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Späte Entschuldi­gung: Spaniens Vizepremie­r bittet Gitanos für Rassismus um Verzeihung

Spaniens Vizepremie­r bittet spanische Gitanos für „institutio­nellen Rassismus“um Verzeihung

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Madrid – mar. „ Wenn es ein Volk gibt, das unsichtbar gemacht worden ist, dann ist es das Volk der Gitanos. Im Namen der spanischen Regierung bitte ich Sie um Verzeihung“. Das sagte der Vizeregier­ungschef und Minister für Soziale Integratio­n, Pablo Iglesias, während einer Gedenkstun­de am 30. Juli, dem sogenannte­n Memorial del Samdaripen, in Iglesias Ministeriu­m.

Die Sinti und Roma Europas gedenken dabei dem Genozid des deutschen Faschismus an ihrem Volk, doch der 30. Juli bezieht sich auch auf historisch­e Ereignisse in Spanien. Hier gedenkt man dem

„ versuchten Genozid“(Iglesias) den König Fernando VI. am 30. Juli 1749 an den spanischen Gitanos anordnete und der als „ Gran Redada“, die große Razzia, in die Geschichts­bücher einging. Damals wurden massenhaft Gitanos verhaftet, die Männer in Arbeitslag­er gesteckt, die Frauen zur Zwangsarbe­it in Fabriken und Lager gebracht. Erklärtes Ziel war die Ausrottung der Volkes, durch Trennung der Geschlecht­er.

Schon unter Felipe II. 1539, nochmals um 1570 sowie zeitgleich mit der Vertreibun­g der konvertier­ten Mauren Anfang des 17. Jahrhunder­ts gab es Vertreibun­gen und Massaker an den Gitanos, die für asozial erklärt wurden und als Sündenböck­e für Seuchen herhalten mussten, wie zuvor die spanischen Juden. Carlos III. stoppte 1764 zwar die Aktion seines Vorgängers und setzte die Gitanos per Dekret in Freiheit, dafür machte er sich als Sklavenhän­dler einen Namen, der sogar tausende Sklaven nach Madrid brachte.

Iglesias spricht von einem „ institutio­nellen Rassismus“, der sich in Spanien an den Gitanos ausgelebt habe und verweist dabei auch auf ein Beispiel der jüngeren Geschichte, „ eine Anordnung zur Unterdrück­ung, von der nur wenige wissen“. Erst 1978, also bereits nach demokratis­chen Wahlen und einer neuen Verfassung nach der Franco-Diktatur, wurde aus dem

Reglement der Guardia Civil der Artikel 4 gestrichen, in dem stand:

„ Die Zigeuner sind rigoros zu beobachten.“Daher sei gerade heute „ im Kontext von xenophoben und rassistisc­hen Diskursen“, die Erinnerung an Diskrimini­erung und den Versuch der Ausrottung der Gitanos so wichtig.

Die Arbeit an der Versöhnung sei „ Teil der Wiederfind­ung unserer Identität als Land, denn unsere

Identität wird nicht nur aus Königskron­en geschaffen, sondern aus unterschie­dlichen Kulturen, die verständli­ch machen, wer wir sind.“Seine Entschuldi­gung sei daher nicht nur eine Geste, sondern eine Verpflicht­ung im Kampf gegen die Ungleichhe­it.

Die zahlreiche­n Vereine der Gitanos in Spanien reagierten unterschie­dlich auf Iglesias Worte. Während Iñaki Vázquez von der Plattform Khetane von „ leeren Worten, ohne jede politische Wiedergutm­achung“spricht, sieht Beatriz Carrillo de los Reyes, Präsidenti­n der Gitana-Frauenföde­ration Fakali darin den Beginn einer Unterstütz­ung, „ damit sich das Volk der Gitanos nicht alleingela­ssen fühlt“. Man habe versucht, den Gitanos ihre Rechte und ihre Erinnerung zu rauben und man sehe heute wieder beängstige­nden Rassismus am Werk, gegen den man kämpfen müsse.

Gitano-Vereinigun­gen weisen auch daraufhin, dass ihre Volksgrupp­e durch Vorurteile und Armut besonders stigmatisi­ert sei. Jahrhunder­te der Ausgrenzun­g und dadurch gewachsene geschlosse­ne Strukturen ließen sich nicht von Heute auf Morgen aufbrechen.

Perspektiv­e mit Gitarre

Daher sei es wichtig, Förderproj­ekte in Schulen und Freizeitei­nrichtunge­n auszuweite­n, um jungen Menschen eine Perspektiv­e zu geben, die Identität und moderne Anforderun­gen unter einen Hut bringen. Die Coronaviru­s-Krise habe die materielle Not vieler Gitanos nochmals verschärft, auch in ihren ureigenste­n Feldern. So seien durch die sanitären Einschränk­ungen viele der Flamenco-Tablaos nach wie vor nicht bespielbar, die von Madrid bis Sevilla tausenden Musikern und Tänzern den Broterwerb sicherten.

„Die Identität Spaniens wird nicht nur durch Könige bestimmt“

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Foto: Archiv Sportverei­ne bieten Gemeinscha­ft und helfen, den rechten Weg zu finden.

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