Sie hat einen Putzfimmel
Aus dem Leben von Edith Kühn: Studium der buddhistischen Philosophie und Psychologie; Studienabteilung der Universität Tokyo in Frankfurt a.M. In Japan Besuch der Tempel, um Weisheit und Philosophie des Lebens zu vertiefen. In Deutschland Kurse in Lebensführung und Lebenshilfe. Sehr geehrte Frau Edith,
meine Bekannte (59) und ich (69) kennen uns seit zwei Jahren und sind vor kurzem zusammengezogen. Eigentlich ist sie eine ganz patente Frau, wenn sie nur nicht einen so großen Putzfimmel hätte. Reinlichkeit ist ja sehr schön. Aber wenn man vor lauter Saubermachen für überhaupt nichts anderes mehr Zeit hat, finde ich das maßlos übertrieben. Selbst wenn wir irgendwo eingeladen sind, mischt sie sich in die Hausarbeit der Gastgeberin ein, um zu demonstrieren, wie tüchtig und hilfsbereit sie ist.
Das ist doch unmöglich! Wie kann ich meiner Bekannten klar machen, dass das Leben nicht nur aus Putzen, Aufräumen und Staubwischen besteht? Sie möchte alles so blitzsauber haben, dass man vom Boden essen könnte. Haben Sie eine Idee? Also mich nervt das!
M. B.
Edith meint:
Ich kann Sie sehr gut verstehen. Zuviel des Guten kann einem schon mal auf die Nerven gehen. Sie können nur eines tun, nämlich mit Ihrer Bekannten ein ernstes Wort reden und ihr klar machen, dass sie mit ihrer Putzwut Ihre Beziehung zueinander gefährdet. Machen Sie Ihrer Bekannten Vorschläge zu gemeinsamen Unternehmungen. Wahrscheinlich will oder muss sie sich einfach beschäftigen, weil ihr nämlich sonst langweilig ist.
Was sie natürlich auf keinen Fall machen sollte ist, sich in die Hausarbeit anderer Leute einzumischen. Ihr das klar zu machen würde ich aber der jeweiligen Gastgeberin überlassen. Die kann Ihrer Bekannten nämlich ganz energisch nach eigenem Bedarf Einhalt gebieten.
Ich wünsche Ihnen die notwendige Energie, Ihren Wunsch nach etwas weniger Putzattacken durchzusetzen. Man muss nämlich wirklich nicht unbedingt vom Boden essen wollen.
Alles Gute für Sie und Ihre Partnerschaft. Ihre Edith Kühn