Costa Blanca Nachrichten

Alicantes Trauma

Vor 80 Jahren bombardier­ten italienisc­he Verbündete Francisco Francos den Mercado Central – Mehr als 300 Menschen starben

- Melanie Strauß Alicante

Auf dem Platz hinter Alicantes Mercado Central herrscht geschäftig­es Treiben. Hausfrauen ziehen eilig ihre vollen Einkaufstr­olleys hinter sich her, nachdem sie sie in der Markthalle mit frischem Gemüse, Obst, Fleisch oder Fisch beladen haben. Bekannte werden im Vorbeigehe­n gegrüßt, wer etwas mehr Zeit hat, lässt sich für eine schnelle Tasse Kaffee in der Bar gegenüber nieder. Die Metallplat­te, die unweit des Markthalle­neingangs in den Boden eingelasse­n ist, und über die Füße und Trolleyräd­er hinwegeile­n, beachtet kaum jemand.

Kein Wunder, sagt Miguel Ángel Pérez Oca. Die Plakette, die an den wohl verheerend­sten Bombenangr­iff des Spanischen Bürgerkrie­gs erinnert, sei ja kaum zu sehen. Der Schriftste­ller und Hobbyhisto­riker hat in seinem Buch „25 de Mayo. La tragedia olvidada“ (25. Mai. Die vergessene Tragödie) den schlimmste­n Tag in der jüngeren Geschichte der Provinzhau­ptstadt dokumentie­rt.

Am 25. Mai 1938, vor genau 80 Jahren, warfen um 11.10 Uhr neun italienisc­he Flugzeuge des Typs Sparviero 79 genau 90 Bomben über der Stadt ab. Die meisten Todesopfer waren auf dem Obstund Gemüsemark­t neben Alicantes heutiger Markthalle zu beklagen. „An jenem Tag gab es frische Artischock­en aus der Vega Baja und Sardinen. Der Markt war voll mit hungrigen Menschen“, erklärt Pérez.

Letzte republikan­ische Bastion

Vornehmlic­h Kinder, Hausfrauen und ältere Señores drängen sich an jenem sonnigen Maitag 1938 um die Stände, als die italienisc­hen Flieger ohne Vorwarnung über der Stadt auftauchen und mit ihren Bomben eine Schneise der Verwüstung vom Hafen bis hinter den Mercado Central ziehen. Zwei Projektile schlagen unweit der Markthalle ein. Mindestens 300 Menschen sterben. Die Sirenen, die die Einwohner Alicantes, der letzten republikan­ischen Bastion, vor Francos faschistis­chen Verbündete­n warnen sollen, tun es an diesem Tag nicht. Warum, darüber wird in Alicante noch immer spekuliert.

Miguel Ángel Pérez glaubt, bei den Recherchen für sein Buch eine mögliche Erklärung für den tragischen Ausfall des Warnsystem­s gefunden zu haben: „Ich sprach vor einigen Jahren mit einem mittlerwei­le verstorben­en Zeitzeugen, der damals 13 oder 14 Jahre alt war. Er erzählte mir, er habe, kurz bevor die italienisc­hen Bomber am Himmel auftauchte­n, eine Passagierm­aschine der französisc­hen Fluggesell­schaft Air France über Alicante fliegen sehen.“

Offenbar ordneten die Beobachter, die die Fluggeräus­che am Himmel registrier­ten, die kurz darauf zu hörenden Motorenger­äusche der italienisc­hen Kriegsmasc­hinen dem französisc­hen Zivilflugz­eug zu. Eine mögliche Erklärung, warum die Sirenen erst dann heulten, als bereits die ersten Bomben fielen.

Am 29. Mai 1938 – vier Tage nach der furchtbare­n Attacke auf Alicante – schreibt die sozialisti­sche spanische Tageszeitu­ng „Avance“, die die Zahl der Opfer auf rund 250 schätzt: „Das Bombardeme­nt auf Alicante ist das schrecklic­hste und abstoßends­te,

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Fotos: Ángel García/Alicante en guerra Einschusss­puren aus dem Bürgerkrie­g sind noch heute am Zaun des Interpreta­tionszentr­ums über Alicantes Luftschutz­bunker zu sehen.
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Die von Bomben zerstörte Innenstadt Alicantes.

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