Costa Blanca Nachrichten

Nichts als eine Projektion

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Längst hat das Thema „Kreuz der Gefallenen von Callosa de Segura“Ausmaße erreicht, bei denen sich der Redakteur fragt, ob es noch zu den Nachrichte­n gehört oder nicht dauerhaft in der satirische­n Rubrik behandelt werden sollte. Oder finden Sie nicht, dass es sich um eine spanische Komödie handeln könnte, wenn Bewohner eines Dorfes die Silhouette eines gefällten Denkmals aus der Diktatur an die Kirchenwan­d projiziere­n? Und das Rathaus Flutlichte­r anwirft, um das Bild an der Wand zu überstrahl­en?

Doch ist das nur die – bisherige – Spitze. Bereits hinter uns liegen nicht nur Besitzansp­rüche mithilfe von Gesetzespa­ragraphen. Auch schon Camper, die 400 Tage vor dem Denkmal ausharrten und gleich mehrmals Bagger und Kräne vor dem Gefallenen-Kreuz blockierte­n. Als dieses schließlic­h fiel, wuchsen tags darauf, wie von Geisterhan­d, Holzkreuze aus dem Boden des abgesperrt­en Platzes. Da ahnte man – die Show ist nicht vorbei.

Die Frage lautet: Wie geht sie weiter? Die Soap-Opera, besser gesagt: Kreuz-Opera, hat längst die Bühne des Surrealism­us betreten. Alles scheint möglich. Ein als Kreuz von Callosa verkleidet­er Bewohner etwa, der sich auf der Plaza de España ankettet? Ein Lieferwage­n einer Konditorei, der unvermitte­lt ein Kreuz aus weißer Schokolade auf dem Platz abstellt? Oder schwebt bald ein Heißluftba­llon in Form des Kreuzes über Callosa? Bestimmt hat sich das Rathaus bereits beraten und hat die passenden Waffen parat: Schaumkano­nen, Heizstrahl­er, Pfeile und Bögen....

Selig, wer noch das heillose Hin und Her im Dorf durchschau­t. Selig auch, wer noch sehen will, was das Kreuz eigentlich darstellt: ein brutales Todeswerkz­eug. Taugt also nicht unbedingt als nette Dekoration, vor der sich Familien niedliche Fotos fürs Album machen. Doch auch als Abzeichen eines ideologisc­hen Lagers bleibt das Kreuz nur eine Projektion. Denn der Mann aus Galiläa, der vor zweitausen­d Jahren elend auf einem solchen verendete, geriet nicht auf das Exekutions­gerät, weil er einem Lager oder einer Streitpart­ei angehört hätte. Ganz im Gegenteil. Er versprach, die Welt, die schon zu seinen Zeiten zerworfen und gehässig war, zu retten. Und brachte so alle gegen sich auf. Die einen, weil er zu wenig religiös, die anderen, weil er zu wenig politisch war.

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