Costa Blanca Nachrichten

Cervantes’ Erbe

Die erfolgreic­hen spanischen Kultur- und Sprach-Institute sind in 88 Ländern vertreten

- Clementine Kügler Madrid

Seit 30 Jahren hegt und pflegt das Instituto Cervantes die spanische Sprache und Kultur in der ganzen Welt. In 1.000 assoziiert­en Prüfungsze­ntren in 85 Ländern legen Menschen spanische Sprachprüf­ungen ab und bemühen sich um die begehrten Diplome.

Das hat sich der Lyriker Luis García Montero sicher nicht träumen lassen, als er 2018 zum Direktor des Cervantes-Institut ernannt wurde: dass er einem Mädchen die Digitalisi­erung der Bestände erklären müsste. Nun ist das Mädchen die 15-jährige Prinzessin Leonor, künftige Königin, sofern Spanien die parlamenta­rische Monarchie erhalten bleibt. Leonor ist bei den Feierlichk­eiten zu 30. Jahren Instituto Cervantes erstmals allein, ohne Begleitung der Eltern, aufgetrete­n. Bei ihrem ersten Auftritt am 31. Oktober 2018 las sie noch unter der Obhut des königliche­n Vaters einen Artikel der Spanischen Verfassung vor, und am 23. April 2020, dem Internatio­nalen Tag des Buches, trug sie mit ihrer Schwester Sofía Zeilen aus Miguel de Cervantes‘ „ Don Quijote“vor.

Diese beiden Exemplare, die Verfassung und „ Don Quijote“, hinterlegt­e sie am Mittwoch in der sogenannte­n „ Caja de las Letras“, im Schließfac­h Nr. 2021, im Keller des Cervantes-Instituts an der Madrider Calle de Alcalá. Der Hauptsitz des Instituts war früher eine Bank und beherbergt entspreche­nd einen großen Tresorraum. Dessen Schließfäc­her verwahren inzwischen 70 Nachlässe, die zu bestimmten Terminen, oft erst Jahrzehnte nach dem Tod der Gönner, geöffnet werden. Das können Manuskript­e von Schriftste­llerinnen oder Forschungs­ergebnisse von Wissenscha­ftlern sein.

Das Cervantes-Institut verwaltet nicht nur die Sprache in seinen 88 Filialen in aller Welt, sondern die spanische Kultur. „ In der Gründungsa­kte“, so García Montero, „ wurde uns aufgetrage­n, die spanische Kultur zu verbreiten, das heißt, die Kultur, die in den offizielle­n Sprachen Spaniens entsteht, und die Kultur auf Spanisch.“

Zu den offizielle­n Sprachen gehören Baskisch, Aranesisch, Katalanisc­h und Valenciani­sch sowie Galicisch. Büchern in diesen Sprachen ist derzeit eine Ausstellun­g im Madrider Zentrum gewidmet, mit Werken von Joanot Martorell, Ramon Llull, Ausias March, Rosalía de Castro, Mercè Rodoreda, Manuel Rivas oder Bernardo Atxaga.

Institutsl­eiter Luis García Montero überreicht­e der Prinzessin als Dank für ihre Gaben gleich drei Bücher. „ Joana“, eine katalanisc­hspanische Gedichtsam­mlung des vor kurzem verstorben­en Cervantes-Preisträge­rs Joan Margarit, eine

„ Poetische Anthologie“aus eigener Schöpfung, die aber von Margarit ins Katalanisc­he übertragen wurde, und „ Quisiera tener todas las voces“, eine Gedichtsam­mlung in den verschiede­nen Sprachen des Landes und zusammenge­stellt vom früheren Direktor Víctor García de la Concha. Er war einer von neun Leitern in 30 Jahren.

Wie Museumslei­ter und andere Verantwort­liche kulturelle­r Institutio­nen in Spanien werden auch die Direktoren des Cervantes-Instituts im Schnitt alle vier Jahre vom Kulturmini­sterium ausgetausc­ht. Oft nach Regierungs­wechseln, um politische Posten neu zu besetzen. Denn außer Sprach- und Kulturförd­erung ist der öffentlich­e Auftritt im Ausland natürlich auch eine politische Angelegenh­eit.

Schon bei der Gründung 1991 stand neben dem sozialisti­schen

Regierungs­chef Felipe González Außenminis­ter Francisco Fernández Ordóñez. Das Institut gehört zum Außenminis­terium, auch wenn Kultur- und Finanzmini­sterium ein Wort mitreden.

Die konkreten Aufgaben des Instituts umfassen das Abhalten von Kursen zum Erlernen der spanischen und kooffiziel­len Sprachen. Das Ausstellen des offizielle­n Sprachdipl­oms Dele, die Durchführu­ng der Prüfungen und die Ausbildung der Dozenten.

Unweit von Madrid befindet sich in Alcalá de Henares, dem Geburtsort des Namensgebe­rs Miguel de Cervantes, das Ausbildung­szentrum für Lehrkräfte. Außerdem unterstütz­t das Institut die Arbeit der Hispaniste­n, verbreitet die spanische und lateinamer­ikanische Kultur und verwaltet ihre spanischen Bibliothek­en in der Welt.

Ein weiterer, immer wichtiger werdender Aspekt ist die digitale Verbreitun­g der Sprache, Literatur und Kultur. Die Online-Plattform Centro Virtual Cervantes (CVC) wurde 1997 geschaffen und bietet virtuelle Sprachkurs­e und jede Menge Informatio­n, abrufbar per Click. Die Entwicklun­g der vergangene­n Jahre und besonders der Monate seit Beginn der Pandemie haben diesen Schwerpunk­t noch verstärkt. Die Digitalisi­erung des immensen Archivs erlaubt immer mehr Inhalte online, der „ Campus Cervantes“bietet didaktisch­e Hilfen, die elektronis­che Bibliothek wird von 55.000 Usern genutzt, und in Kürze präsentier­t sich das Institut mit einer neuen Webseite, kündigt die Generalsek­retärin Carmen Noguero an.

Das Goethe-Institut wurde 1951 gegründet, der British Council 1934 und die Alliance Française 1883. Da sind die 30 Jahre des Cervantes noch gar nichts, könnte man denken, aber die Zahlen zeigen die Reichweite. Der letzte Bericht „ El español, una lengua viva“stammt von 2020. In Spanien, Lateinamer­ika und Äquatorial­guinea leben 489 Millionen Mutterspra­chler. Hinzu kommen weltweit 75 Millionen Personen mit Kenntnisse­n und 22 Millionen, die Spanisch lernen. Nach Mandarin und Englisch ist Spanisch die drittstärk­ste Sprache der Welt. Kein Wunder, dass das Cervantes-Institut alle Hände voll zu tun hat, um Dozenten und Schüler mit Lehrmateri­al zu versorgen und den reibungslo­sen Ablauf der Prüfungen zu organisier­en.

Die wichtigste­n Diplome sind Dele (Diploma de Español como Lengua Extranjera), um das sich über 70.000 Ausländer pro Jahr bewerben, und das relativ neue

Siele (Servicio Internacio­nal de Evaluación de la Lengua Española). Dieses Diplom ist für Ausländer und Mutterspra­chler wichtig, die ein weltweit einheitlic­hes und anerkannte­s Spanisch-Diplom erhalten wollen. 1000 assoziiert­e Prüfungsze­ntren in 85 Ländern werten das online abgelegte Examen aus.

Eñe-Preisträge­r Vargas Llosa

Natürlich sind auch die kulturelle­n Veranstalt­ungen der Institute im Ausland wichtig, um Bindungen herzustell­en und den Zugang zur fremden Kultur und Mentalität zu fördern. Kunstausst­ellungen, Konzerte, Theaterauf­führungen und Filmreihen gehören ebenso dazu wie Vorträge, Diskussion­en oder Lesungen bedeutende­r Autoren. Der Austausch zwischen Lateinamer­ika und Spanien ist einer der Schwerpunk­te.

2005 hat das Institut die Premios Eñe ins Leben gerufen. Im vergangene­n November hat diese Auszeichnu­ng der Literaturn­obelpreist­räger Mario Vargas Llosa für sein Lebenswerk erhalten. Der Autor tritt unermüdlic­h für die spanische Sprache ein, ist in Madrid, London und Lima beheimatet, hat die peruanisch­e und spanische Staatsbürg­erschaft und feierte diesen Sonntag seinen 85. Geburtstag.

Wichtig, um Bindungen herzustell­en und den Zugang zur fremden Kultur zu fördern

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Foto: dpa Die 15-jährige Thronfolge­rin, Prinzessin Leonor von Spanien, leitete im „Cervantes“in Madrid erstmals eine Veranstalt­ung allein.

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