Urlaub mit Hindernissen
Der Verleger Georg Stein und seine Frau Barbara kamen am 13. März in Málaga an – Einen Tag vor Inkraftreten ces Notstands
Georg Stein vom Palmyra-Verlag in Heidelberg hat schon alle möglichen Abenteuer erlebt. Im September 1990 ist er beispielsweise nach Bagdad geflogen, um Yassir Arafat, den Vorsitzenden der Palästinensischen Befreiungsorganisation und Friedensnobelpreisträger, für den „ Stern“und die „ Zeit“zum Golfkrieg zu interviewen. Doch was ihm und seiner Frau Barbara auf ihrer Andalusien-Reise gerade passiert ist, das war auch für den lebenserfahrenen Verleger Neuland.
Den Urlaub mit dem Auto hatten die Steins seit Oktober vergangenen Jahres liebevoll vorbereitet. Sie studierten ganz klassisch unzählige Reiseführer und frischten auch die rudimentären Spanischkenntnisse wieder auf. Zu Beginn der Reise lief alles bestens: Nach ein paar Tagen Aufenthalt in der Camargue, Zwischenstopps in Cadaqués, Figueres, Tosa de Mar, Peñiscola und einem Abstecher nach
Portbou in der Provinz Gerona, wo der deutsche Philosoph Walter Benjamin sich auf seiner Flucht vor den Nazis 1940 das Leben nahm und begraben liegt, erreichten die Steins am 13. März Málaga, den Ausgangspunkt für ihre Andalusien-Tour.
Doch die Koinzidenz, dass dieser 13. auf einen Freitag fiel, sollte sich als schlechtes Omen erweisen. Schon unmittelbar nach ihrer Ankunft wurden die Steins von ihrer Vermieterin über die bevorstehende Ausgangssperre informiert, die von der spanischen Regierung wegen der Coronavirus-Krise verkündet worden war. „ Das war ein echter Schock“, gesteht Stein bei einem Telefongespräch am ersten Tag der Ausgangssperre. Denn langsam sickerte ins Bewusstsein, dass der ausgerufene Notstand die Reise- und Freizeitpläne unweigerlich torpedieren würde. „ Jetzt sitzen wir in unserem herrlichen Apartment in Pedregalejo direkt am Meer und dürfen nicht an den Strand. Optimistisch wie wir nun mal sind, versuchen wir das Beste aus der Situation zu machen, schauen uns das Meer und den Strand vom Balkon aus an, gehen in den Supermercado und dann brav wieder nach Hause“, berichtet Stein. Am Sonntag hätten sie sogar noch versucht, zu Fuß ins Zentrum von Málaga zu gelangen, mit dem Ergebnis, dass sie nach einer halben Stunde unmissverständlich von der Polizei aufgefordert wurden, ihr Apartment aufzusuchen. Nach dem fehlgeschlagenen Versuch hatten sie noch kurz überlegt, einfach mal mit dem Auto in die Stadt zu fahren, doch auch davon nahmen sie Abstand. Aus Angst davor, dass dies sanktioniert werden oder gar zur Konfiszierung des Autos führen könnte.
Eigentlich sollte die Reise der Steins sieben Wochen dauern. Vor allem wollten sie Andalusien erkunden, um dann über Portugal und Nordspanien zurück nach Deutschland zu fahren. Als Verleger mit dem Schwerpunkt Nahost und arabische Welt wollten sie sich vor allem Granada und Córdoba anschauen. Da aber auch Musik im Palmyra-Verlag eine wichtige Rolle spielt und Paco Lucía ein Vorwort ,für ein FlamencoBuch beisteuerte, sollte es auch nach Cádiz und Algeciras gehen. Doch daraus wurde nichts. Bereits am Dienstag, dem zweiten Tag der Ausgangssperre, kündigte Stein
Vermieterin informierte über Ausgangssperre: „Das war ein Schock“
per Whats App an, dass sie schweren Herzens am nächsten Tag nach Deutschland zurückkehren würden. Besonders, weil alle davon ausgingen, dass sich die Situation weiter verschärfen werde. „ Wir checken permanent das Internet, rufen die Botschaft in Madrid an, informieren uns beim Generalkonsul und dem Auswärtigen Amt in Berlin und erhalten dauernd WhatsApp-Nachrichten mit guten Ratschlägen von Gott und der Welt“, lässt Stein wissen.
Rückfahrt wurde Odyssee
Am Mittwoch, 18. März, um 6 Uhr, dem dritten Tag der Ausgangssperre, starteten die Steins in ihre ungewisse Rückfahrtodyssee. Im Vorfeld auf der Strecke ein Hotel zu reservieren, hatte sich als schwierig erwiesen. Doch zum Glück fanden sie in Figueres schließlich doch noch einen Übernachtungsplatz. Was ansonsten auf der Reise passieren würde, stand jedoch in den Sternen. Nach ihrer Abreise sendeten die CoronavirusFlüchtlinge von Zeit zu Zeit per WhatsApp kurze Eindrücke.
„ Ganz Spanien ist krass“, schreibt Stein kurz vor Valencia. „ Ohne Probleme in Frankreich eingereist, sind in der Nähe von Montpellier“, meldet er knapp 20 Stunden später. Am Donnerstag gegen 18 Uhr kommt noch eine letzte Meldung: „ Sind gut durchgekommen, stehen jetzt an der deutschen Grenze im Stau.“Mitgeschickt wurde ein heiteres Puppentheaterstück über das Coronavirus aus der WDR-Fernsehsendung mit Christin Westermann und Götz Alsmann. Danach war erst einmal Sendepause. Doch zwei Tage später – die Steins hatten sich mittlerweile in Absprache mit dem Gesundheitsamt eine 14tägige Selbst-Quarantäne auferlegt
–, kam ein ausführlicher Reisebericht in der Redaktion an.
Die Rückfahrt durch Spanien und Frankreich sei trotz aller vorherigen Bedenken absolut problemfrei verlaufen, informiert Georg Stein. Auf der gesamten Strecke über Granada, Jaen, Valdepeñas, Valencia, Barcelona und Figueres habe es nicht eine einzige
Kontrolle gegeben. Kein einziges Polizeifahrzeug sei auf dieser immerhin 1.150 Kilometer langen Route zu sehen gewesen – und das trotz des Ausgeh- und Bewegungsverbots.
Auf den Raststätten habe es allerdings nur so eine Art Notverkauf gegeben. Aber es wurde Kaffee serviert, die Klos waren geöffnet. Womit sich Stein auf einen Kommentar auf der Costanachrichten-Website bezieht, in dem ein erboster Leser sich darüber empört hatte, dass er und seine Frau auf ihrer Rückreise im strömenden Regen ein Gebüsch hätten aufsuchen müssen, weil die Autobahntankstellen ihre Toiletten geschlossen hielten. Was vermuten lässt, dass auch die Tankstellenbetreiber zu Beginn des Notstands ungemein verunsichert waren. Wie die meisten anderen Menschen in Spanien.
Dem Coronavirus-Stress zu entkommen, war allerdings nicht möglich. Die spanische Regierung erinnerte alle Verkehrsteilnehmer an die Pandemie, in dem sie die aktuellen Zahlen der Infizierten und Toten regelmäßig über die Anzeigentafeln der Autobahnen flimmern ließ. „ Das hat schon irgendwie nach Abschreckung oder Einschüchterung ausgesehen“, meint Stein.
Ein „ total beeindruckendes“Erlebnis durften die Steins dann in ihrem Hotel in Figueres vom Balkon aus erleben: Um 21 Uhr starteten die Anwohner ein lautes Topfschlagen als Protest gegen das spanische Königshaus und als Antwort auf den derzeitigen Skandal um den früheren König Juan Carlos. Rufe wie „ Corona ciao“seien zu hören gewesen. Aber es wurde auch geklatscht, ein Dank an die vielen Personen in Krankenhäusern und an anderen Plätzen, die gegen das Virus kämpfen. Das Hotelrestaurant war geschlossen, doch die vom Lieferservice gebrachte Pizza und der Wein schmeckten lecker. „ Parallel dazu lief in der ARD Merkels „ große“Rede an die Nation – irgendwie skurril“, findet Stein.
Um mögliche Komplikationen bei der Fahrt durch Frankreich zu minimieren, setzte das Ehepaar am nächsten Morgen schon um 6.30 Uhr die Reise fort. Und dann kam das Überraschendste und Erfreulichste: weit und breit kein Stau an der Grenze. Kein einziger spanischer oder französischer Polizist in Sicht.
Das war einfach unglaublich nach all dem Gedöns vorher“, konstatiert Stein. Lediglich an der ersten Autobahn-Mautstelle hätten nach einigen Kilometern einige Polzisten gestanden, die sie aber
„ sans problème“weiterließen. Auch die Fahrt durch das Risikogebiet Elsass verlief ohne Hindernisse. Erst an der Grenze zu Deutschland kam der etwa fünf Kilometer lange Lkw-Stau, nach knapp zwei Stunden war auch dieser überstanden. „ Dass wir die Reise abbrechen mussten, hat uns sehr enttäuscht. Wie sehr hatten wir uns auf Granada, Málaga, Sevilla, Córdoba und Lissabon gefreut, aber wir werden das nachholen“, meldet das Paar gut gelaunt aus ihrem häuslichen Quarantänedomizil im schönen Heidelberg.
Vermieterin informierte über Ausgangssperre: „Das war ein Schock“