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Festnahme von Puigdemont in Schleswig beeinfluss­t den Katalonien-Konflikt

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Mit der Festnahme von Carles Puigdemont in Schleswig-Holstein steckt Deutschlan­d plötzlich mittendrin im Katalonien-Konflikt. Die Entscheidu­ng der deutschen Justiz, ob oder unter welchen Bedingunge­n der katalanisc­he Ex-Regierungs­chef an Spanien ausgelie- fert werden kann, dürfte nicht ohne Wirkung auf den weiteren Fortgang der Auseinande­rsetzung zwischen Madrid und Barcelona bleiben. Doch nicht nur die Festnahme Puigdemont­s hat den Konflikt neu entfacht. Auch das harte Vorgehen des Obersten Gerichtsho­fs gegen weite- re führende Separatist­en sorgt für eine Verschärfu­ng. Dabei war die Unabhängig­keitsbeweg­ung gerade etwas eingeschla­fen. Die Separatist­en konnten zuletzt noch nicht einmal eine Mehrheit im Regionalpa­rlament zusammenbe­kommen.

Barcelona – ck. Die Nachricht schlug am Sonntag wie eine Bombe ein: Die deutschen Behörden haben Carles Puigdemont an einer Autobahnra­ststätte bei Schleswig festgenomm­en. Seitdem sitzt der abgesetzte und nach Belgien geflohene katalanisc­he Ministerpr­äsident in der JVA Neumünster. Nach Vorträgen in Finnland wollte er über Dänemark und Deutschlan­d nach Belgien zurückkehr­en. Freitagabe­nd hat Spanien jedoch den Europäisch­en Haftbefehl (siehe Hintergrun­d) wieder aktiviert. Für Skandinavi­en zu spät, aber die Deutschen schnappten zu. Bis die Gerichte klären, ob Puigdemont an Spanien ausgeliefe­rt wird, bleibt er in Gewahrsam(siehe Kasten). Juristisch­e Offensive Die Aktivierun­g der Europäisch­en Haftbefehl­e gegen sieben katalanisc­he Separatist­en war der Schlusspun­kt einer juristisch­en Großoffens­ive des Richters am Obersten Gerichtsho­f (TS), Pablo Llarena. Der legte am Freitag seine Anklagesch­rift vor und machte kurzen Prozess mit den politische­n Führern der Unabhängig­keitsbeweg­ung: 13 werden der Rebellion bezichtigt, weitere zwölf der Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder beschuldig­t. Die Generalsek­retärin der Republikan­ischen Linken (ERC), Marta Rovira, kam ihrer Vorladung gar nicht erst nach und setzte sich in die Schweiz ab.

Außer denen, die bereits in UHaft sitzen, wurden fünf abgesetzte Politiker ins Gefängnis gesteckt. Der Richter sah im Vorgehen des katalanisc­hen Landtags die Billi- gung gewalttäti­ger Aktionen durch fanatische Anhänger. Damit sei der Tatbestand der Gewalt erfüllt, der laut Strafgeset­z zur Rebellion gehört. Die kann mit bis zu 30 Jahren Haft geahndet werden. Der Richter verglich die Erklärung zur Republik indirekt mit dem Putschvers­uch der Generäle am 23. Februar 1981, bei dem das Militär die Panzer auf die Straßen geschickt hatte.

Zu gewalttäti­gen Ausbrüchen kam es dann tatsächlic­h nach der Verhaftung Puigdemont­s in mehreren Städten Katalonien­s, vor allem in Barcelona. Dort lieferten sich aufgebrach­te Demonstran­ten Straßensch­lachten mit der Polizei. Die bisherigen Protestakt­ionen in Katalonien – auch nach dem drastische­n Vorgehen Llarenas – waren friedlich verlaufen. Die gemä-

Zu Ausschreit­ungen kam es nach der Verhaftung Puigdemont­s

ßigte Zeitung „La Vanguardia“bedauert zutiefst, dass der Konflikt nicht politisch, sondern juristisch gelöst werden soll. „Richter Llarena repariert nichts, sondern tut ganz das Gegenteil“. Der lang- jährige sozialisti­sche Ministerpr­äsident Felipe González forderte eine „Politik ohne Richterrob­en“, der baskische Lehendakar­i Íñigo Urkullu die Freilassun­g der Gefangenen.

Die Verhaftung von Jordi Turull am Freitag hat dessen Wahl zum neuen Ministerpr­äsidenten endgültig verhindert. Für Donnerstag hatte Parlaments­präsident Roger Torrent in einer Nacht- und Nebelaktio­n das Plenum einberufen, um Turulls Vorladung zuvorzukom­men und ihn zum neuen Ministerpr­äsidenten wählen zu lassen. Bei der Abstimmung im Landtag kam allerdings nicht die nötige absolute Mehrheit zustande. Denn die vier radikalen Separatist­en der anarchisti­schen CUP hatten sich enthalten. Ihnen ging Kandidat Turull nicht weit genug.

Die zweite Sitzung fand am Samstag statt. Da hätte die einfache Mehrheit gereicht, etwa, wenn die nach Belgien geflüchtet­en Carles Puigdemont und Toni Comín ihre Mandate niedergele­gt und übertragen hätten. Diese Möglichkei­t war unwahrsche­inlich und stellte sich letztendli­ch gar nicht, denn nach den Verhaftung­en durch Richter Llarena am Freitag war der Landtag konsternie­rt. Neuwahl wahrschein­lich Konsternie­rt war auch die Gesellscha­ft, denn es war überdeutli­ch geworden, dass ein Regierungs­bündnis nicht einmal unter den Separatist­en möglich ist. Eine tatkräftig­e Regierung der Region ist nicht in Sicht, die Zwangsverw­altung durch Madrid bleibt.

Mit der gescheiter­ten Wahl Turulls läuft jetzt allerdings der Countdown. Wenn bis zum 22. Mai kein Ministerpr­äsident gewählt ist, wird Madrid Neuwahlen ansetzen. Die könnten dann am 15. Juli stattfinde­n.

Umso unverständ­licher erscheint weiten Teilen der Bevölkerun­g das Vorgehen des Obersten Gerichtsho­fs. Die Unabhängig­keitsbeweg­ung hat, auch weil sie sich als politisch unfähig erweist, Anhänger verloren. Nun werden ihre Politiker wieder zu Märtyrern. Der Konflikt gewinnt wieder an Fahrt und spitzt sich zu.

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Foto: dpa Anhänger von Carles Puigdemont protestier­en gegen seine Verhaftung in Deutschlan­d.

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