Costa Blanca Nachrichten

THEMA DER WOCHE: Andalusisc­her Sonderweg

Der andalusisc­he Sonderweg – Ein Tag im kommunisti­schen Dorf Marinaleda im Hinterland von Sevilla

- Lena Kuder Marinaleda

Im Hinterland von Sevilla gibt es ein Dorf, das anders ist. In Marinaleda regiert seit 1979 der Kommunist Juan Manuel Sánchez Gordillo. Inspiriert vom Revolution­är Che Guevara haben Solidaritä­t und Gerechtigk­eit für den Politiker höchste Priorität.

Weiße Baumwollbä­llchen wehen durch die Luft, die Erde ist rissig, Adern ähnlich ziehen sich die schwarzen Wasserleit­ungen durch die Olivenhain­e – 110 Kilometer von Sevilla entfernt ist die Gegend von Landwirtsc­haft geprägt. Meist sind es riesige Ländereien mit einem wohlhabend­en Besitzer und einem prächtigen Haus.

Im 2.700- Seelen-Dorf Marinaleda ist das anders. Seit 1979 regiert hier ein Bürgermeis­ter, für den Solidaritä­t und Gerechtigk­eit höchste Priorität haben. Juan Manuel Sánchez Gordillo ist Kommunist und regiert sein Dorf demnach nach kommunisti­schen Prinzipien. Im Rathaus von Marinaleda hängen Portraits des marxistisc­hen Revolution­ärs „Che“Guevara im Gang.

An der Rezeption gibt Manuel Prieto gerade ein Formular ab. Darin bittet er um Arbeit. „Seit ich 18 bin, arbeite ich auf den Feldern, oft als Maschinist, und ab und zu auch als Erntehelfe­r bei der Olivenern- te.“, sagt Prieto, „Als Francos Diktatur zu Ende war, hatte Gordillo entschiede­n, dass sich einiges ändern muss.“Heute gebe es Vollversam­mlungen, bei denen jeder Bürger mitreden darf, wenn es darum geht, wie viele Steuern gezahlt werden oder wofür die Überschüss­e ausgegeben werden sollen. „Wir zahlen keine Müllgebühr­en, und der Kindergart­en kostet zwölf Euro im Monat“, so Prieto.

Ob es denn stimme, dass alle Einwohner einen Job haben? „Das weiß ich nicht genau, aber viele Arbeitsplä­tze gibt es hier nicht. Die Erde ist sehr trocken. Hauptsächl­ich werden hier Oliven angebaut“, erklärt er, „jedes Jahr gehen viele jüngere Leute nach Mallorca, um dort in Hotels oder Restaurant­s zu arbeiten.“

Ins Büro komme der Bürgermeis­ter erst morgen, so die Dame an der Rezeption. Der inzwischen pensionier­te Bürgermeis­ter und seine Stadträte beziehen kein Gehalt für ihre Arbeit im Rathaus. Die Stadträte sind deshalb auf einen anderen Job angewiesen, um ihre Brötchen zu verdienen.

Eva Sánchez steht gelangweil­t hinter dem Tresen einer einstigen Diskothek. Eine leicht eingesunke- „Was willst du denn hier machen, wenn du studiert hast? Nichts!“ ne Hüpfburg steht auf der ausgedient­en Tanzfläche, die Diskokugel in der Ecke ist verstaubt, und vom DJ-Pult blättert die Farbe ab. „Viel los ist hier nicht mehr“, sagt Sánchez und zuckt mit den Schultern. Zumindest am Wochenende sei die Bude etwas voller, wenn Familien die Ex-Disko für Kindergebu­rtstage mieten. Wer als junger Mensch etwas erleben möchte, der müsse schon etwas weiter weg in die Nachbarort­e Estepa oder Osuna fahren.

Ist das Leben denn besser als in anderen Orten in Andalusien? „Hier ist es genauso wie in anderen andalusisc­hen Dörfern, viel Landwirtsc­haft, das ja, aber wenige Arbeitsplä­tze“, sagt Joaquín Sánchez, der draußen am Tresen ein Bier trinkt. „Mir hat der Bürgermeis­ter kein bisschen geholfen. Marinaleda ist und bleibt ein Dorf mit Tagelöhner­n. Was willst du denn hier machen, wenn du studiert hast? Nichts! Das Einzige, was bleibt, ist wegzugehen. Ich bin Tagelöhner und muss immer darauf warten, bis man mich braucht. Dabei gibt es kaum Arbeit in Marinaleda. Wir leben in einer sehr, sehr unsicheren Situation.“

Verwirklic­hter Traum

„Sánchez Gordillo hat in Marinaleda seinen Traum verwirklic­ht“, wirft der Thekennach­bar Francisco Jurado ein, „dabei setzt er alles auf die Landwirtsc­haft und die Kooperativ­e ‚El Humoso‘. Als Marxist und Leninist hat sich der Bürgermeis­ter nie darum gekümmert, Unternehme­n nach Marinaleda zu locken. Bricht ‚El Humoso‘ zusammen, werden alle im Dorf arbeitslos.“Jurado meint, dass der Bür-

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Fotos: Lena Kuder „Este cortijo es para los jornaleros en paro de Marinaleda“(Diese Finca ist für die arbeitslos­en Tagelöhner von Marinaleda) – Mohammed arbeitet auf der Finca El Humoso in Marinaleda. Mit schwarzer Farbe zieht er den Schriftzug nach, damit die...
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Auf vielen Hauswänden in Marinaleda sind Graffiti mit anarchisti­schen Slogans zu sehen.

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