Keine Gnade für Strandbars
Rathaus von Mojácar beschließt Verlängerung der Promenade, die mitten durch die traditionellen Chiringuitos verläuft
Meer frei. Die Tische, Stühle und Liegen stehen im Sand. Die Gäste der Chiringuitos in Mojácar Playa können ihren Kaffee direkt am Meer trinken und dem Rauschen der Wellen lauschen. Doch mit der Idylle könnte es bald vorbei sein. Die Verlängerung der Strandpromenade vom Kreisverkehr des Roten Kreuzes bis zur Diskothek Maui Beach mitten durch die Strandbars ist beschlossene Sache. Die mit absoluter Mehrheit regierende Volkspartei (PP) um Bürgermeisterin Rosa María Cano stimmte trotz massiver Proteste für den Bau der Spaziermeile, die die beliebten Chiringuitos Aku Aku, El Cid, Aurora, El Patio, Bahía und Maui Beach vom Ufer trennt und ihnen Raum nimmt.
Bea Kuna aus Heidenheim betreibt seit 18 Jahren einen der ältesten Chiringuitos, das El Patio 2000. „Laut Plänen würden wir Dreiviertel unseres Geschäfts verlieren“, sagt sie. „Es ist, als ob die Bar eingeschnürt werde zwischen der höher gelegenen Straße und dem Bürgersteig und nun der Strandpromenade am Meer. Wir verschwinden praktisch in einem Loch. Die Mauer wird den Blick aufs Meer versperren.“
Kein Platz mehr für Strandbars
Schwer vorstellbar, dass auf dem kurzen Stück Strand zwischen Bar und Meeresufer genügend Platz für das Lokal, die acht Meter breite Promenade und ein bisschen Bucht zum Baden sein soll. „Im Winter reicht das Wasser manchmal bis zum Chiringuito heran“, sagt Bea Kuna. „Die Pläne stimmen nicht mit der Wirklichkeit überein. Der heutige Strandabschnitt ist viel kleiner als auf dem Papier. Wir haben über die Jahre viel Sand verloren.“Ihrer Meinung nach hätte man zunächst dafür sorgen sollen, den Strand mit Wellenbrechern wieder aufzubauen, um dann die Promenade zu planen.
Besitzer, Betreiber und Kunden der Lokale kamen zur Plenumssitzung in der Hoffnung, Bürgermeisterin Cano umstimmen zu können. Jessica Simpson von der Oppositionspartei Somos Mojácar und Manuel Zamora von der sozialistischen Partei PSOE plädierten kämpferisch für den Erhalt der Chiringuitos, die zum Teil schon in den 1970er Jahren entstanden und ihrem ursprünglichen Stil treu geblieben sind.
„Fast alle Küstenstädte haben eine Strandpromenade“, sagte Jessica Simpson. „Das, was Mojácar von den anderen abhebt und einzigartig macht, sind die Chiringui- tos, die jetzt zerstört werden sollen.“Manuel Zamora wies auf die Arbeitsplätze hin, die gemeinsam mit einer touristischen Attraktion verschwinden würden. Auch Sue und Gordon Streeter kamen zur Sitzung. Die Briten kennen Mojácar bereits seit 45 Jahren und sind entsetzt über das Vorhaben. „Wir kommen, wie viele andere auch, gerade wegen der Chringuitos“, sagt Sue Gordon. „Wir lieben es, an einfachen Tischen mit den Füßen im Sand zu sitzen und die Ruhe zu genießen. Wenn es die Bars nicht mehr gibt, dann wird Mojácar nur noch ein Ort von vielen sein.“
Bea Kuna hat die rasante Entwicklung Mojácars in den letzten 20 Jahren miterlebt. Sie übernahm die Bar 1999, nachdem sie mit ihrem damals zweieinhalb Jahre alten Sohn Sandro der Heimat den Rücken gekehrt hatte. Viel Zeit blieb ihr nicht, um sich in Ruhe einzuleben und Spanisch zu lernen. In den Jahren 2004 bis 2007 boomte das Geschäft. Über 30 Angestellte arbeiteten im El Patio, das bereits im Jahr 1968 erstmals von einer Deutschen eröffnet und nach zwei Jahren an einen Amerikaner verkauft worden sein soll.
„Der Tourismus damals war gut durchmischt und gesund“, sagt Bea Kuna. „Es kamen Familien, ältere Hippies, junge Leute, Intellektuelle und Künstler aus ganz Spanien, England, Deutschland, Italien und Frankreich.“Doch dann schwappten die Ibiza-Welle und damit der PartyTourismus nach Mojácar, und alles lief aus dem Ruder. Den Anfang machte damals die Bar BBME, die heute zu Maui Beach gehört. „Sie waren die ersten, die DJs engagierten und den ganzen Strand beschallten, so dass unser Lagerraum vibrierte“, erinnert sich Kuna.
Mit Penissen auf dem Kopf
Auch das Maui, das damals noch eine kleine Strandbar war, sprang auf den Zug auf, wurde zur Diskothek und übernahm später das BBME. „Es wurde extrem schmutzig“, sagt Bea Kuna und meint damit nicht nur den Müll auf Straßen und an den Stränden, sondern auch die Sprache und das Benehmen. „Die Leute liefen verkleidet mit Penissen auf den Köpfen herum oder haben morgens vor den Augen von Kindern an den Strand gepinkelt. Manche sind einfach umgekippt und wussten nicht mehr, wo sie waren.“Die Chiringuitos seien leer gewesen, die Party habe sich auf der Straße abgespielt und sei in Trinkgelage ausgeartet. „Uns sind die Gäste weggelaufen. Der Familientourismus wurde zerstört, den haben wir in Richtung Agua Amarga verloren.“
Das Rathaus reagierte 2012 mit der Einführung strenger Vorschriften zu Bekleidung, Benehmen und Lautstärke. Die Maßnahmen hätten gefruchtet. Die Exzesse wurden eingedämmt, auch wenn am Wochenende nachts auf den Straßen weiterhin gegrölt und Blumentöpfe umgetreten werden. „Ostern waren viele Familien hier. Es ist schön zu sehen, dass die Kinder von damals heute mit ihren Kindern kommen“, sagt Kuna.
Cano hält an Promenade fest
Die Opposition versicherte, nicht gegen den Bau der Spaziermeile zu sein. Sie forderte aber Änderungen. Geplant ist ein acht Meter breiter Fuß- und Radweg, der den Bars kaum Platz für Tisch und Stuhl am Strand lässt. „Rad- und Fußweg könnten getrennt werden“, schlug Jessica Simpson vor. „Die Promenade würde nur noch drei oder vier Meter breit sein und unterhalb der Chiringuitos direkt am Meer und der Radweg oberhalb der Bars an der Straße entlang führen.“Bürgermeisterin Cano ließ die Einwände nicht gelten und verwies auf die Entscheidungen der Sachbearbeiter. „Die Bars werden einen direkten Zugang zur Promenade haben“, sagte sie. „Alle werden davon profitieren.“
Trotz des Widerstands ließ sich Bürgermeisterin Cano nicht beirren. „Die Pläne für den Bau der Strandpromenade liegen schon seit 2002 vor.“Das Projekt sei von allen Behörden genehmigt worden. Ein weiteres Argument, das immer wieder angeführt wird: Die Chiringuitos besetzten öffentlichen Boden am Strand mit ihren Tischen, Stühlen und Liegen. Das verstoße gegen das Küstengesetz, sei aber über die Jahre geduldet worden.
Bea Kuna hofft, dass trotz der neuen, drei Millionen teuren Promenade genügend Platz bleibt, um El Patio genauso weiterzuführen wie bisher. Offizielle Angaben über einen Baubeginn gibt es nicht. Die 54-Jährige vermutet, dass die ersten Bagger bereits im Oktober anrollen könnten. El Patio ab- und wieder ganz neu aufzubauen ist keine Option für sie, nicht nur aus finanziellen Gründen. „Es wäre kein Chiringuito mehr, sondern eine Bar, wie man sie inzwischen an jedem Küstenort findet. Und gerade das wollen wir nicht.“