Hahn zugedreht
Ressourcenmangel und verschmutztes Mar Menor – Bauern wollen keine Sündenböcke sein
Mar Menor hat Vorrang: Bauern erhalten weniger Wasser und fühlen sich als Sündenböcke
Murcia – sg/mar. „ Beispielloser Angriff“, „ unverschämt“, „ unerträglich“, „ Tod der Landwirtschaft am Mar Menor“: Ein Beschluss des Umweltministeriums in Madrid bringt die Landwirte aus der Region Murcia, den Provinzen Alicante und Almería in Rage. Ihnen wird im Dezember das Wasser abgedreht. Ministerin Teresa Ribera Rodríguez (PSOE) entschied, dass lediglich 7,5 statt der geplanten 20 Kubikhektometer Wasser aus dem Tajo in das Überleitungssystem des Segura geleitet werden und dieses ausschließlich für Privathaushalte verwendet werden darf. Im zweiten Monat in Folge.
Ohne die seit über 40 Jahren betriebene Fernbewässerung über 300 Kilometer geht im Südosten Spaniens nichts, denn ausgerechnet im trockensten Teil des Landes installierte sich der „ Gemüsegarten Europas“, intensivste Landwirtschaft und Existenzgrundlage für einen Großteil der Bevölkerung. Das Ministerium, das vom Wasserwirtschaftsamt CHS und den Bewässerungsgemeinschaften (Regantes) zwar Empfehlungen und Anträge annimmt, aber die letzte Entscheidung selbst trifft, reklamiert Wasserknappheit und den desolaten Zustand des Mar Menor.
Der zweite Grund, den Ministerin Ribera angab, ist neu und bringt die Bauern so richtig auf die Palme. Das Binnenmeer ist nach stetiger Verschmutzung unter anderem mit salz- und nitrathaltigen Abwässern aus den Anbaufeldern im Campo de Cartagena in einem ökologisch katastrophalen Zustand. Das letzte schwere Unwetter im September, das mit dem Schlamm weitere Schadstoffe in die Lagune spülte, verschärfte die Situation. Die Regenerierung des Mar Menor habe Priorität, hieß es.
Die Gemeinschaft der Regantes aus Murcia, Alicante und Almería (Scrats) und politische Gegner laufen Sturm, sie sehen in der Begründung eine unsachliche, pauschale Schuldzuweisung. Sie würden sozusagen in Sippenhaft für jahrzehntelange politische Verfehlungen am Mar Menor genommen. Dabei sei nicht nur diese Region von der Schließung des Kanals betroffen, sondern auch viel größere Anbaugebiete im Valle del Guadalentín, in der Vega Baja in Alicante oder in Almería, die absolut gar nichts mit der Situation am Mar Menor zu tun hätten, hieß es. Allein in Elche könnten einem Bericht der Zeitung „ Información“zufolge nun 26.000 Hektar nicht mehr bewässert werden.
Geheimer Plan der Sozialisten?
Scarts-Präsident Lucas Jiménez kündigte Proteste an und drohte, die Gebühr von zwölf Millionen Euro pro Jahr für die Nutzung des Kanals nicht zu bezahlen. Die Maßnahme bedeute das Aus für die Bauern im Campo de Cartagena und lege die Landwirtschaft an der Levante-Küste lahm, sagte er. Die Landesregierung von Murcia hat bereits Beschwerde beim Verwaltungsgericht eingereicht.
Auch die rechtsextreme Partei Vox bezog Stellung und unterstellte dem Umweltministerium, unter dem Vorwand, das Mar Menor zu schützen, den geheimen Plan zu verfolgen, den Tajo-Segura-Kanal endgültig zu schließen. Angedacht wird das von Teilen der Linken angesichts des Klimawandels durchaus. Einen denkwürdigen Vergleich stellte der Verband Proexport der Obst- und Gemüseexporteure Murcias an: Es würden ja auch keine Straßen gesperrt werden, weil Autofahrer zu schnell fahren, oder Flughäfen geschlossen, weil Flugzeuge umweltschädlich seien, hieß es dort.