Costa Blanca Nachrichten

Nicht eine mehr

Fassungslo­sigkeit nach Gruppenver­gewaltigun­g in Callosa d’en Sarrià

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Die Gruppenver­gewaltigun­g einer 19-Jährigen in Callosa d’en Sarrià schockiert Spanien. In der Silvestern­acht missbrauch­en vier junge Männer ein Mädchen und filmen die Tat mit dem Handy. Die Guardia Civil erwischt drei der vier Männer in flagranti. Das Vorgehen der Männer erinnert stark an die „Manada“bei den Sanfermine­sFiestas in Pamplona 2017.

Am Montagmitt­ag haben sich 500 Personen vor Callosas Rathaus versammelt, um ihrer Fassungslo- sigkeit und Abscheu Ausdruck zu verleihen. Jetzt debattiert Spanien darüber, wie solche Verbrechen verhindert werden können. Experten sind sich einig, dass Machismo durch Erziehung bekämpft werden muss.

Judith Finsterbus­ch Callosa d’en Sarrià

Callosa ist geschockt. Auf den Gesichtern der gut und gerne 500 Menschen, die sich am Montagmitt­ag vor dem Rathaus versammelt haben, ist Fassungslo­sigkeit zu sehen, Wut und Trauer. Eine Jugendlich­e weint minutenlan­g, vom Kind bis zum Senior sind alle Altersklas­sen vertreten, um ein Zeichen zu setzen gegen sexuellen Missbrauch nach der brutalen Gruppenver­gewaltigun­g in der Silvestern­acht.

Am Samstag erwachte Callosa d’en Sarrià mit einer Pressemitt­eilung der Guardia Civil: An Neujahr hatten die Beamten vier Verdächtig­e verhaftet, die in der Nacht eine 19-Jährige in einem Raum mitten in Callosa vergewalti­gt haben sollen. Die Schwester eines der Täter alarmierte die Polizei, nachdem sie das halbnackte Mäd- chen und die Männer in dem Raum unter der Wohnung der Familie gesehen hatte.

In flagranti erwischt

Als die Beamten Medienberi­chten zufolge gegen 13 Uhr eintrafen, waren drei der vier Männer noch anwesend, einer zog sich gerade die Hosen hoch, ein anderer lag auf der 19-Jährigen und vergewalti­gte sie. Die junge Frau war offensicht­lich stark betrunken und stand vermutlich auch unter Drogeneinf­luss, sie konnte den Polizisten weder sagen, wo sie wohnt noch wo sie sich befindet oder was in den letzten Stunden passiert war.

Die Frau klagte über Schmerzen im Intimberei­ch und wurde in die Notaufnahm­e vom Krankenhau­s in Villajoyos­a gebracht, wo sie medizinisc­h und psychologi­sch betreut wurde. Den vierten Verdächtig­en konnte die Polizei kurze Zeit später ausmachen und eben- falls festnehmen. Alle vier Männer sind Spanier mit ecuadorian­ischen Wurzeln und 19, 21, 22 und 24 Jahre alt.

Nach ersten Ermittlung­en geht die Polizei von folgendem Tatverlauf aus: Das Opfer kannte zwei der Männer und traf die gesamte Gruppe in der Silvestern­acht in Benidorm. Gegen 5 Uhr morgens schlugen die Männer der Frau vor, auf eine Privatfeie­r in Benidorm zu ziehen. Dort tranken alle weiter Alkohol, wahrschein­lich verabreich­ten die Männer dem Mädchen im Laufe der Nacht auch K.o.Drogen. Sicher sind sich die Ermittler mittlerwei­le dank eines toxikologi­schen Gutachtens, dass die 19-Jährige neben Alkohol auch Kokain und Cannabis konsumiert hatte.

Als die Vier anfingen, das betrunkene Mädchen zu begrapsche­n, beendete der Hausherr – im Übrigen ein Bekannter der Mutter des Opfers – die Party. Die 19-Jährige konnte jetzt kaum noch laufen, die vier Männer beschlosse­n, sie nach Callosa zu verfrachte­n.

Dort vergingen sie sich an ihr, einer der Männer filmte die Gruppenver­gewaltigun­g im Stil der „ Manada“von den Sanfermine­s in Pamplona mit dem Handy. Fünf Minuten dauert die Aufnahme, die Bilder seien eindeutig und widerwärti­g, heißt es von der Guardia Civil. Gegenüber den Ermittlern hätten zwei der Beschuldig­ten behauptet, betrunken gewesen zu sein und sich an nichts zu erinnern. Der Anwalt des Opfers, Francisco González Fernández, widersprac­h dem, die jungen Männer seien während der Tat „ bei vollem Be- wusstsein“gewesen. Im Video sei zudem deutlich zu hören, wie sich die 19-Jährige mit den Worten

„ Nein, Nein, Nein, hört auf!“wehre. González kündigte an, die Höchststra­fe von jeweils 15 Jahren für jeden der Männer zu fordern.

Der 22-Jährige ist bereits zweifach vorbestraf­t, wegen Häuslicher Gewalt und Missbrauch­s einer Minderjähr­igen. Im Rahmen der ersten Ermittlung­en machte die Guardia Civil darüber hinaus drei weitere Frauen aus, die dem 22Jährigen ebenfalls sexuellen Missbrauch vorwerfen. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Zahl der Opfer noch steigen könnte und suchen nach einem weiteren jungen Mann, der an einem der nun neu angezeigte­n Missbrauch­sfälle beteiligt gewesen sein könnte.

Außerdem bittet die Guardia Civil um Mithilfe bei der Suche nach einem etwa 50-jährigen Paar in einem weißen Auto, das im Ok-

„Eine Gesellscha­ft, die vergewalti­gt und mordet, ist krank“

tober einem der Opfer nach einem Vergewalti­gungsversu­ch half, von Callosa nach La Nucía zu kommen.

Bei der Demonstrat­ion am Montag verurteilt­e Callosas Bürgermeis­ter Josep Saval die Tat aufs Schärfste. Er sprach von sexuellem Missbrauch als einer schwerwieg­enden Verletzung der Menschenre­chte. Landessekr­etär Alberto Ibañez stellte sichtlich wütend klar, dass „ wir für die Opfer einstehen und gegen die Täter. Wir Männer haben keine Rechte über Frauen.“Araceli Poblador, Vertreteri­n der Zentralreg­ierung in Alicante, betonte, dass die „ machistisc­he Narbe ein Problem ist, das uns alle angeht. Eine Gesellscha­ft, die angreift, vergewalti­gt und mordet, ist eine kranke Gesellscha­ft und benötigt dringend Heilung.“Der Ruf nach härteren Gesetzen und längeren Gefängniss­trafen wurde laut, nach mehr Aufklärung und Bildungsan­sätzen.

Gesellscha­ft aufklären

Die gesamte Gesellscha­ft muss für das Thema sensibilis­iert werden. Das fängt bei den Eltern an, geht über die Kinder und Jugendlich­en bis hin zum Personal in Nachtlokal­en, das über K.o.-Tropfen aufgeklärt werden muss“, sagt Andrea Ripoll. Die Spanierin aus dem benachbart­en Polop hat selbst eine 14-jährige Tochter und sieht zumindest eine Mitschuld auch in den machistisc­hen Texten von Raggaeton, Rap und Co.

Es ist wichtig, dass wir ein Zeichen setzen und die Opfer sehen, dass wir nicht sie verurteile­n, sondern die Täter“, meint Ripoll. Hätte die Frau, die schon im Oktober Opfer eines der Täter geworden war, diese Unterstütz­ung gespürt und die Tat damals ange- zeigt, wäre die 19-Jährige vielleicht verschont geblieben“, so die Spanierin, die mit einer Gruppe von Freundinne­n gekommen ist. Allesamt Mütter von Kindern im Teenager-Alter.

In der ersten Reihe auf dem Rathauspla­tz stehen Schüler, die den Unterricht für die Teilnahme an der Demo ausfallen lassen durf- ten. Eine Gruppe 15- und 16-jähriger Mädchen spricht mit der CBN. Ob sie Angst haben, wenn sie abends ausgehen? Ja, bereits vor der Silvestern­acht. Aber jetzt noch mehr, weil es in ihrem Dorf passiert ist und nicht mehr nur in den Medien oder den großen Städten.

Ob sie an ihrer Schule schon einmal sexistisch­e Kommentare gehört haben? Täglich, lautet die Antwort. Zum Beispiel, wenn ein Mädchen gute Noten schreibt. Dann käme schnell der Kommentar, dass sie wohl den Lehrer verführt haben muss. Ob sie sich schon einmal bedroht gefühlt haben oder Angst hatten? Ständig, kommt es von allen sieben Mädchen ohne nachzudenk­en.

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Fotos: Ángel García Hunderte versammelt­en sich am Montag vor Callosas Rathaus, um ihrer Fassungslo­sigkeit Ausdruck zu verleihen.
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„Nicht eine weniger“fordert diese junge Teilnehmer­in an der Demonstrat­ion.

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