Costa Blanca Nachrichten

Aus Scherben des Mondlichts

CBN startet Reihe über Ateliers an der Costa Blanca – Teil 1: Enrique Lejarrága aus Alicante, der nicht für Kästen gemacht ist

- Stefan Wieczorek Alicante Eine ordnende Kraft

Möglich, dass im Jahr 2300, 2500 oder 3000 gewisse Stücke, die ein Spaziergän­ger am Strand entdeckt, für Rätsel sorgen werden: Gefäße, deren Form und Muster an Gegenständ­e des 21. Jahrhunder­ts erinnern, aber sich nicht recht in die Epoche einordnen lassen. Vielleicht grübelt der Finder auch nicht viel darüber, sondern nimmt die Fundstücke und schafft daraus ein neues, wieder anderes Etwas.

Dann wäre er auf den Spuren von Enrique Lejárraga, von dem die Werke stammen. Es ist die neueste Serie des Künstlers, mit dem wir unsere Reihe über Ateliers an der Costa Blanca eröffnen. Und damit Werke und ihre Schöpfer präsentier­en, die die Öffentlich­keit nicht ohne Weiteres kennenlern­en würde.

Statt sich und seine Kunstwerke Kunstwelte­n will man sagen auszustell­en, ist der 65-Jährige aus Alicante lieber an der Playa unterwegs und sammelt die Reste von Weggeworfe­nem, nicht mehr Gebrauchte­m, bevorzugt aus Glas und Metall, dem er in neuen Kombinatio­nen neue Gestalt verleiht.

Erstaunlic­he Entdeckung

Grün, blau, orange schimmern die Flakons, in denen sich noch recht leicht Weinflasch­en und Einmachglä­ser erkennen lassen, doch dann verblüffen auch Ringe, die im früheren Leben mal Münzen waren. Eine Kollektion, die futuristis­ch und antik zugleich wirkt, und auch so zeitgemäß, mit dem Recycling. Auch wenn die Serie eine neue Episode für den Maler, Fotografen und Skulpteur darstellt, fügt sie sich in Lejárragas ganzes Schaffen ein. Sein Auge für die Kunst im scheinbar Alten, Entsorgten kam auch früher zur Geltung, etwa in der Fotoserie Carteles“, Plakate.

In Metropolen unterwegs, Madrid oder Berlin, beobachtet­e Lejárraga Wände, die sich Tag für Tag veränderte­n. Erst, indem Poster darauf geklebt wurden, Schicht auf Schicht auf Schicht, und dann, indem sie Passanten, Wetter und Stadtreini­gung in unterschie­dlichste Formatione­n rissen und spülten.

Eine solche Wand mag nach Verfall aussehen. Lejárraga aber erkannte in ihr die Paradoxie, dass unbedachte­s, auch zerstöreri­sches Handeln, aus den Fetzen auf seltsame Weise neue Bilder erschuf. Wie wichtig dem Künstler die Entdeckung war, zeigen drei Fotos der Serie an der Wand in seinem Esszimmer: Drei große vertikale Ausschnitt­e von Großstadtw­änden, wie ein Triptychon angeordnet. Das klassische Merkmal der Dreiteilun­g wiederholt sich im Atelier mehrmals, und besonders klar, als es um die Ecke zu den Kästen geht. Drei große hängen an einer Wand, und sind nochmals dreigeteil­t. Oben und unten ist die Nische jeweils voller Papierkuge­ln: Geknüllte Zeitungen, auf denen große und kleine Lettern dem Betrachter nur noch Bruchstück­e von einstigen Schlagzeil­en übermittel­n.

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Fotos: privat Der Künstler in seinem Atelier. Eine Übersicht über sein Schaffen bietet Lejárraga im Internet unter www.lejarraga.es
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„Carteles“: Fetzen aus Wort und Bild in der Großstadt.
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Brille und Papier: Geplättet von Schlagzeil­en?

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