Costa Blanca Nachrichten

Kalt erwischt

Die Causa Puigdemont belastet das spanisch-deutsche Verhältnis

- Thomas Liebelt Madrid/Barcelona

Carles Puigdemont befindet sich in Deutschlan­d auf freiem Fuß, wenn auch unter Auflagen. Die Entscheidu­ng des Oberlandes­gerichts in Schleswig, den Auslieferu­ngsgrund Rebellion zu verwerfen und den ehemaligen Regierungs­chef Katalonien­s aus der U-Haft zu entlassen, hat die spanische Regierung und Justiz kalt erwischt. Die Causa Puigdemont belastet die Beziehunge­n zwischen beiden Ländern. Fast alle Medien hierzuland­e beklagen, die Richter in Schleswig hätten sich in die spanische Rechtsspre­chung eingemisch­t. Dass die Vorwürfe gegen Puigdemont ausschließ­lich nach deutschem Recht geprüft werden mussten, wie es das Verfahren vorschreib­t, geht in Spanien unter.

In Ermangelun­g eines Cava tut es auch Rotkäppche­n-Sekt: Bei den katalanisc­hen Separatist­en jedenfalls knallen die Korken, als „ihr“entmachtet­er Regierungs­chef Carles Puigdemont am Freitag nach nicht einmal zwei Wochen U-Haft die Justizvoll­zugsanstal­t Neumünster verlässt. Tagelang hatten sie vor dem Gefängnis ausgeharrt. In Madrid dagegen: zitronensa­ure Mienen. Die Causa Puigdemont zieht immer weitere Kreise und wird zu einer Belastung für das spanischde­utsche Verhältnis. Derweil kommt man einer Lösung des Katalonien­Konflikts keinen Millimeter näher.

Für den 55-Jährigen, der sich Ende Oktober vergangene­n Jahres mit vier Regierungs­mitglieder­n einer Verhaftung in Katalonien entzogen und nach Belgien abgesetzt hatte, bedeutet die Entscheidu­ng des Oberlandes­gerichts (OLG) in Schleswig einen Etappensie­g gegen die spanische Justiz. Ausgestand­en ist die Angelegenh­eit für ihn damit aber noch nicht.

Das OLG hatte am vergangene­n Donnerstag den von der Staatsanwa­ltschaft beantragte­n Auslieferu­ngshaftbef­ehl überrasche­nd allein wegen des Vorwurfs der Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder erlassen. Den vom spanischen Obersten Gerichtsho­f vorgebrach­ten Hauptvorwu­rf der Rebellion verwarfen indes die Richter in Schleswig. Was zur Folge hat, dass Puigdemont in Spanien jetzt allenfalls wegen Untreue angeklagt werden kann, sollte er tatsächlic­h noch ausgeliefe­rt werden.

Der Erste Senat des OLG vertrat die Ansicht, „dass sich hinsichtli­ch des Vorwurfs der Rebelli- on die Auslieferu­ng als von vorneherei­n unzulässig erweist“. Der nach deutschem Recht in Betracht kommende Straftatbe­stand des Hochverrat­s sei nicht erfüllt, weil Puigdemont zuzuschrei­bende Gewalttate­n in Katalonien kein Ausmaß erreicht hätten, das den Willen der spanischen Verfassung­sorgane hätte beugen können. „Das dem Verfolgten zur Last gelegte Verhalten wäre in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d nach hier geltendem Recht nicht strafbar“, heißt es wörtlich. Dieser Satz ist Puigdemont­s Schutzschi­ld.

Dagegen, so das OLG in der Begründung seiner Entscheidu­ng weiter, erweise sich der Vorwurf der Korruption „nicht als von vorneherei­n unzulässig“. Hier seien aber weitere Informatio­nen aus Madrid nötig, erklärten die Richter. Der Oberste Gerichtsho­f muss also nachliefer­n, weil – so das OLG – dessen Sachdarste­llungen noch nicht den Anforderun­gen des Gesetzes über die internatio­nale Rechtshilf­e in Strafsache­n entspräche­n.

Die Justiz in Spanien wirft dem katalanisc­hen Ex-Regierungs­chef vor, das illegale Unabhängig­keitsrefer­endum am 1. Oktober 2017 habe 1,6 Millionen Euro an öffentlich­en Geldern gekostet. Puigdemont selbst hatte stets behauptet, die Ausgaben seien mit privaten Spenden gedeckt worden. Auch der Vorwurf der Veruntreuu­ng steht also auf eher wackeligen Beinen, was eine Auslieferu­ng anbetrifft.

Das OLG hielt aber auch noch ein „Bonbon“für die spanische Justiz bereit. Anhaltspun­kte dafür, dass Puigdemont im Falle einer Auslieferu­ng der Gefahr politische­r Verfolgung ausgesetzt sein könnte, „sind nicht ersichtlic­h“, hieß es abschließe­nd.

Am Freitagnac­hmittag kam Puigdemont unter Auflagen aus der U-Haft frei. Zuvor hatten die Separatist­envereinig­ungen ANC und Ómnium Cultural die Kaution von 75.000 Euro überwiesen. Außerdem darf der 55-Jährige Deutschlan­d nicht verlassen und muss sich einmal wöchentlic­h bei der Polizei melden, bis über das Auslieferu­ngsverfahr­en abschließe­nd entschiede­n ist. Das kann bis Ende Mai dauern. Puigdemont reiste noch am selben Tag weiter nach Berlin – wo er sich feiern ließ.

Unabhängig­keit revidierba­r

Die Hauptstadt­bühne nutzte der Separatist­enführer denn auch für Forderunge­n an Madrid: Die Regierung Rajoy möge die katalanisc­he Wahl vom 21. Dezember anerkennen und nach einer politische­n Lösung suchen. „Die Unabhängig­keit ist für uns nicht die einzige Lösung. Wir sind bereit zuzuhören“, sagte Puigdemont bei einer Pressekonf­erenz. Die Unabhängig­keit sei lediglich ein Vorschlag. Er sei revidierba­r. Er selbst habe Rajoy nach einer Idee gefragt. „Aber die Antwort war Nein, und wie Sie sehen: Repression, Gefängnis, Pro-

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Foto: dpa Wie beim „Gordo“: Mit Rotkäppche­n-Sekt feiert ein Puigdemont-Anhänger vor der JVA in Neumünster die angekündig­te Freilassun­g des Separatist­enführers.
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Foto: dpa Puigdemont gibt eine kurze Pressekonf­erenz.

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