Costa Blanca Nachrichten

Rumäniens Union

Rumänien feiert am 1. Dezember 100 Jahre Marea Unire – Was das Jubiläum für Ausgewande­rte in Spanien bedeutet

- Stefan Wieczorek Alicante Trauma „Dekret 770“

Am 1. Dezember 1918 führte die Vereinigun­g mehrerer Gebiete zur „großen Union“Rumäniens. Zu der Jahrhunder­tfeier bieten die Rumänen an der Costa Blanca fröhliche Feiern und viel Kultur. Was sie herbrachte, wie sie klarkommen, ihrem Ruf trotzen und was das Schöne und Tragische an ihrem Land ist, erzählen sie in der CBN.

Matei Albu aus Alicante freut sich auf Dezember. Da hat er mit einer Deutschleh­rerin ausgemacht, den Unterricht für seinen Sohn Dragoș zu beginnen. So schließt sich für den 37-Jährigen ein Kreis. Denn als Kind hatte er eine deutsche Tagesmutte­r – in Rumänien. Albus Heimat feiert am 1. Dezember ein Jubiläum: 100 Jahre Marea Unire, die „ Große Union“, die 1918 das vereinte Rumänien entstehen ließ.

Eine Hauptrolle spielte das von Deutschen stark geprägte Transsilva­nien. Hier kam Albu 1981 zur Welt. „ Es gab nur drei Monate Mutterschu­tz. Meine Eltern fanden Ilse, die alle nur Pumpi nannten. Sie blieb mit mir, bis ich in die Schule kam“, erzählt Albu. „ Dank ihr ist mir das Deutsche sehr nah.“

Bis heute habe er Kontakt zur Frau, die er einst „ Mama“nannte. Sie sei längst in Deutschlan­d, wie die meisten Siebenbürg­er Sachsen, die jahrhunder­telang in Rumänien gelebt hatten. „ Die Deutschen in Rumänien hatten immer den Ruf, fleißig und anständig zu sein“, sagt Albu. So sei auch zu erklären, dass der aktuelle Staatspräs­ident ein Siebenbürg­er ist: Klaus Johannis. Der Liberalkon­servative war Bürgermeis­ter in Albus Heimatort Sibiu alias Hermannsta­dt. Nun ist er als Mann bekannt, der, ausgerechn­et zur 100-Jahres-Feier, mit der Staatsregi­erung im Clinch liegt.

Grund ist nicht nur der nationalis­tisch-europafein­dliche Kurs der Sozialiste­n, sondern auch ihre Verflechtu­ng mit der Vergangenh­eit. Nicht zuletzt wegen der Korruption­sskandale halten sie viele für direkte Nachfolger der Ära Ceaușes-

cu. Als Albu klein war, war sein Land weit weg von einer glänzenden Union. In vollem Gange war die kommunisti­sche Diktatur.

Unter den Tyrannen des 20. Jahrhunder­ts war das Diktatoren­paar Ceaușescu besonders brutal und unzurechnu­ngsfähig. Wie Andere predigte auch der „ Conducător“, Führer, Nicolae Ceaușes

cu den Kommunismu­s, und lebte selbst in Saus und Braus, umgeben von einem Personenku­lt, dem Viele noch heute verfallen sind.

Wie Andere betäubte er das Volk mit künstliche­r Vollbeschä­ftigung, Wohnungen und dem Nötigsten, und unterdrück­te die Minderheit­en, allem voran die Ungarn. Den Deutschen erlaubte Ceaușescu immerhin die Sprache – anders als der Kommunismu­s direkt nach dem Krieg, der ihnen Hab und Gut geraubt hatte. Doch dann verkaufte der „ Führer“230.000 von ihnen an die Bundesrepu­blik, wie Vieh, in der Aktion mit dem Namen „ Geheimsach­e Kanal“.

Am schwersten aber wog das Experiment „ Dekret 770“. Um ein großrumäni­sches Volk zu züchten, verbot der Diktator Frauen die Geburtenko­ntrolle. Eine Katastroph­e: Mütter trieben in illegalen Kliniken ab. Tausende Frauen starben. Missglückt­e Eingriffe brachten behinderte Kinder hervor, die mit anderen ungewollte­n Kindern in Heimen am Stadtrand landeten.

Kein Wunder wie der Mauerfall

Hier ist auch die Wurzel des Phänomens der Straßenkin­der zu suchen, das das Land bis heute nicht gelöst hat. Tausende junge Menschen leben in Bukarest in der Kanalisati­on – unweit des „ Palasts des Volkes“, den Ceaușescu baute, nach dem Pentagon das zweitgrößt­e Verwaltung­sgebäude der Welt.

Ein zweiter Grund für die streunende­n Rumänen, die dem Land so einen schlechten Ruf bringen, betrifft die Roma. Die litten nicht nur am Antizigani­smus des Diktators, sondern auch schon im Holocaust, als Rumänien, das im Krieg auf deutscher Seite stand, tausende in den Tod schickte. Dabei waren Roma in Rumänien bis 1856 noch Sklaven. Dass ihnen seitdem keine kulturelle Blüte gelang, lässt sich also nicht nur mit ihrer Lebensart erklären. Heute richten übrigens oftmals Zigeuner die verlassene­n deutschen Dörfer wieder auf.

Bei den Bettlern oder Landarbeit­ern aus Rumänien, die man in Spanien seit Jahren sieht, handelt es sich jedoch nicht immer um Roma. Viele Rumänen rutschten nach dem Fall des Diktators 1989 in die Armut. Ceaușescus Sturz vollzog sich nicht so friedlich wie die wundersame deutsche Wende.

Die Revolution in Rumänien war blutig. Die Sicherheit­spolizei schoss auf Zivilisten. Viele Tode blieben unaufgeklä­rt. Das Diktatoren­paar wurden live im Fernsehen

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Fotos: Ángel García Oana Sivu und Matei Albu wohnen in Alicante.
 ?? Foto: Parohia Ortodoxa Alicante ?? Rumänen feiern in orthodoxem Stil.
Foto: Parohia Ortodoxa Alicante Rumänen feiern in orthodoxem Stil.

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