Ohne große Worte
Wie ein Deutscher in Calp Obdachlosen hilft – Freiwillige für langfristiges Projekt gesucht
Die Menschen neben sich nicht übersehen, sie nicht einfach in ihrem Unglück zurücklassen – davon handelt die Geschichte Kurt Böntgens. Der Deutsche hilft Obdachlosen in Calp, indem er umstandslos mit anpackt, die Menschen vor allem aber unterstützend begleitet. Er will sie damit motivieren, sich wieder selbst helfen zu können.
Calp – fin. Die Folgende ist eine Geschichte von Menschen, die übersehen werden. Von Menschen, die Hilfe brauchen, um sich selbst wieder helfen zu können. Und von einem Mann, der ihnen diese Hilfe gibt, ohne nachzudenken – obwohl er selbst nicht viel hat. Es ist die Geschichte der Obdachlosen in Calp und die Geschichte von Kurt Böntgen, einem Deutschen, der lieber anpackt als groß zu reden.
Seit drei Jahren lebt Dachdeckermeister Kurt Böntgen in Calp, bietet dort seine Dienste als Handwerker an und kauft meist im selben Supermarkt ein. Vor zwei Jahren fiel ihm ein Mann auf, der dort regelmäßig vor der Tür saß, und kurzerhand sprach Böntgen ihn an, fragte, ob er Hilfe braucht. „ Es stellte sich heraus, dass er Deutscher ist und auf einer alten Liege lebt. Bei Regen legte er eine Folie über sich“, sagt Böntgen. Für ihn war klar: Das geht so nicht, das ist unmenschlich und unwürdig.
Dach überm Kopf
Also packte er an, wie es nun mal seine Art ist. Hans Kloss heißt der obdachlose Deutsche, 65 Jahre alt, früher Maurer, seit 20 Jahren unterwegs, seit 17 in Spanien. Warum? Die Frau trennte sich, Kloss setzte sich auf sein Fahrrad, fuhr einfach davon, landete in Spanien. Und schließlich wurde jener Supermarkt zu seinem Stammplatz.
Kurt Böntgen beschloss, dass Hans Kloss so nicht weiter leben kann, und baute gemeinsam mit ihm hinter dem Supermarkt einen Verschlag. So hatte der 65-Jährige wenigstens ein Dach statt einer Folie über dem Kopf, Böntgen steuerte Campingstühle und -tisch bei, für ein wenig mehr Komfort. Doch hier endet die Geschichte nicht. „ Irgendwann beschloss die Supermarktleitung, dass Hans sein Lager räumen muss“, berichtet Böntgen.
Eine Lösung musste her, und zwar schnell. Dem Deutschen fielen die leerstehenden, verfallenen Häuser überall in Calp auf, um die sich niemand kümmert. Ein kleines Häuschen, eine Ruine, schien niemandem zu gehören. Versuche, den Besitzer ausfindig zu machen, scheiterten. Das Haus hatte nichtmal mehr Türen oder Fenster, das Innere war zerstört und zugemüllt.
Wieder packte Kurt Böntgen an. Gemeinsam mit Hans Kloss richteten sie das Häuschen in monatelanger Arbeit her. „ Es ging mir nicht darum, ihm die Arbeit abzunehmen, sondern ihn an die Hand zu nehmen“, erklärt Böntgen. Und so war es auch. Möbel beschafften die beiden Männer vom Sperrmüll, eine Seniorin steuerte ihre alte Küche bei. Auch ein Beet vor dem Haus legte Hans Kloss an. „ Das war ihm wichtig, es erinnerte ihn an den Garten in seinem früheren Zuhause“, sagt Böntgen.
Der Dachdecker nahm Kloss mit zum Friseur, besorgte ihm Kleidung aus zweiter Hand, schenkte ihm zum Geburtstag ein Fahrrad vom Flohmarkt. Mittlerweile hat der 65-Jährige sogar Arbeit gefunden, hilft hier und dort im Garten oder bei kleineren Arbeiten aus. Sein Pass wurde ihm vor Jahren gestohlen, auch darum kümmerte sich Böntgen. Nächstes Ziel: Ein Rentenbescheid.
Ein dauerhaftes Projekt
Irgendwann stellte sich heraus, dass das Häuschen doch einen Besitzer hat, die Sache liegt bei Gericht, Böntgen und Kloss hoffen auf eine Einigung mit dem Eigentümer. „ Wir wollen auf keinen Fall etwas Illegales tun und Häuser besetzen“, stellt der Deutsche klar. Sein großer Wunsch wäre aber, ein dauerhaftes Projekt zu schaffen, Gleichgesinnte zu finden, die ebenfalls helfen wollen. „ Vielleicht gibt es Menschen, die ungenutzte Immobilien zur Verfügung stellen möchten – natürlich immer für eine Gegenleistung“, sagt Böntgen. Auch Sachspenden seien willkommen oder einfach ein wenig Zeit zum Anpacken. Seine Idee ist simpel: Zwei oder drei Schritte gemeinsam gehen, damit der vierte alleine, auf eigenen Beinen klappt.
Denn Hans Kloss ist bei weitem nicht der einzige Obdachlose in Calp. „ Ich kenne mittlerweile mindestens 20“, sagt Böntgen. Zwei Mal in der Woche verteilt er Lebensmittel, die ihm Supermärkte überlassen. Und er spricht weiter Menschen an, die auf der Straße sitzen, mit der so einfachen Frage, ob er ihnen helfen kann. Warum er das tut? „ Weil mir morgen genau das Gleiche passieren könnte. Und wer hilft mir dann? Vielleicht sollte man da mal drüber nachdenken“, meint der 56-Jährige.