Schutzwall vor Virus
Guadalest merkt Corona-Flaute dank spanischen Besuchern kaum – Briten und Russen fehlen
Eigentlich ist alles wie immer in Guadalest: Viele Besucher durchstreifen die pittoreske Altstadt und flanieren zwischen Burg und kleinen Läden. Nur sprechen sie fast alle Spanisch, denn Corona hält Gäste aus dem Ausland weitestgehend fern.
Castell de Guadalest – fin.
Unten im Tal der türkis-glitzernde Stausee, oben das kuriose Dörflein Guadalest auf den zwei Seiten des Felsens, auf dem die Reste der ehemaligen Burg thronen. Heute reihen sich in den Gassen zwar die Souvenirläden, Bars und Museen aneinander, doch wer das ausblendet, kann sich leicht in alte Zeiten versetzen. Als die Bewohner noch mit Eseln die steile Straße hinaufliefen und die Dorfkinder auf dem Platz vor der Schule spielten.
Um die Idylle noch ein wenig idyllischer zu gestalten, ist Guadalest auch noch eingebettet in diese wunderbare Landschaft zwischen den Bergketten Serrella, Xortà und Aitana, die erwandert werden wollen, sobald die Hitze das zulässt. Verdienterweise befindet sich das 200-Seelen-Dorf in der illustren Liste der schönsten Orte Spaniens.
Guadalest ist ein beliebtes Ziel für Tagestouristen, die aus Benidorm, Calp und den anderen Urlauberhochburgen herkommen, durch die Sträßchen schlendern, Geld ausgeben und wieder wegfahren. Bis zu eine Million Besucher jährlich begrüßt das Dörflein. Und im Corona-Sommer?
Keine Briten, keine Busse
Auf den beiden Parkplätzen der Gemeinde stehen einige Autos, es herrscht geschäftiges Kommen und Gehen. „ Der August ist fast so, als gäbe es keine Pandemie“, bestätigt Isabel Ferri in der Touristinfo. Momentan informiert sie um die 100 Besucher täglich über die Sehenswürdigkeiten. „ Es sind aber viel mehr Menschen hier. Die Touristinfo betreten darf immer nur eine Person, viele sind aber in Grüppchen unterwegs“, meint Ferri. Nur die Busse, die sonst immer gleich 50 Personen auf einen Schlag ausspuckten, fehlen diesen Sommer.
„ Das lohnt sich für die Veranstalter nicht, weil sie nur die Hälfte der Plätze besetzen dürfen“, meint Ferri. Briten verirren sich auch kaum nach Guadalest, die Quarantänepflicht und das somit leer gefegte englische Viertel in Benidorm machen sich bemerkbar.
Auf der anderen Seite der Straße beginnt das eigentliche Guadalest. Die Besucher, die die Gasse hinaufschlendern, tauchen ein in eine andere Welt, nur die Postkartenständer vor den Häusern, die Kühlschrankmagneten mit Flamenco-Tänzerinnen und Billig-Taschen erinnern ans 21. Jahrhundert. Überraschend viele Besucher durchqueren den Tunnel, der auf die andere Dorfseite führt. „ Der Sommer läuft besser als erwartet.
Wir hatten uns auf eine Nullrunde eingestellt“, bestätigt Mari Carmen Balaguer. Ihre Familie betreibt seit 47 Jahren die Bar Levante, die Terrasse des Lokals ist voll. „ Wir merken deutlich, dass keine Briten und Russen kommen, aber auf die Spanier ist Verlass. Sie lassen schon Geld im Ort – nur bleiben sie meist nicht über Mittag zum Essen, sondern fahren zurück in ihre Ferienwohnungen“, resümiert Balaguer.
So wie Ramón Rodríguez aus Almanza in Castilla y León, der mit seiner Familie den August in seinem Ferienhaus in Calp verbringt. „ Natürlich merkt man Unterschiede im Vergleich zu Vorjahren. Es gibt mehr Parkplätze und mehr freie Tische in den Restaurants“, sagt Rodríguez. Und: „ Es sind wenige Ausländer da, wir sind unter Spaniern“, meint er.
Die nächste Gruppe kommt um die Kurve und macht sich an den Aufstieg zur Burgruine. Unterwegs weicht sie entgegenkommenden Touristen aus – die einen kommen, die einen gehen, wie schon seit Jahren in Guadalest. Nur eins hat Corona geändert: Trotz der vielen Menschen ist es viel leiser. Liegt es an den Masken, die die Gespräche verschlucken? Oder vielleicht daran, dass die Urlauber ein bisschen mehr das genießen, was sie sehen und sich auf das konzentrieren, was geblieben ist – angesichts dessen, was viele verloren haben?
„Wir hatten uns auf eine Nullrunde eingestellt. Auf die Spanier ist Verlass“