Zwei Jahre Verspätung – vor Abfahrt
Ob und wann Torrevieja wieder einen Eisenbahnanschluss erhält, steht in den Sternen über Madrid
Die Unerledigt-Liste der Zentralregierung gegegenüber der Vega Baja wird immer länger. Zu den beantragten oder angekündigten Projekten, die aus bürokratischer Untätigkeit oder angeblichem Geldmangel liegen blieben, zählen zum Beispiel der dreispurige Ausbau der A-7 zwischen Crevillent und OrihuelaBenferri, die Schaffung und Anbindung eines Logistik-Zentrums für die Vega Baja, die Neuordnung der Überführung zwischen N-332 an der CV-8520 bei Santa Pola.
Was José Manuel Dolón, Torreviejas Bürgermeister (Grüne), aber am meisten ärgert, ist das Projekt Eisenbahn. Vor vier Jahren wurden die von Madrid angeforderten Dokumente eingereicht, die einen Wiederanschluss der Küstenregion ans Renfe-Netz bis 2025 bewerkstelligen sollten. 1968 hatte die Staatsbahn im Zuge von Sparmaßnahmen die Strecken zwischen Orihuela-Almoradi-Torrevieja-Albatera geschlossen, in den frühen 80er wurde auch die Salzbahn eingestellt.
Die Erschließung einer Region mit der Eisenbahn ist kein nostalgischer Spleen, sondern ein essentieller Teil nachhaltiger Infrastruktur. Züge bringen Menschen und Waren, Investitionsentscheidungen von Industriebetrieben hängen nicht selten von einem Gleisanschluss ab. In der Vega Baja wird weiter gebaut, mehr als in den letzten zehn Jahren. Ein Blick auf die Straßen der Vega Baja, vor allem nach und von Torrevieja lässt schon heute erahnen, dass ohne ein Bahn- und Cercánia-Netz der Verkehrskollapas droht und die Umwelt weiter leidet. Konkurrenz auf Schienen könnte außerdem die Busunternehmen anspornen, ihre „Dritte-Welt-Flotte“nachzurüsten und die fragmentierten Fahrpläne neu zu ordnen.
Kein Hobby für Nostalgiker
Laut Gesetz muss die Machbarkeitsstudie für den Wiederanschluss an das nationale Schienennetz binnen 24 Monaten im Verkehrsministerium erstellt werden. Nach vier Jahren ist nichts davon zu sehen. „Offenbar fehlt der politische Wille“, resümiert der Bürgermeister und beklagt, dass man für die Studie bereits 569.581 Euro verauslagt hat. Das letzte Mal hat man dazu im Januar einen Brief aus Madrid bekommen: „... wir schreiten voran, die Studie auszuarbeiten, derzeit befassen wir uns mit der sozioökonomischen Rentabilität der Maßnahme“, heißt es darin. Daten, Zusagen, Zählbares gibt es nicht.
Jährliches Wehklagen
Dolón wirft der Zentralregierung in Madrid vor, vom Rathaus einen Entwurf gefordert zu haben, der von vornherein zum Scheitern verurteilt sei. Denn man sollte drei Varianten für einen Schienenanschluss an das Renfe-Netz ausarbeiten. Eine entlang der alten Streckenführung durch die Salinen, die aber mit einem Bahnhof im Nirgendwo enden würde und außerdem die „Via Verde“zerstöre, die man entlang des alten Gleisbettes der Salzbahn geschaffen hat. Befürworter dieser Variante argu- mentieren, dass die Wiedererrichtung auf der alten Strecke noch die geringsten Umweltschäden mit sich brächte.
Eine weitere Version liegt vor, die aus Süden kommend komplett durch bebautes Land führen würde, sagt der Bürgermeister. Dolo´n hat eine eigene Variante eingereicht, die den Anschluss der Stadt samt der Gemeinden von Orihuela Costa sowohl gen Alicante über Santa Pola als auch nach Orihuela und Elche wie nach Cartagena garantieren würde und zwar über den Anschlusspunkt San Isidro. Diese Variante garantiert zudem, so Dolón, „dass der Bahnhof in der Stadt liegt und nicht sechs Kilometer außerhalb“. Das Rathaus will nun den öffentlichen Beschwerdeweg einschlagen, um Bewegung in das Projekt zu bekommen.
In Orihuela wiederum ringen Compromís und Cambiemos um den Nahverkehrszug Cercanías. Die Wagen und Schienen der stark frequentierten Strecke zwischen Alicante und Murcia sind arg mitgenommen, „dem 21. Jahrhundert nicht würdig“, wie es aus dem Rathaus von Cambiemos-Sprecher Karlos Bernabé heißt. Dort wundert man sich, dass von den im Vorjahr angekündigten Investitionen von 1,4 Milliarden Euro für die Cercanías der gesamten Region Valencia im zentralen Staatshaushalt von Madrid nur 50 Millionen angekommen seien. „Sie lassen uns in Orihuela und der ganzen Vega Baja wieder im Stich.“
Traum vom integrierten Netz
Dahinter stecke ein „Pakt zwischen PP und Ciudadanos“, mutmaßen die Linken unisono, „der nicht nur die Bahn betrifft, sondern alle Investitionsvorhaben“. Man wolle die Region ausbluten lassen, um die Bürger so unzufrieden zu machen, dass sie einen Regierungswechsel herbeiführen.
Es gibt in Madrid und Valencia durchaus Strategen, die seit Jahrzehnten um ein integriertes Cercánia-Fernbahn-Netz von Katalonien bis Málaga ringen. Cercánias für die Küste und das nationale Schienennetz soll im Inland den Frachtverkehr sicherstellen und die großen Ballungszentren verbinden, dazwischen Schnittstellen für den Umstieg. Doch die Politik legt den Planern seit langem große Steine auf die Gleise.