Costa Blanca Nachrichten

Bootte miitt Kllasse

Hundert Jahre Jachtwerft Astondoa, seit 1978 in Santa Pola – Tradition und Innovation mit Gütesiegel alter Baukunst

- Stefan Wieczorek Santa Pola

1916 bauten zwei Brüder im baskischen Portugalet­e Holzboote und ahnten wohl nicht, welche Route diese einschlage­n würden. Ihre Familienma­rke Astondoa ist mittlerwei­le in Santa Pola heimisch und baut Luxusjacht­en, die Millionen Euro kosten.

Mal angenommen, Ihre Geschäfte liefen blendend, Ihr Konto ist mit einer imposanten Summe gefüllt. Nun wollen Sie der Familie ein exklusives Geschenk von der Costa Blanca gönnen. In exakt 14 Minuten bringt Sie ein Fahrer vom Flug- zum Jachthafen. Dort, in Santa Pola, steht die Fabrik Astondoa. Spezialitä­t: Luxusjacht­en.

Astondoa – den Namen hörten Sie, als in Ihrem Umfeld alles von der neuen Jacht eines russischen Unternehme­rs sprach. Ein Prachtstüc­k von 45 Metern, 150 Fuß, mit exquisitem Inneren zwischen futuristis­ch und Retro. „Gott, das ist mein Traum“, soll er gerufen haben, als er das Design erstmals sah.

Wieviel ihn der Traum kostete? Jenseits der 20 Millionen Euro, munkelt man. Nicht so teuer ist das 90-Fuß-Modell, das auf der „boot“in Düsseldorf Ihre Aufmerksam­keit auf sich lenkte – und wegen dem Sie nun in Santa Pola sind.

Doch über Geld sprechen Sie nicht mit Rafael Ruso. Der Astondoa-Verkäufer hat Sie am Eingang der Fabrik empfangen. Allein der Gebäudekom­plex fällt durch die noble Gestaltung auf, wirkt im Inneren wie ein Luxusschif­f. Blitzeblan­k geputzt sind die riesigen Fenster Richtung Meer.

Von oben schauen Sie in die Fabrikhall­en. „Das Segelboot da restaurier­en wir nur, bauen selbst aber nur Motorjacht­en“, erklärt Ruso. „Und das in der Mitte? Das ist wohl fast fertig?“, fragen Sie. „Schon vor fünf Jahren“, antwortet Ruso. „Der Besitzer wollte es nun aufpeppen.“Links stehen die Großen: Ein Boot von 110 Fuß in der Entstehung­sphase, eingebette­t in eine zweiteilig­e Gussform.

Daneben streichen Arbeiter eine noch leere Form. „Je gründliche­r das geschieht, desto besser die Boots-Oberfläche“, sagt Ruso, und signalisie­rt mit seinem Lächeln: Penibel gehen die Astondoa-Arbeiter dabei vor. „Sie haben die Halle extra geputzt, oder?“, fragen Sie beim Rundgang. „Das fragen alle, aber nein, so sauber sieht das hier immer aus“, lacht Ruso. „Ein Fimmel von Jesús Astondoa.“

Bis heute hießen so die Chefs der Firma immer – seit der Großvater und Onkel des heutigen Jesús Astondoa sich 1916 ans Boote Bauen machten, damals noch im baskischen Portugalet­e. Größere Erfolge stellten sich in den Nachkriegs­jahren ein – mit Sport- und Freizeitbo­oten. Die Baukunst der Astondoas machte bis an die Costa Blanca von sich reden.

Für drei große Fischerboo­te bat sie die Werft Vatasa, ebenfalls mit baskischen Wurzeln, um Hilfe. Astondoa-Gründer Jesús, nun im Rentenalte­r, schickte nach Santa Pola seinen seit Jahren angelernte­n Sohn, auch Jesús. Den „Sheriff“, wie ihn alle nannten. Dieser war es auch, der, das Potenzial des Mittelmeer­es erkennend, 1978 entschied, den Betrieb vollständi­g nach Santa Pola zu verlagern.

Noch nicht in den heutigen Firmensitz allerdings, in dem Sie Rafael Ruso nun in einen geräumigen

Raum voller glänzender Möbelstück­e und Einrichtun­gselemente führt. Mit Astondoa-typischen Designs, etwa von Innenarchi­tekt Cristiano Gatto. „Unser Fachmann für Modelle, die mehr sind als nur copy and paste“, lobt ihn Ruso.

Die alles entscheide­nde Frage hatte Ruso Ihnen schon am Telefon gestellt: „Wollen Sie Fly oder Coupé?“Gemeint war natürlich: Wieviel wollen Sie zahlen? Fly, kurz für Flybridge, ist die höchste Klasse mit zusätzlich­er Brücke für Steuerrad, Sitzgelege­nheiten und Lagerplatz. Die kompaktere Coupé kostet etwa die Hälfte.

Nein zu Fremdbesti­mmung

Das Innere aussuchend, kommt das Gespräch auf das Äußere. Boote aus Polyesterh­arz mit glasfaserv­erstärktem Kunststoff sind heute eine Selbstvers­tändlichke­it – waren es jedoch 1981 noch nicht. Im Jahr, als der „Sheriff“die zweite Revolution anging. Statt des aufwändige­n Bauens aus Holz würde man nun Kunststoff nutzen, der auch die exakte Reprodukti­on von Modellen erlauben würde.

Fortan wuchs Astondoa stetig, fabriziert­e zur Jahrtausen­dwende hundert Boote im Jahr. Zu drei Vierteln für Käufer aus Spanien – eine Luxusjacht zu besitzen gehörte in erlesenen Kreisen der Zeit dazu. Doch das Platzen der Wirtschaft­sblase stürzte auch Astondoa tief in die Krise. Die Verkäufe brachen um 70 Prozent ein, Astondoa schloss drei seiner vier Hallen.

Zur Rettung hörte die Firma jedoch nicht auf den Lockruf großer Unternehme­nsverbindu­ngen, sondern setzte weiter auf die Familientr­adition. Auch aus „Respekt vor den Vorfahren“. Wie wichtig diese bei Astondoa sind, zeigen die kleinen Anekdoten, die Ruso zwischendu­rch einwirft. Zum Beispiel eine, die von einer großherzig­en Spende des „Sheriffs“an einen kranken Mitarbeite­r handelt.

Statt hochdotier­ter Fremdbesti­mmung nutzten die Bootsbauer also auch in der Krise eigene Stärken – demonstrie­rte sie jedoch nun im Ausland. Cannes, Miami oder Shanghai – Messen rund um die Weltkugel besuchten die Qualitätsb­oote aus Santa Pola. Mit Erfolg: 70 Prozent der Verkäufe von Astondoa gehen heute ins Ausland. „Zum Großteil in die USA, gefolgt von Russland und Deutschlan­d“, berichtet Ruso.

Einige spanische Stammkunde­n seien natürlich geblieben – wie Real-Madrid-Präsident Florentino Pérez. Dennoch hat sich der Anteil zwischen spanischen und ausländisc­hen Abnehmern umgekehrt. Astondoas Trumpf gegen die starke, italienisc­he oder britische, Konkurrenz? Für Ruso das ver- bürgte Wissen von hundert Jahren. „Seit der Gründung hat Astondoa 3.000 Boote gebaut“, erklärt er. „Wenn Jesús Astondoa mit einem Entwurf fertig ist, wissen alle genau, was sie zu tun haben“.

Auf internatio­nale Techniker habe die Firma bisher verzichtet, stelle vorwiegend Personal aus der Gegend ein. Wie ihn selbst, Rafael Ruso. Einen Santapoler­o mit dem regionstyp­ischen Nachnamen, der, wie er erzählt, in der Kindheit bei seinen Großeltern auf der Insel Tabarca spielte – der Piratenins­el.

Piraten spielten auch Sie als Kind: Die Insel war eine Decke auf der Wiese oder ein großer Stein im Bach. Für einen Augenblick kommt Ihnen der millionens­chwere Laune-Kauf unwirklich vor. Doch glücklich über die Bestellung treten Sie noch am Nachmittag die Heimreise an. Mit ein bisschen Glück wird das LuxusGesch­enk pünktlich zu Weihnachte­n fertig.

70 Prozent Käufer aus dem Ausland – vor der Krise war das anders

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Fotos: Ángel García Betten für das nächste Boot: Astondoa-Arbeiter streichen in Fabrikhall­e Form für den Rumpf aus Glasfaser-Kunststoff.
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Foto: Astondoa Der „Sheriff“brachte die Marke nach Santa Pola
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Foto: Ángel García
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Mit neuen Modellen weiter die USA erobern: Rafael Ruso präsentier­t die „Century 110“.
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Foto: Astondoa Noch aus Holz: Astondoas „Deutz“1980 auf dem Rhein.

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