Zittern vor Zahlen
Berlin dehnt Reisewarnung aus – Mittelmeerküste könnte bald betroffen sein
Das deutsche Auswärtige Amt hat die Reisewarnung auf Madrid und das Baskenland ausgeweitet. Die Bundesregierung rät ebenfalls davon ab, nach Katalonien, Aragón und Navarra zu reisen. Angesichts der Entwicklung lässt es sich nicht ausschließen, dass davon bald auch Valencia, Murcia und Andalusien betroffen sein werden. Noch liegen die Werte an der Costa Blanca deutlich unter der von Berlin gesetzten Grenze, doch ausgerechnet die einst als sicher geltenden Balearen bangen nach einem Anstieg der Neuinfektionen um den deutschen Tourismus. Die Schweiz und Österreich schätzen indessen die Infektionslage in Spanien kritischer ein und verhängen eine Reisewarnung für das Festland.
Alicante/Murcia/Sevilla –
red. Das Auswärtige Amt in Berlin hat am Dienstag die Reisewarnung für Teile Spaniens um Madrid und das Baskenland erweitert. Ferner rät die deutsche Bundesregierung davon ab, nach Katalonien, Aragón und Navarra zu reisen. Diese Art von Reisewarnungen verhängt die Bundesrepublik, falls die Zahl der Corona-Neuinfektionen die Marke von 50 Fällen pro 100.000 Einwohner von sieben Tagen übersteigt. Reisende müssen damit rechnen, dass sie sich bei ihrer Rückkehr einen kostenfreien PCR-Test unterziehen müssen.
Das Virus breitet sich aus, und angesichts der Entwicklung lässt es sich nicht ausschließen, dass Berlin die Warnungen noch weiter gen Südwesten Spaniens ausdehnt. Die Grenzwerte lagen nach Angaben des Gesundheitsministeriums vom 11. August für Andalusien bei 21,21, in Murcia bei 30,19 und in Valencia bei 26,44. Die Angst geht auf den Balearen um. Dort liegt der Wert bei 55,42. Nun fürchtet man, nach der Ende Juli von der britischen Regierung angeordneten Quarantänepflicht konnte Berlin zum nächsten Schlag gegen den Tourismus auf den Inseln ausholen. Die aktiven Infektionszahlen liegen auf den Balearen mit 1.000 weit unter den 3.000 in Andalusien oder den 2.600 in Valencia. Murcia mit 850 steht etwas besser da.
Leider strafen die für eine Reisewarnung geltenden Kriterien in gewisser Weise die Regionen ab, die sich darum bemühen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen beziehungsweise schnell einzugrenzen. Das geht momentan über PCR-Tests. Je mehr eine Region testet, desto mehr Infizierte verzeichnet sie natürlich auch. Desto schneller und effektiver können aber auch Infektionsketten durchbrochen werden.
Aragón und Katalonien verzeichnen sehr hohe Infektionszahlen mit Grenzwerten von 269,92 und 66,11. Beide Regionen scheinen aber nicht zuletzt durch das jetzt konsequente Testen und Eingreifen – etwa in Form von lokalen Quarantänemaßnahmen – die Lage stabilisieren zu können.
Das spanische Gesundheitsministerium meldete am Mittwochabend 1.690 neue positive PCRTests auf das Coronavirus sowie drei Todesfälle, die Zahl bewegt sich in der Größenordnung der vergangenen Tage. Auch Frankreich, Deutschland und Großbritannien verzeichneten neue Höchststände. Spanien registrierte somit seit Beginn der Pandemie 329.784 positive Testungen. Aragón bleibt die Autonome Gemeinschaft mit dem stärksten Zuwachs 306, gefolgt vom Baskenland 268 und Katalonien mit 200 sowie Madrid mit 145. In den letzten sieben Tagen gab es 67 Covid-19-Todesfälle, davon die Hälfte in Aragón.
Aussagekräftiger für Ernsthaftigkeit der Situation als die Tests sind die Einlieferungen in Krankenhäuser wegen Covid-19. Binnen sieben Tagen benötigten laut Gesundheitsministerium 864 Personen stationäre Behandlung gegenüber 750 in der Woche davor und 120 in der ersten Juliwoche. 49 davon mussten oder müssen auf Intensivstationen behandelt werden. Mit großer Trauer nahm die Öffentlichkeit am Mittwochmorgen den Tod eines elfjährigen Mädchens auf, das in Tarragona wegen Covid-19 stationär behandelt wurde und vermutlich an einem Organversagen starb. Eine Autopsie soll die genau Todesursache klären, das Kind litt scheinbar nicht an Vorerkrankungen. Lokal heruntergebrochen gibt sich für das Gesundheitswesen für die vergangene Woche folgendes Bild: Andalusiens Krankenhäuser mussten78 neue Covid-19 Patienten stationär versorgen, sieben davon auf Intensivstationen, Murcia 35 stationär und keinen in der UCI und Valencia 98 stationär und sechs in der Intensivstation. An der Mittelmeerküste Lage weiter zu. Anlass für Panik gibt es sicherlich nicht. Die fast fünf Millionen Bewohner starke Comunitat Valenciana meldete am Mittwochabend 45 neue Coronavirus-Fälle.
Valencia
Nachdem Galicien das Rauchen auf öffentlichen Straßen, Plätzen und auch Gastro-Terrassen verboten hat, falls der Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann, prüfen auch valencianische Gesundheitsexperten die Wirksamkeit dieser Maßnahme bei der Eindämmung des Coronavirus. Valencia meldete zuletzt 629 neue Coronavirus-Fälle für den Zeitraum von Freitag bis Montag. 133 neue Covid-19-Patienten fallen dabei auf die Costa Blanca beziehungsweise die gesamte Provinz Alicante. 67 Prozent der Betroffenen weisen keine Symptome auf. 2.389 SarsCoV-2-Fälle sind derzeit aktiv, 183 Menschen liegen im Krankenhaus, 16 von ihnen auf der Intensivstation. Übers Wochenende ist ein Infizierter an den Folgen des Coronavirus gestorben. Damit beläuft sich die Zahl der Toten in der Region Valencia auf 1.482 Menschen. Das valencianische Gesundheitsministerium meldet einen neuen Coronavirus-Ausbruch mit drei betroffenen Personen in Dénia. Im Kreis Marina Alta stieg die Zahl der mit Covid-19 Infizierten seit Freitag, 7. August, um 17 Personen an: 13 Betroffene wohnen in Dénia, drei in Jávea, einer in Calp.
Andalusien
Die täglich vermeldete Zahl der Neuinfektionen in Andalusien liegt zumeist nur noch knapp unter 300, manchmal sogar darüber, während sie noch vor zwei Wochen nicht einmal die 100 erreichte. Die andalusische Regierung appelliert an das Verantwortungsbewusstsein der Jugend. Nicht nur, weil im Falle einer Ansteckung mit Sars
CoV-2 auch ihre Eltern oder Großeltern infizieren könnten, sondern weil sie sich selbst nicht auf einen milden Krankheitsverlauf verlassen können. Denn die Covid-19Patienten in stationärer Behandlung sind inzwischen zu 70 Prozent zwischen 20 und 51 Jahre alt. Angespannt ist die Lage in der Provinz Almería, wo fast die Hälfte aller andalusischen Covid-19Patienten stationär behandelt wird.
Murcia
Die Zahlen der Neuinfizierten mit dem Coronavirus schnellen auch in Murcia weiterhin in die Höhe. Als Superspreader an der Costa Cálida gelten das Nachtleben und landwirtschaftliche Betriebe. So ordnete das Landwirtschaftsministerium Ende Juli die Schließung eines Betriebs in Mazarrón an. Inzwischen gilt 76 Prozent der Belegschaft als infiziert und Mazarrón kommt auf 80 Corona-Fälle. Für ein vergleichbares Malheur macht Mojácar die Partyszene verantwortlich. Dort mussten mehrere Nachtlokale schließen, nachdem über 70 Infektionen festgestellt wurden und die Landesregierung bereits mit Ausgangssperre drohte.