Nur mit Maske
Angst vor vierter Welle: Spanien verschärft Vorschriften
Die Furcht vor einer vierten Infektionswelle treibt die Regierung an. Madrid hat per Gesetz die Maskenpflicht in allen öffentlich zugänglichen Räumen, egal ob drinnen oder draußen, verhängt. Ferner verlangt Spanien einen Corona
Test von allen Personen, die über den Landweg einreisen. Wer mit dem Auto von Deutschland nach Spanien fährt, muss an zwei Landesgrenzen einen PCR-Test vorweisen, der nicht älter als 72 Stunden sein darf. Das Gesundheitsministerium empfiehlt allen Regionen, ab einer 14-Tages-Inzidenz von 150 die Innenräume der Gastronomie und Fitnesscenter zu schließen. Mit der Impfung gegen Covid-19 geht es nicht so schnell wie mit den Verordnungen voran.
Málaga/Murcia/Valencia – sk.
Die Neuinfektionen nehmen in Spanien klar zu, auch die Krankenhausbelegung steigt wieder und die Todeszahlen in Verbindung mit Covid-19 ziehen klar an. Montagabend hat das Gesundheitsministerium eine 14-Tagesinzidenz von 147 Fällen auf 100.000 Einwohner vermeldet. Nur drei Zähler trennt das Land von der Einstufung als ein Gebiet mit hohem Ansteckungsrisiko. Die Regionen Asturien, Katalonien und das Baskenland haben diese Marke 150 überschritten und Madrid gilt ebenso wie die Exklaven und bei 14-Tage-Inzidenzen jenseits der 250 als extremes Risikogebiet. Nur Valencia hält sich mit 27 Punkten weit unter der 50, aber auch die Balearen gelten mit 66 und Murcia mit 56 nicht mehr als Gebiete mit niedriger Ansteckungsgefahr, Andalusien mit 130 schon gleich gar nicht.
Die vierte Welle scheint ausgerechnet in den Osterferien auf Spanien zuzurollen. Trotz der Abriegelung der Regionen, zahlreicher Verkehrskontrollen und Einschränkungen, was Öffnungszeiten von Bars oder die Sperrstunde betrifft, haben viele Spanier und ausländische Reisende die bekanntesten Urlaubsziele besucht. Die spanische Regierung blickt zunehmend skeptisch auf die Reisewelle. Nur kann sie wenig gegen diese Ansteckungsgefahr unternehmen.
„ Ich stehe zu meiner Entscheidung“, sagt Otto aus Düsseldorf, der mit Frau und Sohn nach Mallorca gereist ist. „ Die Bundesregierung ist derzeit so inkonsequent. Wenn sie die Reisewarnung aufheben, dann müssen die Politiker damit rechnen, dass die Leute in den Urlaub fahren.“Schließlich kann man im eigenen Land nicht verreisen und auf den Balearen liegt die Ansteckungsgefahr deutlich unter der in Deutschland – noch jedenfalls. Seit Dienstag muss allerdings jeder aus dem Ausland nach Deutschland einreisende Flugpassagier einen negativen CoronaTest vorweisen.
Auf eine wichtige Änderung müssen sich auch alle Touristen einstellen, die über den Landweg nach Spanien einreisen. Wer die Grenze zwischen Frankreich und Spanien quert, braucht jetzt einen negativen PCR-Test, der nicht älter als 72 Stunden ist. Wer von Berlin kommt, darf nicht trödeln oder braucht zwei PRC-Tests – einen für die französische und einen für die spanische Grenze.
Auf der anderen Seite nimmt die Madrider Regierung Reisende auch mehr unter Schutz. Wenn gebuchte Reisen wegen Covid-19 abgesagt werden, kann der Reiseveranstalter seinen Gästen einen Gutschein für eine neue Reise anbieten, der bis zu ein Jahr nach Auslaufen des Notstands und seiner Verlängerungen gültig ist. Nach Ablauf dieser Frist kann der Reisende die Rückerstattung der Kosten verlangen.
Am Wochenende war Dénia voll, Calp war voll, Málaga, Madrid und Barcelona auch. Wiederholt sich Weihnachten, als sich auch die dritte Welle anbahnte und durch die Feiertage Schub erhielt? „ Auf nationaler Ebene befinden wir uns in einer Phase des Anstiegs der Infektionen. Wahrscheinlich, dass diese Tendenz in den kommenden Tagen anhält. Aber wenn wir es schaffen, dass die Semana Santa sich nicht stark auf die Ansteckungen auswirkt, dann könnte die vierte Welle eine ganz kleine Welle werden, ein kurzer Anstieg“, sagte Fernando Simón, Leiter des sanitären Krisenstabs der Regierung. Ähnlich klang Simón vor Weihnachten und das war ihm wohl auch bewusst.
Das Gesundheitsministerium hat Freitag neue Empfehlungen an die Regionen herausgeben, deren Kriterien die Verbreitung des Coronavirus durch Aerosole stärker berücksichtigen als bisher. Der Knackpunkt scheint nun bei der 150er-Marke bei der 14-Tages-Inzidenz zu liegen. Jenseits dieses Werts sollen die Innenbereiche der Bars und Restaurants geschlossen werden. Ferner müsste dann auch die Nachverfolgbarkeit der Gäste im Falle eines Corona-Ausbruchs gewährleistet sein – wer ein Bier auf der – wohlgemerkt nicht überdachten – Terrasse trinkt, wird seine persönlichen Daten hinterlassen müssen. Hinzu kommt, dass ab dem Wert 150 nur sechs Personen an einem Tisch sitzen dürfen. Jenseits eines Inzidenz-Wertes von 500 sollen auch die Außenbereiche der Gastronomiebetriebe schließen. Dann ist Schicht im Schacht.
Nicht nur Gastronome sollten den Verlauf der Infektionen genau verfolgen, auch die Betreiber von Sportanlagen wie etwa Fitnessstudios blicken einer unsicheren Zukunft entgegen. Sollten diese „ Handlungsempfehlungen für ein koordiniertes Vorgehen gegen die Verbreitung von Covid-19“– auf Spanisch nennt sich der Maßnahmenkatalog „ Actuaciones de respuesta coordinada para el control de la transmisión de la Covid-19“
– von den Regionen umgesetzt werden, würden sie ab einem Inzidenzwert von 150 erneut schließen müssen. Was ein harter Schlag wäre, da sie in der Valencia noch keinen Monat wieder geöffnet sind.
Die Regierung kann nur Empfehlungen aussprechen, die einzelnen verpflichtenden Maßnahmen beschließen die jeweiligen Regionen. Diese „ sanitäre Ampel“dient der Orientierung und gibt vier Ebenen vor, die wohl von nun an die
Schärfe der Eindämmungsmaßnahmen beeinflussen werden. Die erste beziehungsweise untere Stufe oder Nivel 1 gilt für 14-Tages-Inzidenzwerte von über 25. Sie empfiehlt etwa, die Zahl der Essensgäste an einem Tisch auf zehn zu beschränken und betrifft derzeit ironischerweise nur die Region Valencia, die ohnehin bezüglich sozialer Treffen extrem strikte Vorgaben verabschiedet hat.
Die zweite Stufe erstreckt sich über die Inzidenzwerte 50 bis 150. In diesem Bereich sollen soziale Treffen auf sechs Personen beschränkt werden. Diese Empfehlung bleibt für die dritte Stufe von 150 bis 250 bestehen. Ab der vierten Stufe aber und jenseits der 250 empfiehlt das Gesundheitsministerium, dass nicht mehr als vier Personen im öffentlichen Raum zusammenkommen und im Privaten jeder Haushalt für sich bleibt.
Ferner hat Spanien die Maskenpflicht verschärft. Laut dem am Dienstag im Staatsanzeiger veröffentlichten Gesetzestext sind „ Personen ab sechs Jahren verpflichtet, Alltagsmasken in öffentlichen Bereichen, in freien wie geschlossenen öffentlichen
Touristen lassen sich Urlaub nicht vermiesen: „Ich stehe zu meiner Entscheidung“
oder öffentlich zugänglichen Räumen zu tragen.“
Maske wird per Gesetz Pflicht
Es ist eine allgemeine Maskenpflicht, das Kriterium der sozialen Distanz von 1,5 Metern fällt weg. Auch mit der Ausrede von Wald und Wiesen braucht man einem übelgelaunten Polizisten nicht zu kommen, der mit seinem Einsatzkommando das Osterpicknick sprengt. Die Maskenpflicht gilt überall – und wohlgemerkt handelt es sich um einen Gesetzestext, nicht um eine Verordnung.
Wobei das Gesetz sich angeblich an die Verordnungen bis zum Ende des ersten Notstandsdekrets aus dem Jahr 2020 anlehnt. Nicht auszuschließen, dass die Regierung noch nachbessert, da ihr Aufschrei der Entrüstung aus dem Touristensektor entgegenschallte. Das Gesetz zur Maskenpflicht läuft nicht von selbst aus, sondern bleibt in Kraft, bis die Regierung
„ auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse die von Covid-19 ausgelöste Krise im Gesundheitswesen für beendet erklärt.“Die Regionen haben auch keine Möglichkeit mehr, Ausnahmeregelungen zu treffen. Wer an den Strand geht, braucht eine Maske. Ausnahmen gibt es wenige: Menschen mit Atembeschwerden oder anderen gesundheitlichen Problemen sind von der Maskenpflicht befreit. Auch Individualsportler müssen den Mund-Nasenschutz nicht tragen. Gleiches gilt bei Aktivitäten, die eine entsprechende physische Anstrengung erfordern.
Die Infektionszahlen in Spanien steigen trotzdem schneller als die Impfkampagne voranschreitet. Spanien hat immer noch nicht alle Personen über 80 Jahre durchgeimpft. Gesundheitsministerin Carolina Darias hofft, dass in der kommenden Woche ein großer Teil dieser Altersgruppe vor Covid-19 geschützt ist.
Bis dahin hängen die 6,5 Millionen 70- bis 79-Jährigen der Jahrgänge 1942 bis 56 in der Luft.
Der Impfstoff AstraZeneca kommt nur bei Personen unter 65 Jahren zur Anwendung, lediglich Feuerwehrleute, Lehrer oder Angehörige des Gesundheitspersonals über 65 Jahren können nun auch mit der Vakzine geimpft werden.
Derweil werden die Pfizer- und Moderna-Impfstoffe den über 80Jährigen verabreicht. Menschen zwischen 66 und 79 Jahren laufen bei einer Ansteckung mit Corona Gefahr, an den Folgen von Covid-19 schwer zu erkranken. Spanien muss bei der Impfung auf die Tube drücken – auch im Hinblick auf die steigenden Fallzahlen.
Stattdessen gibt die spanische Obrigkeit bei der Pandemiebekämpfung ein ähnliches konfuses Bild ab wie Berlin. Nicht nur bei den Widersprüchen, was die Reisebestimmungen für Ausländer in Spanien und Spanier im eigenen Land betrifft. Polizeikommandos mit dem Brecheisen Privatwohnungen aufbrechen zu lassen, um Partys von Jugendlichen aufzulösen, schießt über jedes Ziel hinaus. Die nun gesetzlich eingeführte Maskenpflicht gehört in keine westliche Demokratie. Die Folgen werden hüben wie drüben die Gleichen sein. Wenn die Politik so das Vertrauen in die Vernunft der Bevölkerung verliert, wird sie von den Menschen auch nicht mehr ernst genommen.