von Russland und Deutschland“, berichtet Ruso.
Einige spanische Stammkunden seien natürlich geblieben – wie Real-Madrid-Präsident Florentino Pérez. Dennoch hat sich der Anteil zwischen spanischen und ausländischen Abnehmern umgekehrt. Astondoas Trumpf gegen die starke, italienische oder britische, Konkurrenz? Für Ruso das ver- bürgte Wissen von hundert Jahren. „Seit der Gründung hat Astondoa 3.000 Boote gebaut“, erklärt er. „Wenn Jesús Astondoa mit einem Entwurf fertig ist, wissen alle genau, was sie zu tun haben“.
Auf internationale Techniker habe die Firma bisher verzichtet, stelle vorwiegend Personal aus der Gegend ein. Wie ihn selbst, Rafael Ruso. Einen Santapolero mit dem regionstypischen Nachnamen, der, wie er erzählt, in der Kindheit bei seinen Großeltern auf der Insel Tabarca spielte – der Pirateninsel.
Piraten spielten auch Sie als Kind: Die Insel war eine Decke auf der Wiese oder ein großer Stein im Bach. Für einen Augenblick kommt Ihnen der millionenschwere Laune-Kauf unwirklich vor. Doch glücklich über die Bestellung treten Sie noch am Nachmittag die Heimreise an. Mit ein bisschen Glück wird das LuxusGeschenk pünktlich zu Weihnachten fertig.
70 Prozent Käufer aus dem Ausland – vor der Krise war das anders