Protest unter Flagge
Vox ruft zu massiven Protesten gegen die Regierung und das Notstandsdekret auf
Freiheit skandiert: Tausende folgen Aufruf von Vox und demonstrieren gegen Regierung
Madrid – dpa/sk. Tausende Menschen haben bei Kundgebungen gegen die Anti-CoronavirusMaßnahmen den Rücktritt des sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez gefordert. In Madrid und vielen anderen Städten des Landes folgten die Demonstranten am Samstag mehrheitlich in Privatfahrzeugen dem Aufruf der rechtspopulistischen Partei Vox. Nach Schätzung der Behörden waren es circa 15.000 Menschen in rund 6.000 Autos und auf Motorrädern, die allein in der Hauptstadt demonstrierten.
Massenprotest gegen eine gescheiterte Regierung“, titelte die konservative Zeitung ABC“am Sonntag auf Seite eins. Die linksliberale Presse beurteilte den AutoProtest gegen die Maßnahmen der Regierung, der insbesondere in Madrid in einem gigantischen Stau mündete und in vielen anderen Städten eher und wenn überhaupt an einen Sieg der Fußballnationalmannschaft erinnerte, natürlich aus einem anderen Blickwinkel: Die Bilder muteten an wie eine Demonstration für die unbeschränkte Verbrennung fossiler Brennstoffe“, schrieb die Zeitung El País“.
In der Calle Serrano ging vor lauter Autos wirklich gar nichts mehr. Laufende Motoren bei 30 Grad im Schatten für alle Teilnehmer mit Ausnahme der Cabriolet-Fraktion muss der Ausdruck ihrer patriotischen Gefühle eine schweißtreibende Anstrengung gewesen sein. Das ist beeindruckend, so etwas hat man seit dem Sieg der Weltmeisterschaft nicht mehr gesehen. Die Leute sind in den Straßen und üben mit viel Freude ihr Recht auf Protest aus“, sagte Vox-Sprecher Iván Espinosa de los Monteros.
Überall wurden spanische Fahnen geschwenkt und Slogans wie
Freiheit, Freiheit, Freiheit!“und
Rücktritt Sánchez!“skandiert. Es gab laute Hupkonzerte und viele riefen immer wieder Viva España“. Man scheute nicht einmal davor zurück, mit dem Evergreen Libertad“von Nino Bravo den Protest zu beschallen.
Regierungschef Pedro Sánchez (PSOE) reagierte gelassen: Ich habe dazu wenig zu sagen. Demonstrieren ist ein verfassungsmäßiges Recht.“Sánchez betonte aber, die Demonstranten müssten immer die zur Eindämmung der Pandemie beschlossenen Auflagen einhalten.
Vox, die drittstärkste Fraktion im Parlament, wirft der linken Regierung vor, mit dem Notstandsdekret und Deeskalationsplan Spanien wirtschaftlich in den Ruin“zu treiben und außerdem die Freiheiten der knapp 47 Millionen Bürger illegal einzuschränken. Diese Vorwürfe erhebt auch die größte Oppositionspartei, die konservative Partido Popular (PP), die ihre Anhänger aber nicht zur Teilnahme an der Kundgebung aufrief. PP-Vizesekretärin Ana Beltrán sagte aber, man unterstütze friedliche Proteste gegen die Regierung, weil die Menschen es satt haben“.
Madrid war das Epizentrum der Proteste. Hunderte Autos und Motorräder, aber auch viele Demonstranten, die zu Fuß unterwegs waren und die Corona-Abstandsregeln nicht einhielten beziehungsweise einhalten konnten, füllten das Zentrum der Hauptstadt. Mehrere wichtige Straßen wurden nach Medienschätzungen über eine Distanz von rund zwei Kilometern blockiert. An der Spitze der Demo fuhr Vox-Chef Santiago Abascal mit Parteikollegen im offenen Bus. Wir werden unsere Freiheit wieder erlangen!“, rief Abascal in einer Rede. Proteste, wenn auch kleineren Ausmaßes, gab es unter anderem auch in Metropolen wie Barcelona, Sevilla und Valencia.
Kein Aufstand des Bürgertums
Von einem Aufstand der normalen Leute“oder des Mittelstands in ganz Spanien konnte aber keine Rede sein. Außerhalb Madrids erreichten die Teilnehmerzahlen oft nicht mehr als 100 Personen. Selbst das erzkonservative Bürgertum, das Vox ja mobilisieren wollte, dürften manche Bilder wie faschistische Franco-Grüße etwa in Marbella bei aller in einem demokratischen Gesellschaft wichtigen und berechtigten Kritik eher befremdet haben.
„Die Bilder erinnern an eine Demonstration für die unbeschränkte Verbrennung fossiler Brennstoffe“