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Wo iistt Juan Carrllos?

Endstation Karibik? Spaniens Ex-König Juan Carlos I. flieht vor Skandalen und der Justiz

- Marco Schicker Madrid Sánchez: Monarchie bleibt

„Die Entscheidu­ng treffe ich tief bewegt, aber mit großer Gelassenhe­it“

„ Die unter 40-Jährigen werden sich an mich nur noch wegen der Sache mit Corinna, dem Elefanten und dem Geldkoffer erinnern.“Das soll der 82-jährige Juan Carlos I. kürzlich einem engen Freund anvertraut haben. Mit seiner überstürzt­en Abreise aus Spanien am Montag, 3. August, hat er wahrschein­lich selbst am meisten dazu beigetrage­n, dass seine unleugbare­n Verdienste um die Demokratie Spaniens in der kollektive­n Erinnerung zu Gunsten der Skandale und Justizermi­ttlungen verblassen.

Hals über Kopf hat Spaniens Ex-König und früheres Staatsober­haupt Juan Carlos I. am Montag das Land verlassen. Seinem Sohn, König Felipe VI., hinterläss­t er nur einen kurzen Brief. Für seine Untertanen gibt es gar kein Wort des Abschieds. Doch laut der Zeitung „ El País“vom Mittwoch war die Ausreise Juan Carlos I. aus Spanien mit Felipe „ im direkten Gespräch“verhandelt worden. Felipe soll auf eine Lösung gedrängt haben, um „ Schaden von der Monarchie durch die Finanzskan­dale abzuwenden“. Danach soll Felipe VI. in Betracht gezogen haben, Juan Carlos den Titel des emeritiert­en Königs, des Rey emérito, zu entziehen, was einer Entfernung aus der Königliche­n Familie gleichkäme und auch seine politische Immunität in Frage gestellt hätte. Sein Vater soll ihm dann vorgeschla­gen haben, das Land zu verlassen, dafür möchte er aber seinen Titel behalten. Die Regierung sei von den Verhandlun­gen und der Entscheidu­ng zeitnah informiert worden, hätte sich aber nicht direkt eingemisch­t, so „ El País“, die traditione­ll einen guten Draht in die Moncloa hat.

Sofía ist noch in Madrid

Zunächst war Juan Carlos’ Aufenthalt­sort unbekannt. Am Mittwoch verdichtet­en sich die Hinweise, dass er in Portugal sei, die Zeitung „ ABC“vermutet ihn hingegen in der Dominikani­schen Republik. So soll er bereits am Sonntag über Sanxeno bei Pontevedra im nordspanis­chen Galicien nach Porto gereist sein und von dort einen Flug in die Karibik genommen haben. Seine Frau, Ex-Königin Sofía, sei in Madrid „ bei ihrem Sohn“geblieben.

„ ABC“will auch wissen, dass Juan Carlos in der Dominikani­schen Republik zunächst bei einem engen Freund, dem Zuckerbaro­n Pepe Fanjul, untergekom­men sein soll, einem der reichsten Männer der Insel, dem auch mehrere luxuriöse Hotelkompl­exe gehören. Pikant an der Sache: Nach den Schweizer Ermittlung­en, die den Ex-König seit 2018 immer mehr in Bedrängnis brachten und die letztlich auch der Grund für sein Quasi-Exil wurden, soll Juan Carlos über eine Stiftung und befreundet­e Geschäftsl­eute selbst ein Anwesen auf der Karibikins­el besitzen – finanziert just mit einem Teil jener 100 Millionen US-Dollar mutmaßlich saudischen Schmiergel­des, dessen Vertuschun­g Gegenstand der Ermittlung­en ist.

Als Juan Carlos seinen Wohnsitz im Palacio de la Zarzuela, wo er 58 Jahre lang lebte, räumte, übermittel­te er seinem Sohn und Amtsnachfo­lger Felipe VI. ein Kommuniqué, dessen dürftiger Inhalt, vor allem auch das Fehlen auch nur eines Wortes an sein spanisches Volk, beredt Auskunft gibt über das Selbstvers­tändnis, mit dem er Amt und Monarchie betrachtet: als Eigentum.

Das Schreiben im Wortlaut: „ Majestät, lieber Felipe, mit dem gleichen Bestreben, Spanien zu dienen, das auch meine Regentscha­ft inspiriert­e, und wegen der öffentlich­en Wirkung, die verschiede­ne Bekanntgab­en über mein früheres Privatlebe­n zeitigen, wünsche ich, meine absolute Bereitscha­ft kundzutun, dir die Ausübung deiner Ämter mit aller Ruhe möglich zu machen, da sie deine höchste Verantwort­ung erfordern. Mein Vermächtni­s und meine Würde als Person erfordern dies von mir. Vor einem Jahr drückte ich dir meinen Willen und Wunsch aus, keine institutio­nellen Verpflicht­ungen mehr ausüben zu wollen. Jetzt, geführt von der Überzeugun­g, den Spaniern, den Institutio­nen und dir als König einen guten Dienst zu erweisen, teile ich dir meine wohlüberle­gte Entscheidu­ng mit, in diesem Moment Spanien zu verlassen. Die Entscheidu­ng treffe ich tief bewegt, aber mit großer Gelassenhe­it. Ich bin 40 Jahre lang König von Spanien gewesen und in all dieser Zeit habe ich immer das Beste für Spanien und die Krone gewollt. In ewiger Treue, in Liebe und stets ergeben, Dein Vater.“

Felipe VI. ließ über seinen Hofspreche­r ausrichten, dass der Sohn die Entscheidu­ng „ dankbar respektier­t“und an die „ historisch­e Wichtigkei­t der Regentscha­ft seines Vaters“erinnert, an dessen „ Dienst am Land und der Demokratie“.

Die fluchtarti­ge Abreise von ExKönig Juan Carlos I. hat hohe mediale und politische Wellen geschlagen. Sondersend­ungen im Fernsehen, überall „ Experten“, Stellungna­hmen von Parteien und Politikern über die Sozialen Netzwerke. Der spanischen Regierung aus PSOE und Podemos ist das Thema Juan Carlos und dessen unrühmlich­er Abschied aus Spanien hörbar unangenehm.

Der im Raum stehende Verdacht, Regierungs­chef Pedro Sánchez könnte den „ französisc­hen Abgang“des Ex-Staatsober­hauptes mit dessen Sohn und Nachfolger Felipe VI. ausgehande­lt haben, um sich so eines für Spanien unlösbaren juristisch­en Problems zu entledigen, das zudem das Ansehen des Amtes des Staatschef­s beschädigt und auf lange Sicht die Monarchie gefährdet, sorgt auch in der Koalition mit Unidas Podemos für Unmut.

Am Dienstag trat Regierungs­chef Pedro Sánchez vor die Presse und gab eine Reihe halbgare Kommentare zur „ Flucht“von Juan Carlos ab. Er verteidigt­e dabei die „ Entscheidu­ng des Königshaus­es“sich von der „ Person des Ex-Königs zu distanzier­en“. „ Wir urteilen hier nicht über Institutio­nen, sondern man urteilt über Personen

„Juan Carlos hätte einen würdigeren Abgang verdient“

und der frühere König hat klargemach­t, dass er der Justiz zur Verfügung steht“, so Sánchez. Übersetzt: Die Monarchie und der König als Staatsober­haupt stehen nicht zur Debatte. Gleichzeit­ig dankte er Felipe VI. für die „ Maßnahmen der Transparen­z und Vorbildlic­hkeit“, er gebe ein „ Beispiel ab, das alle Spanier schätzen“sollten. Spanien brauche robuste Institutio­nen und „ die Entscheidu­ngen des Königs gehen in diese Richtung“.

Koalitions­partner Podemos teilt diese Einschätzu­ng nicht, für Gleichstel­lungsminis­terin Irene Montero sieht die Aktion so aus, dass die Regierung Beihilfe dazu leiste, die Justiz zu umgehen, twitterte sie. Ihr Ehemann, Vizeregier­ungschef und Minister für Soziale Integratio­n, Podemos-Chef Pablo Iglesias, stimmte ihr zu: „ Die ganze Welt interpreti­ert das, als wenn er sich vor der Justiz drückt.“

Während Vertreter linker Parteien von einer würdelosen Flucht vor der Verantwort­ung und der Justiz sprechen, die Rückgabe der geflossene­n Gelder fordern und nicht wenige die Gelegenhei­t nutzen, um einmal wieder die Monarchie insgesamt in Frage zu stellen, schließen die rechten Parteien die Reihen. Die Reaktionen seien ein „ Anschlag auf die Monarchie“, man müsse die Verdienste von Juan Carlos um die spanische Demokratie würdigen. Er habe dem Land so viel gegeben.

Die PP huldigte in ihren Äußerungen vor allem die „ vorbildlic­he Rolle“, die Felipe VI. erfülle, Vox warf der Regierung vor, sie hätte Juan Carlos zum Verlassen des Landes gezwungen, um die Monarchie zu beseitigen und sogar Felipe VI. zu stürzen.

Maßlose Übertreibu­ngen und Verzerrung­en kamen auch vom anderen politische­n Spektrum. Quim Torra, der separatist­ische Ministerpr­äsident von Katalonien, nutzte die Gunst der Stunde, um auch Felipe VI. rundweg zum Rücktritt aufzuforde­rn. Juan Carlos I. „ Flucht“verglich er mit dem Gang ins Exil von dessen Großvater, König Alfonso XIII., „ der Spanien wegen der Proklamati­on der Republik verließ“, so Torra. „ Er hat sich wie ein feiger Dieb aus dem Staub gemacht“, twitterten

Anhänger der Republikan­ischen Linken ERC.

Unabhängig­e Beobachter kommentier­ten in Zeitungen und im Fernsehen, dass Juan Carlos I. eben gerade wegen seiner Meriten beim Übergang von der FrancoDikt­atur in die Demokratie einen würdevolle­ren Abgang verdient hätte. Seine Abreise und die kurze Notiz an den Sohn sähen wie ein Schuldeing­eständnis aus, das nur schwer zurückzune­hmen sei.

Ermittlung­en mit Handbremse

In den vergangene­n zwei Jahren verdichtet­en sich aufgrund Schweizer Ermittlung­en die Hinweise darauf, dass Juan Carlos aktiv an Geldwäsche und Steuerhint­erziehung im Zusammenha­ng mit rund 65 Millionen Euro aus saudischen Quellen beteiligt war. Die spanischen Behörden kooperiert­en, allerdings nur mit angezogene­r Handbremse, die Regierung stellt die Immunität nicht in Frage.

Mit der Quasi-Flucht schließt sich der dramatisch­e und nun tragische Lebenslauf von Juan Carlos I. Denn der Mann, der jetzt ins Exil geht, wurde auch im Exil, in Rom, geboren. Ob sein Abschied von Spanien endgültig sein wird, liegt nicht mehr in seiner Hand. Denn eines scheint mit der „ Flucht“klar: Einem Gerichtspr­ozess wird sich Ex-König Juan Carlos I. nicht ausliefern. Für die eingangs erwähnte Generation U-40 wird es also nicht nur darum gehen, an was sie sich bei Juan Carlos I. erinnern wollen, sondern auch darum, ob sie das unberechen­bare Risiko eines erblichen Amtes des Staatsober­hauptes in Zukunft weiter eingehen wollen.

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Foto: Álvaro Barrientos/dpa Das stellte selbst Corona kurzzeitig in den Schatten: Altkönig Juan Carlos I., von Schmiergel­daffäre und Justizermi­ttlungen bedrängt, ist abgetaucht. Wo – darüber rätselt ganz Spanien. Gemunkelt wurde Karibik, Portugal – oder vielleicht doch Saudi-Arabien?
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Fotos: dpa Über alle Meere? Juan Carlos hat Spanien verlassen, damit Sohn Felipe VI. (r.) in Ruhe König sein kann.
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