Aus Scherben des Mondlichts
CBN startet Reihe über Ateliers an der Costa Blanca – Teil 1: Enrique Lejarrága aus Alicante, der nicht für Kästen gemacht ist
Möglich, dass im Jahr 2300, 2500 oder 3000 gewisse Stücke, die ein Spaziergänger am Strand entdeckt, für Rätsel sorgen werden: Gefäße, deren Form und Muster an Gegenstände des 21. Jahrhunderts erinnern, aber sich nicht recht in die Epoche einordnen lassen. Vielleicht grübelt der Finder auch nicht viel darüber, sondern nimmt die Fundstücke und schafft daraus ein neues, wieder anderes Etwas.
Dann wäre er auf den Spuren von Enrique Lejárraga, von dem die Werke stammen. Es ist die neueste Serie des Künstlers, mit dem wir unsere Reihe über Ateliers an der Costa Blanca eröffnen. Und damit Werke und ihre Schöpfer präsentieren, die die Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres kennenlernen würde.
Statt sich und seine Kunstwerke Kunstwelten will man sagen auszustellen, ist der 65-Jährige aus Alicante lieber an der Playa unterwegs und sammelt die Reste von Weggeworfenem, nicht mehr Gebrauchtem, bevorzugt aus Glas und Metall, dem er in neuen Kombinationen neue Gestalt verleiht.
Erstaunliche Entdeckung
Grün, blau, orange schimmern die Flakons, in denen sich noch recht leicht Weinflaschen und Einmachgläser erkennen lassen, doch dann verblüffen auch Ringe, die im früheren Leben mal Münzen waren. Eine Kollektion, die futuristisch und antik zugleich wirkt, und auch so zeitgemäß, mit dem Recycling. Auch wenn die Serie eine neue Episode für den Maler, Fotografen und Skulpteur darstellt, fügt sie sich in Lejárragas ganzes Schaffen ein. Sein Auge für die Kunst im scheinbar Alten, Entsorgten kam auch früher zur Geltung, etwa in der Fotoserie Carteles“, Plakate.
In Metropolen unterwegs, Madrid oder Berlin, beobachtete Lejárraga Wände, die sich Tag für Tag veränderten. Erst, indem Poster darauf geklebt wurden, Schicht auf Schicht auf Schicht, und dann, indem sie Passanten, Wetter und Stadtreinigung in unterschiedlichste Formationen rissen und spülten.
Eine solche Wand mag nach Verfall aussehen. Lejárraga aber erkannte in ihr die Paradoxie, dass unbedachtes, auch zerstörerisches Handeln, aus den Fetzen auf seltsame Weise neue Bilder erschuf. Wie wichtig dem Künstler die Entdeckung war, zeigen drei Fotos der Serie an der Wand in seinem Esszimmer: Drei große vertikale Ausschnitte von Großstadtwänden, wie ein Triptychon angeordnet. Das klassische Merkmal der Dreiteilung wiederholt sich im Atelier mehrmals, und besonders klar, als es um die Ecke zu den Kästen geht. Drei große hängen an einer Wand, und sind nochmals dreigeteilt. Oben und unten ist die Nische jeweils voller Papierkugeln: Geknüllte Zeitungen, auf denen große und kleine Lettern dem Betrachter nur noch Bruchstücke von einstigen Schlagzeilen übermitteln.