Kalt erwischt
Die Causa Puigdemont belastet das spanisch-deutsche Verhältnis
Carles Puigdemont befindet sich in Deutschland auf freiem Fuß, wenn auch unter Auflagen. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts in Schleswig, den Auslieferungsgrund Rebellion zu verwerfen und den ehemaligen Regierungschef Kataloniens aus der U-Haft zu entlassen, hat die spanische Regierung und Justiz kalt erwischt. Die Causa Puigdemont belastet die Beziehungen zwischen beiden Ländern. Fast alle Medien hierzulande beklagen, die Richter in Schleswig hätten sich in die spanische Rechtssprechung eingemischt. Dass die Vorwürfe gegen Puigdemont ausschließlich nach deutschem Recht geprüft werden mussten, wie es das Verfahren vorschreibt, geht in Spanien unter.
In Ermangelung eines Cava tut es auch Rotkäppchen-Sekt: Bei den katalanischen Separatisten jedenfalls knallen die Korken, als „ihr“entmachteter Regierungschef Carles Puigdemont am Freitag nach nicht einmal zwei Wochen U-Haft die Justizvollzugsanstalt Neumünster verlässt. Tagelang hatten sie vor dem Gefängnis ausgeharrt. In Madrid dagegen: zitronensaure Mienen. Die Causa Puigdemont zieht immer weitere Kreise und wird zu einer Belastung für das spanischdeutsche Verhältnis. Derweil kommt man einer Lösung des KatalonienKonflikts keinen Millimeter näher.
Für den 55-Jährigen, der sich Ende Oktober vergangenen Jahres mit vier Regierungsmitgliedern einer Verhaftung in Katalonien entzogen und nach Belgien abgesetzt hatte, bedeutet die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) in Schleswig einen Etappensieg gegen die spanische Justiz. Ausgestanden ist die Angelegenheit für ihn damit aber noch nicht.
Das OLG hatte am vergangenen Donnerstag den von der Staatsanwaltschaft beantragten Auslieferungshaftbefehl überraschend allein wegen des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder erlassen. Den vom spanischen Obersten Gerichtshof vorgebrachten Hauptvorwurf der Rebellion verwarfen indes die Richter in Schleswig. Was zur Folge hat, dass Puigdemont in Spanien jetzt allenfalls wegen Untreue angeklagt werden kann, sollte er tatsächlich noch ausgeliefert werden.
Der Erste Senat des OLG vertrat die Ansicht, „dass sich hinsichtlich des Vorwurfs der Rebelli- on die Auslieferung als von vorneherein unzulässig erweist“. Der nach deutschem Recht in Betracht kommende Straftatbestand des Hochverrats sei nicht erfüllt, weil Puigdemont zuzuschreibende Gewalttaten in Katalonien kein Ausmaß erreicht hätten, das den Willen der spanischen Verfassungsorgane hätte beugen können. „Das dem Verfolgten zur Last gelegte Verhalten wäre in der Bundesrepublik Deutschland nach hier geltendem Recht nicht strafbar“, heißt es wörtlich. Dieser Satz ist Puigdemonts Schutzschild.
Dagegen, so das OLG in der Begründung seiner Entscheidung weiter, erweise sich der Vorwurf der Korruption „nicht als von vorneherein unzulässig“. Hier seien aber weitere Informationen aus Madrid nötig, erklärten die Richter. Der Oberste Gerichtshof muss also nachliefern, weil – so das OLG – dessen Sachdarstellungen noch nicht den Anforderungen des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen entsprächen.
Die Justiz in Spanien wirft dem katalanischen Ex-Regierungschef vor, das illegale Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 habe 1,6 Millionen Euro an öffentlichen Geldern gekostet. Puigdemont selbst hatte stets behauptet, die Ausgaben seien mit privaten Spenden gedeckt worden. Auch der Vorwurf der Veruntreuung steht also auf eher wackeligen Beinen, was eine Auslieferung anbetrifft.
Das OLG hielt aber auch noch ein „Bonbon“für die spanische Justiz bereit. Anhaltspunkte dafür, dass Puigdemont im Falle einer Auslieferung der Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt sein könnte, „sind nicht ersichtlich“, hieß es abschließend.
Am Freitagnachmittag kam Puigdemont unter Auflagen aus der U-Haft frei. Zuvor hatten die Separatistenvereinigungen ANC und Ómnium Cultural die Kaution von 75.000 Euro überwiesen. Außerdem darf der 55-Jährige Deutschland nicht verlassen und muss sich einmal wöchentlich bei der Polizei melden, bis über das Auslieferungsverfahren abschließend entschieden ist. Das kann bis Ende Mai dauern. Puigdemont reiste noch am selben Tag weiter nach Berlin – wo er sich feiern ließ.
Unabhängigkeit revidierbar
Die Hauptstadtbühne nutzte der Separatistenführer denn auch für Forderungen an Madrid: Die Regierung Rajoy möge die katalanische Wahl vom 21. Dezember anerkennen und nach einer politischen Lösung suchen. „Die Unabhängigkeit ist für uns nicht die einzige Lösung. Wir sind bereit zuzuhören“, sagte Puigdemont bei einer Pressekonferenz. Die Unabhängigkeit sei lediglich ein Vorschlag. Er sei revidierbar. Er selbst habe Rajoy nach einer Idee gefragt. „Aber die Antwort war Nein, und wie Sie sehen: Repression, Gefängnis, Pro-