Costa Blanca Nachrichten

Aus einem Hundeleben

Geschichte aus der Reihe „Betrachtun­gen“von Percy Sager aus Calp

- Percy Sager Calp

Er sitzt auf der niedrigen Mauer oberhalb der Königinnen­bäder. Ein Mann in den besten Jahren. Früher muss er gut ausgesehen haben. Doch mit dem leicht zerknitter­tem Anzug und den etwas strubbelig­en Haaren macht er keinen sehr guten Eindruck auf die Passanten.

Um diese frühe Stunde sind es vor allem Jogger, die mehr oder weniger leichtfüßi­g an ihm vorbei laufen, ohne ihm einen Blick zu schenken. Hunde werden ausgeführt, und da fällt ihm auf, dass viele Männer unterwegs sind. Hat der korpulente Mann sich diesen Afghanen gekauft? Jener vielleicht den Yorkshire-Terrier, der in einen rosa, mit Strass besetztem, Mantel gehüllt, zitternd neben ihm läuft? Oder hat sich der junge Geck etwa die gestylten Pudel zugelegt?

Der Mann hat dazu seine eigene Meinung: Diese Tiere wurden von Frauen ausgesucht. „Ach, das süße Hündchen und schau, der treue Blick!“Viele Promenaden- mischungen kommen eher aus dem Tierheim, manche hübsch, andere mitleidser­regend hässlich.

Natürlich wird der Hund erstanden, und die erste Zeit auch brav Gassi geführt. Doch dann wird sie nicht fertig, hat Schmerzen im Knie oder muss noch einen Kuchen backen, den Frühstücks­tisch richten, Staubsauge­n oder die Betten machen. Nun, vielleicht ist die Frau dieses graubärtig­en Spaziergän­gers wirklich nicht mehr fit, und da ist es verständli­ch, dass er den graubärtig­en Schäferhun­d an der Leine hat. Da fällt dem Betrachter ein, dass er öfters gesehen hat, wie Herr oder Frau und Hund sich ähneln. Aber worin?

Es ist interessan­t dies herauszufi­nden. Hier ist es leicht: Die Farbe ihrer Bärte ist gleich. Die Mimese springt einem bei einigen Exemplaren sofort ins Auge. Nur, hat sich die kleine Englische Bulldogge ihrem Herrchen angepasst, oder hat der dieses verkniffen­e Gesicht von ihr übernommen? Ha, da läuft eine Frau mit einem Windspiel. Wie schnittig beide aussehen! Nun kommt jemand ohne Begleiter, doch seine gedrungene und massige Erscheinun­g deutet darauf hin, dass er das Mops-Gen in sich trägt.

Gleich zwei ältere Herren gehen an ihm vorbei. Der Blick verweilt lange auf dem, auf der Mauer, sitzenden Mann. Verächtlic­h taxieren sie die ärmliche Erscheinun­g. Wenn die wüssten! Das Aussehen der beiden: runde Schädel mit sehr kurzem, wirklich kurzgescho­renem Haar, erinnert ihn an eine Rasse, an den Weißen Riesen-Rundkopf-Schnauzer. Denn sie haben natürlich auch ein weißes, gestutztes Schnurrbär­tchen.

Nun muss er lächeln. Der Retriever, der den eleganten Herrn begleitet, wedelt freudig mit der Rute. Keinerlei Übereinsti­mmung erkennbar. Außer, vielleicht der wiegende Schritt?

Doch nun muss er los, um sich um den Gelderwerb zu kümmern. „Tschüss ihr zwei!“Er wendet sich beim Aufstehen den zwei, in Stein gemeißelte­n, Nixen zu. „Bis morgen, Beate, bis morgen, Rena!“Er vergisst nie, sich von ihnen zu verab- schieden. Meerjungfr­auen hat er seine beiden Mädchen immer genannt. Wie gern sie im Meer gebadet haben. Außerdem muss Helmut ihm unbedingt die Haare schneiden. Er sieht ja aus wie ein Streuner.

Als er zur Wendeplatt­e kommt, bleibt er stehen, denn das Bild, das sich ihm bietet, erzürnt ihn, wie immer. „Warum tun sie das?“Fragt er die alte Frau, die Katzenfutt­er auf mehrere Tellerchen verteilt. „Weil ich Tiere liebe!“„Das ist die falsche Art, sie zu lieben. Sie vergrößern nur das Elend, wenn Sie Ihnen durch die Nahrung ermögliche­n, möglichst viele Nachkommen zu zeugen. Wissen Sie, wie viele Vögel von freilaufen­den Katzen im Jahr getötet werden? Über drei Milliarden, zumindest in den USA. Zahlen für Europa kenne ich leider nicht.“

„Und woher wissen Sie das, sie Schlaumeie­r?“„Aus der Zeitung!“Er deutet auf den Packen unter seinem Arm. „Ach, Sie kenne ich! Sie sind der Landstreic­her, der vor dem Einkaufsce­nter bettelt. Ist wohl für Ihr Nachtlager.“Sie deu- tet auf die Zeitungen. „Scheren Sie sich zum Teufel!“

„Blöde Zicke!“, murmelt er. Fast hätte er „blöde Kuh gesagt, doch da hätte er die Kühe beleidigt. Die haben schöne Augen.

Helmut wartet schon. Er ist ungehalten. „Warst du wieder auf der Promenade? Ich fass es nicht! Betrachtes­t diese Viecher! Dabei war es doch ein Hund, der den Unfall von deiner Frau und…..!“

„Halt die Schnauze! Halt einfach deine verdammte Schnauze!“Der Mann rafft seine Habseligke­iten zusammen und stapft, ohne sich nochmals umzublicke­n, davon.

Helmut sieht ihm nach. Da verschwind­et sein Freund um die Ecke und aus seinem Leben: ein Mann, dessen Leben durch einen Hund aus der Bahn geworfen wurde. Helmut kratzt sich am Kopf. Sogar zum Schluss hat er einen Ausdruck verwendet, der auf Hunde zutrifft. Er hätte ja auch Mund, Maul, Gosche sagen können. Ach, was soll’s! Er ist ja nie wirklich mit diesem armen Hund klargekomm­en. „Adiós amigo!

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Foto: CBN-Archiv Die Geschichte eines Bettlers und seiner ungewöhnli­chen Beziehung zu Hunden.

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