Von Gewinnern und Verlierern
Auch zehn Jahre nach Ausbruch der Krise haben noch lange nicht alle Regionen aufgeholt
Madrid – tl. Die spanische Wirtschaft hat im zweiten Quartal 2017 die Verluste aus Krisenzeiten wieder wettgemacht. Soweit die gute Nachricht. Leider aber gilt das nicht flächendeckend. Wie das Nationale Statistikinstitut (INE) am vergangenen Freitag informierte, hat sich in neun der 17 autonomen Regionen die Wirtschaftskraft noch nicht wieder auf Vorkrisenniveau erholt. Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur.
Das positive Beispiel ist die Region Madrid, die vor allem wegen ihrer niedrigen Steuern das Kapital anzieht. Hier lag die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bereits 2015 wieder auf dem Niveau, das vor 2008 herrschte. Madrid ist auch die einzige Region, in der die Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigten inzwischen höher liegt als vor der Krise.
Davon können folgende Regionen nur träumen: Andalusien, Aragón, Asturien, Kantabrien, Castilla und León, Castilla-La Mancha, Valencia, Extremadura und La Rioja. Deren BIP hat auch zehn Jahre nach Ausbruch der Krise die damalige Marke noch nicht wieder erreicht. „Die demografische Entwicklung und die zunehmende Überalterung spielt eine wichtige Rolle. Ein Großteil des Nordens hat den Verlust deshalb nicht wettmachen können“, sagte BBVAÖkonom Rafael Doménech gegenüber der Zeitung „El País“. Asturien, Castilla und León, Extremadura und Valencia beispielsweise hätten Bevölkerung verloren.
Aber nicht alles, so Doménech weiter, lasse sich auf die Demogra- fie zurückführen. Die Industriestruktur, das Humankapital oder die Besteuerung seien weitere Faktoren. Es sei schwierig, die unterschiedliche regionale Entwicklung
Der „Procés“der katalanischen Regierung hat keinen nachteiligen Einfluss auf das Wachstum gehabt
einem einzigen Faktor zuzuordnen. Andalusien etwa weise ein Bevölkerungsplus auf, habe aber das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht. Auch die frühere Abhängigkeit von der Bauwirtschaft sei ein Grund, warum manche Regionen Nachzügler bleiben.
Dagegen können eine Exportindustrie oder der Tourismus den Aufschwung fördern. Doménech nennt das Beispiel Galicien. Es sei überraschend, dass ausgerechnet eine so ländliche und überalterte Region sich so gut entwickelt haben. Der Grund: ihre Exporte.
Nimmt man wiederum das ProKopf-Bruttoinlandsprodukt als Maßstab, sieht die Sache leicht anders aus: Hier zählen Madrid, Baskenland, Navarra, Katalonien, Aragón, La Rioja, Castilla und León, Galicien, Valencia und Extremadura zu den Regionen, die die Krise überwunden haben. Kantabrien, Astu- rien, Murcia. Kanaren und Andalusien dagegen bleiben zurück. „Während der Krise ist das Ungleichgewicht unter den Regionen größer geworden. Aber auch mit Beginn der wirtschaftlichen Erholung hat sich daran nichts geändert“, sagte María Jesús Fernández, Analystin der Sparkassen-Stiftung Funcas.
Festzuhalten bleibt die Entwicklung der Konfliktregion Katalonien. Allen Behauptungen zum Trotz hat die Unabhängigkeitspolitik der Regionalregierung – der „Procés“– keinen nachteiligen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr gehabt: Mit 3,3 Prozent liegt es über dem Spanien-Schnitt von 3,1 Prozent.