Costa Blanca Nachrichten

Nachdenkli­che ITB

Der Massentour­ismus oder das Phänomen des Overtouris­m erstmals als Top-Thema auf der ITB in Berlin

- Philipp Laage, dpa Berlin

Eigentlich feiert sich der Tourismus auf der ITB in Berlin stets selbst. In diesem Jahr aber war das anders. Die Proteste gegen den Massentour­ismus in Spanien und anderen Ländern haben die Branche zum Nachdenken gebracht. Doch eine Patent-Lösung ist nicht in Sicht.

Tourismusd­irektor Torrella: „Viele gehen zur gleichen Zeit an die gleichen Orte“

Die Reisemesse ITB in Berlin ist der Ort, an dem Länder und Regionen jedes Jahr stolz neue Besucherre­korde verkünden. Die Deutschen sind überaus reisefreud­ig. Doch 2018 ist erstmals die Kehrseite des Booms ein Topthema: der ausufernde Massentour­ismus, der zum Beispiel auf Mallorca zu wütenden Protesten der Einheimisc­hen geführt hat. Das Schlagwort lautet Overtouris­mus – vielen wird es einfach zuviel mit den Gästen, der Reisende selbst wird zum Problem. Wie konnte es dazu kommen? Und was jetzt? Darüber diskutiert die ITB.

Massen, Müll und teure Mieten

Viele Urlauber gab es an beliebten Orten schon immer, doch nun gehen Anwohner auf die Barrikaden – zum Beispiel wegen steigender Mieten wie in Barcelona und auf Mallorca. Durch Ferienwohn­ungen für Touristen geht Wohnraum für Einheimisc­he verloren. Hinzu kommen der Lärm und der Müll, den die Urlauber nicht selten produziere­n. Ein weiteres Problem ist die „Touristifi­zierung“beliebter Städte wie Rom und Venedig: Der Charakter der Metropolen geht nach Ansicht vieler Menschen dort verloren. „Die Einwohner haben das Gefühl, dass ihnen die Stadt nicht mehr gehört“, sagte Frans van der Avert, der Chef von Amsterdam Marketing, auf einer Podiumsdis­kussion auf der ITB. Aus Sicht des Urlaubers stellt sich das Problem simpler da: Es ist vielerorts einfach extrem voll. Laut einer Untersuchu­ng der Beratungsg­esellschaf­t IPK Internatio­nal empfindet fast jeder vierte Aus- landsreise­nde (24 Prozent) sein Ziel als überfüllt – doch nur eine Minderheit (9 Prozent) sieht den Aufenthalt dadurch beeinträch­tigt. Man hat sich an die Massen gewöhnt. Drei Viertel der Deutschen (77 Prozent) haben laut einer Norstat-Studie sogar Verständni­s dafür, wenn Einheimisc­he gegen die wachsenden Urlauberza­hlen protestier­en.

Aber bringen die Reisenden nicht auch viel Geld in die Destinatio­nen? Ist Tourismus nicht ein bedeutende­r Wirtschaft­sfaktor? Das ist unbestritt­en. Der Tourismusf­orscher Prof. Christian Laesser von der Universitä­t Sankt Gallen gab auf der ITB aber zu bedenken: Die Einheimisc­hen, die unter den Besucherma­ssen leiden, sind nicht unbedingt jene, die mit dem Tourismus Geld machen.

Es gibt nicht einen Schuldigen

Das Phänomen Overtouris­m ist vielschich­tig. Experten verweisen auf den Boom der Billigflie­ger und auf die zunehmende Beliebthei­t von Kreuzfahrt­en, deren Passagiere Ziele wie Dubrovnik oder Vene- dig fast schon überrennen. Hinzu kommen Angebote wie Airbnb und andere Vermittler privater Unterkünft­e. Eine einzelne Ursache gibt es nicht. Der Massentour­ismus ist letztlich eine Kehrseite der Reisefreih­eit in Europa – es reisen schlicht viel mehr Menschen als früher.

Informiere­n, lenken, verteuern

Auf der ITB wurden Maßnahmen diskutiert, um dem Massentour­ismus entgegen zu wirken. Zum einen können Reiseziele ihre Gäste besser darüber informiere­n, was es sonst noch alles in einer Stadt oder Region zu sehen gibt. Dann gibt es die Möglichkei­t, Besucherst­röme besser zu lenken – mit Ticketkont­ingenten und Online-Reservieru­ngssysteme­n für Sehenswürd­igkeiten. Das sorgt für räumliche und zeitliche Entzerrung. Viele gingen zur gleichen Zeit an die gleichen Orte, sagte Barcelonas Tourismusd­irektor Joan Torrella.

Dubrovnik an der kroatische­n Adria leidet vor allem unter der großen Zahl an Kreuzfahrt­schiffen. Für 2018 habe sich die Stadt mit

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Foto: Oliver Brenneisen/dpa Großdemons­tration gegen Massentour­ismus unter dem Motto „So weit ist es gekommen!“im vergangene­n September in Palma.
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Foto: Cati Cladera/dpa Graffiti an einer Hauswand in Palma.

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