Nachdenkliche ITB
Der Massentourismus oder das Phänomen des Overtourism erstmals als Top-Thema auf der ITB in Berlin
Eigentlich feiert sich der Tourismus auf der ITB in Berlin stets selbst. In diesem Jahr aber war das anders. Die Proteste gegen den Massentourismus in Spanien und anderen Ländern haben die Branche zum Nachdenken gebracht. Doch eine Patent-Lösung ist nicht in Sicht.
Tourismusdirektor Torrella: „Viele gehen zur gleichen Zeit an die gleichen Orte“
Die Reisemesse ITB in Berlin ist der Ort, an dem Länder und Regionen jedes Jahr stolz neue Besucherrekorde verkünden. Die Deutschen sind überaus reisefreudig. Doch 2018 ist erstmals die Kehrseite des Booms ein Topthema: der ausufernde Massentourismus, der zum Beispiel auf Mallorca zu wütenden Protesten der Einheimischen geführt hat. Das Schlagwort lautet Overtourismus – vielen wird es einfach zuviel mit den Gästen, der Reisende selbst wird zum Problem. Wie konnte es dazu kommen? Und was jetzt? Darüber diskutiert die ITB.
Massen, Müll und teure Mieten
Viele Urlauber gab es an beliebten Orten schon immer, doch nun gehen Anwohner auf die Barrikaden – zum Beispiel wegen steigender Mieten wie in Barcelona und auf Mallorca. Durch Ferienwohnungen für Touristen geht Wohnraum für Einheimische verloren. Hinzu kommen der Lärm und der Müll, den die Urlauber nicht selten produzieren. Ein weiteres Problem ist die „Touristifizierung“beliebter Städte wie Rom und Venedig: Der Charakter der Metropolen geht nach Ansicht vieler Menschen dort verloren. „Die Einwohner haben das Gefühl, dass ihnen die Stadt nicht mehr gehört“, sagte Frans van der Avert, der Chef von Amsterdam Marketing, auf einer Podiumsdiskussion auf der ITB. Aus Sicht des Urlaubers stellt sich das Problem simpler da: Es ist vielerorts einfach extrem voll. Laut einer Untersuchung der Beratungsgesellschaft IPK International empfindet fast jeder vierte Aus- landsreisende (24 Prozent) sein Ziel als überfüllt – doch nur eine Minderheit (9 Prozent) sieht den Aufenthalt dadurch beeinträchtigt. Man hat sich an die Massen gewöhnt. Drei Viertel der Deutschen (77 Prozent) haben laut einer Norstat-Studie sogar Verständnis dafür, wenn Einheimische gegen die wachsenden Urlauberzahlen protestieren.
Aber bringen die Reisenden nicht auch viel Geld in die Destinationen? Ist Tourismus nicht ein bedeutender Wirtschaftsfaktor? Das ist unbestritten. Der Tourismusforscher Prof. Christian Laesser von der Universität Sankt Gallen gab auf der ITB aber zu bedenken: Die Einheimischen, die unter den Besuchermassen leiden, sind nicht unbedingt jene, die mit dem Tourismus Geld machen.
Es gibt nicht einen Schuldigen
Das Phänomen Overtourism ist vielschichtig. Experten verweisen auf den Boom der Billigflieger und auf die zunehmende Beliebtheit von Kreuzfahrten, deren Passagiere Ziele wie Dubrovnik oder Vene- dig fast schon überrennen. Hinzu kommen Angebote wie Airbnb und andere Vermittler privater Unterkünfte. Eine einzelne Ursache gibt es nicht. Der Massentourismus ist letztlich eine Kehrseite der Reisefreiheit in Europa – es reisen schlicht viel mehr Menschen als früher.
Informieren, lenken, verteuern
Auf der ITB wurden Maßnahmen diskutiert, um dem Massentourismus entgegen zu wirken. Zum einen können Reiseziele ihre Gäste besser darüber informieren, was es sonst noch alles in einer Stadt oder Region zu sehen gibt. Dann gibt es die Möglichkeit, Besucherströme besser zu lenken – mit Ticketkontingenten und Online-Reservierungssystemen für Sehenswürdigkeiten. Das sorgt für räumliche und zeitliche Entzerrung. Viele gingen zur gleichen Zeit an die gleichen Orte, sagte Barcelonas Tourismusdirektor Joan Torrella.
Dubrovnik an der kroatischen Adria leidet vor allem unter der großen Zahl an Kreuzfahrtschiffen. Für 2018 habe sich die Stadt mit