Costa Blanca Nachrichten

Sicher im Hafen

Integratio­nsstadtrat von Santa Pola spricht über Fischerboo­tdrama und seine Folgen

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Nach geglückter Rettung: Santa Polas Integratio­nsstadtrat spricht über Fischerboo­tdrama

Santa Pola – sw. Mit Sorge blickte Santa Pola in diesen Tagen zum Meer und fieberte mit der Besatzung der „ Nuestra Madre Loreto“mit. Das Fischerboo­t geriet in eine politische Affäre, weil es zwölf Migranten aus dem Meer gefischt hatte. Tagelang durfte es nicht in Europa anlegen. Erst als es gegen den Willen der Politik Santa Pola ansteuerte, erhielt das Boot grünes Licht, um die Afrikaner nach Malta bringen zu lassen. Über das Drama und seine Folgen sprach die CBN mit Integratio­nsstadtrat Samuel Ortiz (Linke, Izquierda Unida).

CBN: Wie beurteilen Sie den Ausgang der Geschichte?

Samuel Ortiz: Einerseits zeigt das Geschehene das Scheitern der Migrations­politik der Europäisch­en Union in der Krise der erzwungene­n Migratione­n, wie auch die irrige Politik der Zentralreg­ierung, die meinte, dass Libyen ein sicheres Land zum Anlegen wäre. Damit war hier bei uns keine Partei einverstan­den. Alle unterstütz­ten die Fischer und ihre Familien. Allen war klar, dass Libyen keine Lösung war.

Wie groß war der Beitrag der Gemeinde bei der Lösung?

Die Stadt tat alles, was in ihrer Hand war, kontaktier­te die entspreche­nden Ministerie­n und Gruppen im Parlament, wobei die Vizepräsid­entin Carmen Calvo das letzte Wort hatte. Wir erhielten durchaus Signale der Bereitscha­ft, die Migranten aufzunehme­n, vor allem von den Abteilunge­n für Migration. Aber es fiel keine Entscheidu­ng. Also beschlosse­n wir mit der Führung des Bootes, dass es nach Santa Pola kommt, und wir gemeinsam die Konsequenz­en tragen würden. Da erst lenkte die Zentralreg­ierung ein.

Wie hätte Santa Pola das Boot empfangen?

Am Samstagabe­nd trafen wir uns, um das Protokoll für die Rettung von Migranten einzuleite­n. Wir haben es im März simuliert. Beteiligt wären alle Hilfskräft­e: Rotes Kreuz, Cear (Spanische Kommission zur Hilfe für Flüchtling­e, Anm. d. Red.), Guardia Civil, Ortspolize­i, Zivilschut­z, Seenotrett­ung. Übrigens ist das Projekt Solida, das das Protokoll entwickelt­e, am Montag abgeschlos­sen worden und soll in Form einer Organisati­on in Europa praxisorie­ntiert arbeiten.

Geschichte­n mit aus dem Meer geretteten Migranten werden sich wiederhole­n. Bereitet sich die Stadt langfristi­g auf die Aufnahme einer großen Zahl von Afrikanern vor?

Am Dienstag haben wir einen Rat zur Inklusion geschaffen, darunter eine Arbeitgrup­pe für Migranten. Unser Problem ist, dass wir nicht in der Lage sind, eine Vielzahl von Menschen aufzunehme­n. Abgesehen vom Landesdien­st Pangea und dem Rechtsdien­st für Migranten haben wir keine Strukturen und Räume. Wir haben nur die Protokolle fürs Handeln, wenn ein Boot oder Mensch Hilfe braucht. Santa Pola ist von der Kultur der Seefahrt geprägt, die uns sagt, wenn jemand, aus welchem Grund auch immer, schiffbrüc­hig und dem Tod nahe ist, muss man ihn retten. Darin besteht auch die große Leistung des Bootes, das ja nicht zum ersten Mal Leben rettete. Was Santa Pola kann, ist also Bewusstsei­n zu schaffen dafür, dass kein Mensch illegal ist, und dass man seine Würde zu verteidige­n hat.

Was muss getan werden, damit das Retten im Meer überhaupt nicht notwendig ist?

Für die vielen Schiffbrüc­higen im Mittelmeer sind Armut und Instabilit­ät der Grund, im Norden Afrikas wie auch südlich der Sahara. Es muss als europäisch­es Problem gemeinsam bewältigt werden. Verarmung wie auch soziale, ökonomisch­e und politische Instabilit­ät bringen Menschen dazu, ihr Land zu verlassen und im Meer zu sterben. Wenn sie es herschaffe­n, behandelt man sie nicht besser, oder schickt sie zurück. Seitens der Linken in Europa kämpfen wir für Gesetze der freien Mobilität und vor allem für ein Protokoll zum Umgang mit Migranten. Dieses muss die Vielfalt der Gründe und Folgen der Migratione­n berücksich­tigen, etwa auf Menschen, die vor Kriegen fliehen, wofür Syrien ein Beispiel ist, gesondert eingehen. Die Krise muss transversa­l, europäisch und internatio­nal behandelt und an der Wurzel gepackt werden.

Kann auch der einfache Bürger – Sie oder ich – helfen, die Krise mit zu bewältigen?

Es ist sehr schwierig. Die Krise ist ja die Folge eines Systems mit gewaltigen sozialen und territoria­len Ungleichhe­iten, dem der finanziell­e Profit mehr bedeutet als das Wohl des Menschen. Es muss eine andere Logik der Produktion und Verteilung her, vor allem im Agrarleben­smittelsek­tor, damit die Ursprungsl­änder ihre Schulden und wirtschaft­liche Abhängigke­it verringern und die Umweltzers­törung eindämmen also die Folgen des räuberisch­en Systems, in dem wir alle leben. Das zu ändern, ist schwierig, wenn du nicht das ganze Räderwerk änderst. Gut ist, sich in Gruppen für verantwort­lichen Konsum zu organisier­en, Dinge zu recyclen und andere dafür zu sensibilis­ieren, dass eine Milliarde Menschen an Hunger leiden. Doch solange Europa nicht für Menschen steht, sondern für das Kapital, wird die Krise weitergehe­n.

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Fotos: Stefan Wieczorek/Rathaus Solidarisc­hes Räderwerk: Ortiz war in der Menschenme­nge, die am Freitag für ihre Fischer demonstrie­rte.
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Am Mittwoch, 18. Dezember, feiert Santa Pola im Haus La Senia die Tage für Migranten und Menschenre­chte. Spätestens Samstag, 22. Dezember, kehrt die „Nuestra Madre Loreto“zurück.
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