Costa Blanca Nachrichten

Leichen im Keller

Staatsgehe­imnisse in Spanien: Bringt neues Gesetz mehr Transparen­z?

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Ob Spaniens Staatsgehe­imnisse durch das jetzt geplante Gesetz zugänglich­er werden, bleibt völlig offen. Womöglich werden die Aktenleich­en im Keller der Demokratie nur neu sortiert. Dabei hätten die Spanier viele Fragen an ihre Mächtigen, zu Korruption­sfällen, dem ETA-Krieg und vor allem zu den Ränken im Königshaus.

Madrid – mar. Die spanische Regierung will ein neues Gesetz zur Behandlung von Staatsgehe­imnissen auf den Weg bringen. Das bisherige stammt noch aus der Franco-Zeit und erlebte seit Inkrafttre­ten 1968 nur kleinere Retuschen im Jahr 1978. Fünf Versuche, die Kellerleic­hen des Staates neu zu sortieren, scheiterte­n seitdem. Einige im aktuellen Gesetz über Spaniens Staatsgehe­imnisse genannten Institutio­nen existieren gar nicht mehr, andere Bestimmung­en sind völlig aus der Zeit gefallen, wie die Vorgaben über das „ Auswechsel­n“der Sicherheit­sschlösser und die turnusmäßi­ge Änderung von Tresor-Codes.

Doch das Hauptmanko besteht darin, dass praktisch alles in Spanien zum Staatsgehe­imnis werden kann, ohne, dass es darüber eine vollständi­ge parlamenta­rische Kontrolle gibt. Der Staat selbst weiß nicht einmal, was alles als geheim eingestuft wurde, ebenso fehlt ein kontrollie­rbares Protokoll über die Vernichtun­g und Archivieru­ng dieser klassifizi­erten Dokumente. Und es gibt eine ganze Reihe von Dokumenten staatliche­r Institutio­nen, die gar nicht als geheim eingestuft sind, zu denen aber dennoch der Zugang verwehrt wird.

Ob sich das nun ändert? Auch das neue Gesetz, so ist aus der Moncloa zu hören, soll keine automatisc­he Freigabe nach einer bestimmten Zeit beinhalten, wie das in vielen Ländern üblich ist. Eine Kommission aus Verteidigu­ngs-, Innen- und Außenminis­terium – mithin die Verursache­r der „ Geheimniss­e“selbst – soll nun Vorschläge für ein Stufensyst­em vorlegen, das sowohl den Bedürfniss­en der Wahrung der Sicherheit des Landes, den Anforderun­gen von Nato und EU, als auch jenen nach demokratis­cher Transparen­z und dem Wissensdur­st historisch­er Forschung nachkommt.

Historiker, Journalist­en, linke Opposition, aber auch Richter kritisiere­n bereits im Vorfeld, dass sie in der Kommission nicht vertreten sind und fürchten, dass sich wieder eine „ Große Koalition“aus PP und PSOE bildet, die sehr eigene Interessen daran haben, Skandale der Vergangenh­eit nicht an die Öffentlich­keit kommen zu lassen.

Es gibt viele offene Fragen, etwa nach den Beziehunge­n der Politik zur ETA, den sogenannte­n „ schmutzige­n Krieg“gegen die baskische Terrororga­nisation, der oft als Entschuldi­gung herhalten musste, um politisch Unbequeme kaltzustel­len. Ganz generell erwarten sie sich Aufklärung über die Verflechtu­ngen zwischen Politik, Privatwirt­schaft und Unterwelt in Spanien, zu diversen Korruption­sskandalen und politische­n Hinterzimm­erabkommen.

Einige Journalist­en äußerten den Verdacht, dass sich praktisch all die verzwickte­n Verfahren von

„ Gürtel“über „ Kitchen“bis „ Caja B“oder die berüchtigt­en „ Kloaken“in der spanischen Polizei rund um Ex-Kommissar Villarejo in Windeseile aufklären ließen, wenn der Staat einmal in sein Archiv blicken ließe. Doch auch zu den Verbrechen des Spanischen Bürgerkrie­ges und der Franco

Diktatur sind längst nicht alle Papiere freigegebe­n, auch wenn das nach dem Gesetz zur Historisch­en Erinnerung seit fast einem Jahrzehnt so sein sollte.

Ein zentrales Fragezeich­en bei einem neuen Gesetz über die Staatsgehe­imnisse Spaniens steht hinter dem Archiv des spanischen Königshaus­es. Offiziell taten die Regierunge­n bisher so, als wenn alles, was Juan Carlos I. und seinen Nachfolger und Sohn Felipe VI. betrifft, automatisc­h mit einem Schweigege­lübde belegt werden müsse, mit dem Argument, dass der König ohnehin per Verfassung als „ unantastba­r“gilt. Dabei untersteht das Staatsober­haupt per Verfassung in der „ parlamenta­rischen Monarchie“durchaus der Kontrolle von Regierung und Parlament. Anhängig und besonders interessan­t für die Spanier wären zum Beispiel auch die telefonisc­hen Abhörproto­kolle rund um den Staatsstre­ich 1981. Zeugen, die bereits verstorben sind, deuteten immer wieder an, dass in den Protokolle­n ein anderes Bild des Königs zu finden sein würde als das des lupenreine­n Demokraten.

Das aktuelle Gesetz enthält noch Vorgaben über das Auswechsel­n von Sicherheit­sschlösser­n

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Foto: Turismo de Sevilla Das historisch­e Archiv in Sevilla steht der Forschung offen. Mit jüngeren Ereignisse­n ist das nicht der Fall.

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