AVE in Murcia: Kompromiss nach einem Jahr Dauerprotest der Anwohner und Regierungswechsel
AVE in Murcia: Kompromiss nach einem Jahr Dauerprotest und Regierungswechsel
Murcia – mar. Seit Mai 2017 protestierten Anwohner des Murcianer Viertels Santiago el Mayor jeden Abend, phasenweise versammelten sich zehntausende Bürger, um die Zerschneidung ihres Barrios durch die neue AVE-Trasse zu verhindern. Dabei kam es teils zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der massiv aufgefahrenen Nationalpolizei. Die PP-Regierungen in Murcia und Madrid zeigten dem Ansinnen der Bürger die kalte Schulter und taten die Bewegung als radikale Randalierer ab. Noch heute sind laut Auskunft von Joaquín Contreras, Sprecher der Bürgerbewegung, 40 Strafverfahren anhängig.
Politisierte Proteste
Die Bewohner fürchteten nicht nur eine Teilung ihres Viertels, sondern auch Gefahren für die vielen Schüler beim Überqueren der Gleisanlagen. Es bedurfte erst des Regierungswechsels in Madrid, um eine Änderung zu erreichen. Im Juli signalisierte das Verkerhsministerium Kompromissbereitschaft, in diesen Tagen wird der Beschluss durch einen Besuch des Ministers José Luis Ábalos offiziell gemacht: Der AVE wird unterirdisch in Murcia einfahren und nicht erst jahrelang über ein oberirdisches Provisorium.
Für die „Aufrührer“von Santiago el Mayor ist das aber nur ein Teilerfolg, denn sie wollen erreichen, dass der Hochgeschwindigkeitszug erst dann überhaupt nach Murcia kommt, wenn die gesamte Streckenführung, also auch die Ausfahrt aus der Stadt, unter der Erde verläuft.
Die PP-Regierung der Region Murcia hatte eigentlich geplant, die sechs Züge, die Murcia dann täglich mit dem AVE-Netz von und nach Madrid verbinden sollten, im Frühjahr 2019 über der Erde fahren zu lassen, eine Einweihung kurz vor den Kommunalwahlen hätte gut gepasst. Doch durch die Kehrtwende in Madrid verzögert sich die Ankunft des AVE um mindestens ein Jahr. 2017 begann der Bau des Tunnels, der bis dato 600 Meter vorankam, ruhte dann aber, weil man zunächst die Bauarbeiten für das Provisorium forcierte, die durch die Proteste verzögert wurden.
Murcias Regionalregierung will sich mit dem Zugeständnis an den Bürgerwillen nicht abfinden, „an- statt Anschluss ins 21. Jahrhundert zu finden, verbleibt Murcia bei der Infrastruktur des 19.“, sagte Regierungssprecherin Noelia Arroyo und beschwert sich, dass „wir über die Änderungen der Regierungspläne nur aus den Medien erfuh- ren“. Die regionale Opposition unterstellt der PP, sie wollte mit dem AVE und „übertriebenen Polizeieinsatz“ein Exempel gegen engagierte Bürger statuieren.
Die Verschiebung der Ankunft des Ave in Murcia soll keine Auswirkungen auf die Planungen in Cartagena haben, das sowohl über die Regionalhauptstadt als auch direkt über Alicante ans Netz kommen soll. Das fehlende Teilstück von rund 40 Kilometer soll ab 2019 gebaut werden, dann beginnt auch der Aus- und Umbau des Bahnhofs. Der Betrieb soll 2020 aufgenommen werden. Eine Zielstellung, an der allerdings selbst Optimisten zweifeln.
In Murcia betont Bürgersprecher Contreras indes, dass „wir wachsam bleiben werden“, denn man traue der Politik nicht mehr. Zur kommenden Feria werde man wieder eine Massenkundgebung organisieren, „um den Teilsieg zu feiern, aber den Menschen auch klar zu machen, dass sie nicht nachgeben dürfen“.
Am Starttermin 2020 zweifeln selbst die Optimisten