Quim Torra im Amt
Mit Quim Torra wird ein politischer Quereinsteiger zum katalanischen Regierungschef gewählt
Nach fünf vergeblichen Anläufen hat Katalonien einen neuen Ministerpräsidenten: Quim Torra. Mit der Mehrheit der Stimmen aus dem separatistischen Lager wurde der 55-Jährige am Montag zum Regierungschef gewählt und trat inzwischen sein Amt an. Torra ist überzeugter Nationalist und enger Vertrauter von Ex-Regierungschef Puigdemont.
Barcelona – tl. Man wäre geneigt zu sagen: Es ist vollbracht. So hat Katalonien fünf Monate nach der Regionalwahl im Dezember und im fünften Anlauf endlich einen neuen Regierungschef. Quim Torra heißt der Auserwählte – ein Separatist, wie er im Buche steht. Was indes nicht unbedingt Gutes für den weiteren Verlauf der Dinge in Katalonien verheißt.
Am Montag wurde der 55-Jährige im zweiten Wahlgang mit einfacher Mehrheit gewählt. 66 JaStimmen entfielen auf Torra, 65 Abgeordnete votierten mit Nein. Die vier CUP-Leute enthielten sich. Im ersten Wahlgang am Samstag, bei dem absolute Mehrheit nötig gewesen wäre, war Torra noch durchgefallen.
Angesichts des Zeitdrucks – bis zum 22. Mai musste eine neue Regierung stehen, sonst wäre eine Neuwahl in Katalonien fällig gewesen – hatte der abgesetzte Regierungschef Carles Puigdemont bei einem Treffen mit den Seinen von Junts per Catalunya in Berlin auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Aus der Zusammenkunft am Donnerstag vor einer Woche ging dann überraschend Quim Torra als Kandidat hervor. Der nunmehr vierte Bewerber – oder „Plan D“, wie es in Medien hieß.
Wer ist der Neue? Mit vollständigem Namen heißt er Joaquim Torra i Pla – und hat immerhin den Vorteil, dass er im Gegensatz zu den vorangegangenen Bewerbern um das Amt des Regierungschefs nicht von Ermittlungen der Justiz vorbelastet ist. Torra ist eigentlich Anwalt, Schriftsteller und Verleger. 20 Jahre lang war er für das Schweizer Versicherungsunternehmen Winterthur tätig.
Nach der Rückkehr nach Katalonien gründete Torra den Verlag „A contra vent“(Gegen den Wind). Unter anderem schrieb er das preisgekrönte Essay mit dem Titel „Eine unfreiwillige Reise in das unmögliche Katalonien“, das 2008 erschien und von der Arbeit katalanischer Journalisten in der Zweiten Republik handelte.
In den vergangenen Jahren stand Torra verschiedenen separatistischen Vereinigungen vor, darunter 2015 auch vorübergehend dem einflussreichen Kulturverein Ómnium Cultural, einer Hochburg des katalanischen Nationalismus. Zuletzt leitete Torra das Kultur- und Erinnerungszentrum Born in Barcelona.
Der neue katalanische Ministerpräsident ist ein politischer Quereinsteiger. Erst seit der Regionalwahl im Dezember sitzt er für die Liste Junts per Catalunya im Parlament in Barcelona. Torra gilt als enger Vertrauter von Puigdemont. Ihn betrachtet er weiterhin als den legitimen Ministerpräsidenten Kataloniens. So sieht sich Torra lediglich als dessen Stellvertreter. Auch Puigdemont spricht über Torra von einem „Ersatzkandidaten“.
Dass Torra sich selbst also nur als Übergangslösung betrachtet, wurde ihm prompt von der konservativen Presse vorgehalten. Eine „radikale Marionette“nannte ihn „El Mundo“. Andere wie „ABC“bezeichneten Torra als „Strohmann“. Weil Torra als erste Amtshandlung am Dienstag eine Reise nach Berlin zu Puigdemont unternahm, wird ihm diese Etikettierung wohl weiter anhaften.
Dem Neuen eilt zudem der Ruf eines separatistischen Hardliners voraus. Genüsslich verbreiteten Medien diverse Twitter-Sprüche aus den vergangenen Jahren. Darunter: „Die Spanier können nichts als plündern.“Oder: „Wir leben seit 1714 unter spanischer Besatzung.“Oppositionsführerin Inés Arrimadas von der liberalen Partei Ciudadanos warf Torra denn auch vor, er vertrete „eine Ideologie, die voll von Fremdenfeindlichkeit und Populismus“sei. Allerdings sind die Twitter-Sprüche längst gelöscht.
Derweil machte seine Regierungserklärung deutlich, dass nicht mit einem Ende des Konflikts mit der Zentralregierung in Madrid oder zumindest mit Entspannung zu rechnen ist. Er werde sich weiterhin „unermüdlich“für den Aufbau einer katalanischen Republik einsetzen, sagte Torra vor dem Parlament, und einen verfassungsgebenden Prozess einleiten, um das Votum aus dem Referendum umzusetzen. Madrid forderte er zu einem „Dialog ohne Bedingungen“auf.
Die Reaktionen ließen nicht auf sich warten: „Torra fordert den Staat heraus und verspricht mehr Separatismus“, titelte die linksliberale Zeitung „El País“. Während „ABC“schlicht von einer „Provokation“sprach. Ministerpräsident Mariano Rajoy gab sich salomonisch: „Was wir gesehen und gehört haben, hat uns nicht gefallen.“Man wolle Torra aber „an seinen Taten messen“.
Das gilt auch mit Blick auf die innerkatalanische Politik. Die linksradikale CUP, die mit Stimmenthaltung zwar die Wahl von Torra möglich gemacht hat, wird sehr genau beobachten, ob der Neue sein Versprechen zum Aufbau der Republik einhält. Aus Stimmenthaltung kann auch schnell ein Nein werden. Dann stünde Torra ohne Mehrheit im Parlament da.
Zwangsverwaltung zu Ende
Wie die Wahl der Person Torra mit der inzwischen eher pragmatischen Einstellung der Linksrepublikaner (ERC) im Katalonien-Konflikt erklärt werden kann, bleibt dagegen etwas rätselhaft. Hier dürfte die Aussicht auf ein Ende der Zwangsverwaltung Kataloniens nach Artikel 155 der Verfassung die ausschlaggebende Rolle für ein Ja zu Torra gespielt haben.
Wie auch immer: Mit Amtsantritt der neuen Regierung geht automatisch die Zwangsverwaltung Kataloniens zu Ende. So schreibt es die Verfassung vor. Allerdings gab Rajoy zu verstehen, dass beim geringsten Verfassungsverstoß Artikel 155 wieder angewendet wird. Darin ist sich Rajoy auch mit PSOE-Chef Pedro Sánchez einig, wie beide am Dienstag nach einem Treffen betonten.
In Berlin wiederholten Torra und Puigdemont am gleichen Tag bei einer Pressekonfrenz die Forderung nach Dialog mit Madrid. Am Abend erklärte sich Rajoy zu einem Treffen mit Torra bereit und sagte: „Ich werde ihm zuhören.“Eine Abspaltung Kataloniens stehe aber keineswegs zur Debatte. Wie ein Kompromiss aussehen könnte, bleibt aber weiter unklar.
Mariano Rajoy: „Was wir gesehen und gehört haben, hat uns nicht gefallen“