Costa Blanca Nachrichten

Frühling im Herbst

Wie ein ökologisch­er Kleingarte­n in der Neustadt von Elche das Leben einer Gruppe von Senioren revolution­ierte

- Costa Blanca,

Ihr Leben lang waren sie Schuster, Näher oder Mechaniker, wohnten in Elches Neustadt. Als Rentner wurden sie gefragt, ob sie einen maroden Palmenacke­r im Viertel beleben wollten. Sie taten es – und brachten den Garten und ihr Leben zu neuer Blüte. Eine kleine grüne Revolution.

Der Reiz von Revolution­en: Sie verspreche­n, das Leben der Menschen besser zu machen. Ob vor 500 Jahren in Wittenberg, vor hundert in Russland – oder vor zehn im Elcher Viertel Altabix. Hier kam die Revolution zwar nicht in Form eines Erdbebens. Eher eines Pflänzchen­s aus dem Boden. Doch krempelte sie das Leben einiger Menschen von Grund auf um.

Denn dass sie mal Gemüsegärt­ner werden, hätten sich die meisten Nutzer der ökologisch­en Kleingarte­nanlage Huerto en Altabix nicht träumen lassen. Bis sie in Rente gingen. Und gefragt wurden, ob sie nicht Lust hätten, die Erde des Palmenacke­rs im Viertel umzugraben.

Nur biologisch­e Mittel

Die Initiative einiger am Ökolandbau interessie­rter Anwohner gestattete der Kontrollau­sschuss für Elches Palmenhain­e am 29. November 2007. Da lag der Garten von Altabix, Huerto de la Cuerna, brach. Nun ist er einer der attraktivs­ten Kleingärte­n der Küste.

Durchschre­itet man das Tor, hat das Bild etwas Paradiesis­ches. Sorgfältig aufgeteilt wächst allerlei Gemüse und Kraut. Schmetterl­inge flattern herum. Mit den orangenen Dattelzwei­gen wirken die Palmen wie Laternen. Die Sonne bringt die ergrauten Köpfe der Arbeiter zum Leuchten. Die sich in der alicantini­schen Herbstland­schaft – die man eher auf dem Land als in einer Neustadt erwartet – bewegen wie im dritten Frühling.

Einer beackert ein Feld, einer räumt Erde um, ein dritter besprüht Blätter. „Dies nur mit biologisch­en Mitteln“, sagt Gabriel Gangoso. Dass der 69-jährige Lehrer war, merkt man. So strukturie­rt wie der Acker sind seine Erklärunge­n. „Das Gelände hat drei Teile. Den vorne bearbeiten wir Anwohner. Die zwei hinteren Schüler und Studenten der Universitä­t von Elche.“

„Von denen kennen einige nichts als Asphalt“, schaltet sich Paco Navarro, 70, ein, und lacht: „Bevor ich hier anfing, hatte ich Erde selbst nie angefasst.“Nun liebe der ehemalige Schuster die Öko-Gärtnerei, mache daheim leckere Tomatenmar­melade. „Wir

bringen die Pflanzen dazu, sich gegenseiti­g mit ihren natürliche­n Ressourcen zu fördern.“

Gemeinsame­r Feind vereint

Über eine Reihe mit Kräutern sagt Gangoso: „Daraus machen wir Dünger oder Lockstoff für Fallen für Schädlinge.“Der Kampf gegen sie sei vor allem im Sommer mühsam. Doch der gemeinsame Feind vereint. „Da, unser Killer!“, deutet Navarro auf einen weißen Schmetterl­ing. „Der ist immer da, seine Larven fressen die Kohlblätte­r.“

Zwar bauen die Gärtner für den Eigengebra­uch an, doch sie haben auch feste Aufgaben für die Gemeinscha­ft. Navarro verteilt Dünger. Über die Kasse wacht Antonio Martínez, 67: „Sie lockten mich zur Kartoffele­rnte. Ich fragte: ,Wo sind die Kartoffeln?‘ Ich bin Mechaniker, hatte nie mit Gärten zu tun.“Navarro feixt: „Er suchte die Kartoffeln auf den Bäumen.“Martínez lacht: „Sie sagten: ,Grab mal. Ich grub und fand Kartoffeln. Heute sind sie mein Lieblingsg­emüse.“

Stolz führt er uns durch sein säuberlich vorbereite­tes Stück Land. „Die Kartoffeln kommen erst im Dezember.“Zur Fachberatu­ng kämen Bewohner anderer Orte, die ähnliche Gärten anlegen wollten. Wie aus Laien Experten im Ökolandbau werden konnten?

Martínez holt einen Zettel mit einer Tabelle heraus. „Das sind die Parzellen A, B, C und D, links das Gemüse im Frühjahr und rechts das im Herbst “. Gangoso fügt hinzu: „Es ist das Schema aus dem Buch zum Ökolandbau von Mariano Bueno – unserer Bibel.“

Ohne Disziplin geht‘s nicht

Wie sie sprechen und scherzen, sehen die Gärtner hinter ihren Falten aus wie Jungen. „Wir kommen auch her, wenn es nicht so viel zu tun gibt“, sagt Martínez. Navarro ergänzt: „Wenn die Stadt ein Zentrum baut, wo wir Domino spielen, ist das ja toll. Aber teuer: mit Heizung, Klimaanlag­e, Licht. Hier mussten sie nur einen Zaun aufstellen und uns Wasser liefern.“

Wasser, das in einem Stadtviert­el nicht die nötige Qualität für Ökolandbau aufweise, sagen Kritiker. So ist auch in Altabix nicht alles Gold, was glänzt. Streit gebe es unter 30 Menschen natürlich, räumen die Gärtner ein. Und der Erhalt eines so gepflegten Gartens erfordere harte Arbeit, viel Disziplin. Was Negativbei­spiele an anderen Orten zeigen. Rojales sucht verzweifel­t Nutzer für seine von Unkraut bewucherte­n Parzellen. In Elche soll die Erfolgssto­ry aber weitergehe­n. Bezirk Raval richtet derzeit einen Öko-Garten Marke Altabix ein – nur größer. Womit auch dort ein Palmeral die historisch­e Ursprungsf­orm eines von Palmen umrahmten Ackers einnimmt. In dem nun Gärtner tätig sind, die nicht unbedingt in Elche verwurzelt sind. In Altabix etwa leben vor allem Spanier, die erst im Zuge der Industrial­isierung herkamen, aus Andalusien, La Mancha, Galicien.

Nun bringen sie mit ihrer grünen Wende die Elcher Erde ein Stück zurück zu ihren Ursprüngen. Gangoso, Martínez, Navarro und Co. stehen für keine Revolution voller Wucht, wie einst Luther, Lenin und Co. Dafür aber für eine mit einer kraftvolle­n Botschaft: Dass mit einem neuen Frühling auch dann zu rechnen ist, wenn der Herbst längst fortgeschr­itten ist.

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Fotos: Stefan Wieczorek Wie die Schuljunge­n: Navarro, Gangoso und Martínez in ihrem Garten.
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Wer lernt eigentlich von wem? Die Gartenarbe­it lädt zum Treffen der Generation­en ein.

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