Costa Blanca Nachrichten

Historisch­e Banalisier­ung: Wahlkämpfe­r treffen nicht immer richtigen Ton

Historisch­e Banalisier­ungen von Politikern heizen die Stimmung an – Aktion im Kino

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Madrid – ck. Überzogene Vergleiche und historisch­e Ungenauigk­eiten von Politikern häufen sich derzeit und zeigen, wie wenig eine Vergangenh­eitsbewält­igung in Spanien stattgefun­den hat und wie explosiv sich Franco-Anhänger und Gegner gegenübers­tehen. So fragte sich die konservati­ve Madrider Ministerpr­äsidentin Isabel Díaz Ayuso – erklärte Gegnerin des von den Sozialiste­n initiierte­n Gesetzes zur Historisch­en Erinnerung – im Landtag, was nach der Umbettung der sterbliche­n Überreste des Diktators Francisco Franco als nächstes käme. „ Werden dann wieder Kirchen angezündet, wie 1936?“

Zu Beginn des Bürgerkrie­gs haben die Republikan­er tausende Priester, Bischöfe und Nonnen getötet und Gotteshäus­er geplündert und abgefackel­t. Der Schriftste­ller Julio Llamazares kommentier­t:

„ Das Schlimmste ist nicht, was sie sagte, sondern dass sie es mit Unschuldsm­ine vom Blatt ablas.“Ayusos Worte waren keine spontane Erwiderung in einer Debatte, sondern schriftlic­h niedergele­gte und wohlüberle­gte Hetze, die vom Vizeminist­erpräsiden­ten Ignacio Aguado (Ciudadanos) auch noch unterstütz­t wurde.

Ähnlich schauerlic­h äußerte sich der Generalsek­retär der rechtspopu­listischen Partei Vox, Javier Ortega Smith, im spanischen Fernsehen. Er warf den „ 13 Rosas“genannten Widerstand­skämpferin­nen, die am 5. August 1939 – nach Bürgerkrie­gsende – hingericht­et wurden, vor, „ sie hätten niederträc­htig gefoltert, gemordet und vergewalti­gt“. Eine Verdrehung historisch­er Tatsachen, die Ortega Smith eine Anzeige der Vereinigun­g Trece Rosas eintragen wird, sofern er sich nicht entschuldi­gt.

Überzogen auch der katalanisc­he Ministerpr­äsident Quim Torra, der die U-Haft der katalanisc­hen Aktivisten mit der Verfolgung durch die Nazis gleichsetz­te. Bei einem Gedenkgott­esdienst im Kloster Montserrat zitierte Torra den deutschen Theologen und Widerstand­skämpfer Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), der wegen eines gescheiter­ten Attentats auf Hitler nach einem Scheinproz­ess gehängt wurde. In einem Brief aus dem Gefängnis 1943 flehte er: „ Heiliger Geist, gib mir Hoffnung, die mich die Angst vergessen lässt“– jede Gemeinsamk­eit mit katalanisc­hen Häftlingen 2019 ist reiner Zufall.

Währenddes­sen läuft in den Kinos der neue Film vom Erfolgsreg­isseur Alejandro Amenábar,

„ Mientras dure la guerra“(Solange Krieg ist). Reporter Jordi Évole schreibt darüber in „ La Vanguardia“, er zeige „ traurige Konflikte, mit denen wir immer noch leben“, und zieht Parallelen zum Vorwahlkam­pf, in dem das Wort España eine große Rolle spielt. Der Film handelt vom Disput zwischen dem Intellektu­ellen Miguel Unamuno und dem Franquiste­n und Gründer der Fremdenleg­ion José MillánAstr­ay am 12. Oktober 1936 in Salamanca. Eine historisch umstritten­e Episode. Am Donnerstag unterbrach die rechtsextr­eme Splitterpa­rtei España 2000 die Vorführung in einem Kino in Valencia mit franquisti­sche Parolen.

„ La Vanguardia“urteilt, dass die Tragödie des Bürgerkrie­gs in den vergangene­n Jahren zunehmend banalisier­t werde und 40 Jahre Demokratie aus rhetorisch­en und demagogisc­hen Gründen über Bord gekippt würden. Scheinbar haben die jungen Wohlstands-Politiker kein Interesse daran, über den Weg der Einigung Fortschrit­te für die Gesellscha­ft zu erzielen, die ihnen ihr Vertrauen geschenkt hat.

„Traurige Konflikte, mit denen wir immer noch leben“

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Foto: Archiv Vox-Mann Ortega muss wegen seiner Äußerungen gegen die „13 Rosas“mit einer Anzeige rechnen.

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