Aus der Traum
Ein Bungalow in Torreta war einst das große Glück für Fernseh-Spanien – Ortstermin 30 Jahre danach
Ein Ferienhaus in Torrevieja war einst der Hauptpreis in der TVShow „ Un, dos, tres – responda otra vez“– das ganze Land freute sich über das Glück des kleinen Mannes. 30 Jahre später sind die Apartments alles andere als ein Traum. Sie sind verfallen, leer, besetzt oder warten auf den Investor.
Torrevieja – mar. „ Eins, zwei, drei... ein Apartment in Torrevieja!“Wenn Freitagnacht der Hauptpreis der TV-Show „ Un, dos, tres, responda otra vez“aufgedeckt wurde, jubilierte das Publikum, und das Gewinnerpaar fiel sich in die Arme, weinend vor Glück. Der Spruch wurde zum geflügelten Wort für den Traum des kleinen Mannes vom Platz an der Sonne. Die Show lief 1972 bis in die 90er. Der Erfinder, Narciso „ Chicho“Ibáñez, erlangte große Berühmtheit. Er verstarb am 7. Juni 84-jährig, was Medien zum Anlass nahmen, den einstigen Traumwohnungen in Torrevieja Besuche abzustatten.
Verfallen, leer oder besetzt
Der Weg führt in die Urbanisationen Torreta I+II zwischen rosa Lagune und Freizeitbezirk mit Carrefour und Habaneras-Center. Vor 40 Jahren begann hier Unternehmer Julio Quesada mit seiner spanienweit bekannten Manoli S.A. Siedlungen aus dem Boden zu stampfen. Billige, fix hochgezogene Bungalows in einer Gegend, die nicht einmal richtig erschlossen war, ringsum Melonenfelder und Brachen.
Der clevere Quesada stellte der TV-Show je eine Wohnung zur Verfügung und bekam dafür satte Werbung: jede Woche hörten Millionen von seinen Apartments und träumten noch nachts davon. Nicht in jeder Sendung wurde indes der Hauptpreis gezogen. Torrevieja, so erzählen Alteingesessene, hatte da noch einen anderen Ruf.
Nationale Prominenz urlaubte hier, selbst die Moderatorin der Show, Mayra Gómez-Kemp. Die Sendung lockte ganz Spanien an. Die Bungalows waren bescheiden, 50 Quadratmeter mit zwei kleinen Zimmern, Balkon zum Sonnen, manchmal ein kleiner Garten. Der Boom richtete städteplanerisch und ökologisch Spanien viel Schaden an, ja definierte sein Schicksal als Billigziel. Aber er demokratisierte die Urlaubsfreuden im Land, das unter Francos Planwirtschaft zu den Schlusslichtern Europas zählte. Familienväter, die einst kaum genug zu essen auf den Tisch bekamen, leisteten sich nun eine Zweitwohnung am Meer. Jedenfalls redeten die Banken ihnen das ein.
Heute sind viele der Häuser verfallen, leer, besetzt, oder warten auf einen „ Investor“. Vor der Finanzkrise 2008 verkauften sie sich für um die 120.000 Euro, sogar aus zweiter Hand und 30 Jahre alt, heute hängen sie als „ Renovierungsschnäppchen“für 30- bis 40.000 Euro in Schaufenstern der Immobilienmakler. Was die Journalisten von „ El Mundo“, „ El Español“und anderen in Torreta als pittoreskes Szenarium des Verfalls illustrieren, ist indes in großen Teilen von Torreviejas Zentrum und den älteren Urbanisationen Alltag.
Mit der Finanzkrise schnellte die Arbeitslosigkeit nach oben, Alteingesessene und Ausländer der ersten Stunde gingen, genauso Jugendliche. Neue Nachbarn kamen, auch zwielichtige Gestalten. Drogendelikte gehören zum Stadtbild wie Armut. Brüchiger Asphalt, Dreck, wilde Mülldeponien am Straßenrand, Flutschäden, Risse in Mauern fallen den Kollegen aus Madrid auf. Der Container des Sex-Shops Blue Pacific ersetzt sozusagen das Kulturzentrum. Es fehle nur ein Dornbusch wie im Western.
Torreta ist der Themenpark der Krise. Einen Gewinner der Show fand die Presse nicht. „ Dafür gibt es Ratten, groß wie Ihr Kopf“, ruft eine Nachbarin einem Reporter zu. Drogenverkauf auf offener Straße hätten sie heute, „ sowas gab es einst gar nicht“, sagt sie und erzählt nostalgisch von der „ kleinen, lustigen, eingeschworenen Gemeinschaft“, die Torreta gewesen sei. Philosophie aus dem Straßenverkehrsamt:
„ Torreta/Cementerio“(Friedhof) steht auf einem Schild. Als ob das noch einen Unterschied macht. Ein Revival der TV-Schau 2004 scheiterte kläglich. Ein, zwei, drei – der Traum ist vorbei.