Ganzheitlich weiblich
„Night of Geography“, 9. April: Beitrag aus Spanien stellt Geografinnen der Geschichte vor – Online-Besuch auf Deutsch
200 Beiträge aus 40 Ländern: Eine beachtliche „ Nacht der Geografie“erwartet die Welt der Wissenschaft am 9. April, auch wenn die meisten Events aufgrund der CoronaKrise nur virtuell stattfinden. Für einen weiblichen Akzent sorgt Spanien dank eines Beitrags der Uni Alicante. „ Geógrafas y ciencia“, Geografinnen und Wissenschaft, stellt Forscherinnen der Geschichte vor. Besucht werden kann die spannende Online-Schau auf sieben Sprachen, darunter Deutsch.
Vorgestellt wird einerseits die Geografie, ein Fach, das gar nicht so bekannt ist. Andererseits steht die Frau in der Forschung im Mittelpunkt. Starke weibliche Persönlichkeiten brachte die Disziplin an der Schwelle zwischen Erde und Gesellschaft hervor. Die Uni-Ausstellung entsprang dem ersten
„ wissenschaftlichen Treffen junger Geografinnen“zum 11. Februar, dem internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft.
Ein besonderer Weitblick
Geografie, ist das nicht die Kunde von Ländern, Hauptstädten, Flüssen? Sie ist viel mehr, erklärt die Ausstellung. Die Geografie studiere „ Prozesse der Natur und Handlungen des Menschen auf der Erdoberfläche“, und das auf ganzheitliche Weise. Zu Kenntnissen gelange sie durch Werkzeuge verschiedener Bereiche: Mathematik, Soziologie, Technologie oder Natur-Analyse.
Das Ergebnis: Ein besonderer Weitblick, der durchaus weibliche Züge hat, wie die Veranstalterinnen versichern. Doch äußert er sich nicht darin, dass viele Frauen in der Geografie anzutreffen seien. Im Gegenteil: Wie andere Mint-Fächer (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), leide auch die Geografie an Mangel an Forscherinnen. Dabei blicken Geografinnen – das zeigt die Ausstellung – auf eine Tradition zurück. Schon im 19. Jahrhundert fertigten Frauen mit Detail und wissenschaftlicher Genauigkeit Beschreibungen und Karten besuchter Orte an.
Als Geografinnen anerkannt wurden aber nur wenige. Meistens blieben sie für die Forschungswelt anonym, wurden höchstens Lehrerinnen. Doch vor allem auf internationaler Bühne gab es Ausnahmen. Als erstes begegnet uns die Französin Clémence Augustine Royer, die etwa Darwins „ Die Entstehung der Arten“übersetzte und die Evolutionstheorie in der französischsprachigen Welt verbreitete.
Forscherin ohne Geburtsdatum
Die Amerikanerin Eliza Ruhamah Scidmore war 1890 erste Fotografin des „ National Geographic“. Das Leben von Gertrude Bell wurde gar verfilmt („Queen of the desert“mit Nicole Kidman). Die Britin stellte für die Regierung den arabischen Raum in Form von Karten dar, wofür sie den Ehrentitel Commander of the British Empire bekam. Auch eine Deutsche treffen wir an: Martha Krug-Genthe. Die Ausstellung erzählt, dass sie 1901 eine der ersten deutschen Geografinnen mit Doktortitel war, sie 1904 einen US-Kongress besuchte und zu Geografie an Schulen forschte. Ein Geburtsdatum der Deutschen aber fehlt.
Ganz anders Fanny Bullock Workman, deren Lebenswerk bestens belegt ist – auch dank toller Fotos von ihren Höhenrekorden beim Bergsteigen. Ob Karakorum oder Himalaya, zahlreiche Gebiete bildete die Geografin als Karten ab und gab Gipfeln Namen. Ein weiterer Gipfel: Bullock war die erste US-Amerikanerin, die Vorlesungen an der Sorbonne in Paris hielt.
Unter den Spanierinnen sticht Adela Gil Crespo (*1916) hervor. Schon als Lehrerin förderte sie kritischen Geist: Alle Informationen mussten den Filter der Vernunft überstehen. Solche Ansätze missfielen der Diktatur, sodass sie 1939 verhaftet wurde. Ein Prozess 1940 wies ihr aber nicht nach, linke Ideologie zu propagieren. Also schloss Gil die Uni ab und erforschte dank internationaler Stipendien ihren Lieblingsbereich, den Vulkanismus.
Nach der illustren Reise überraschen fast die Zahlen, die die Ausstellung am Ende präsentiert. 2021 bleibt die Riege der Geografinnen dünn. Die internationale GeografieUnion etwa hatte schon 25 Vorsitzende, davon aber nur eine Frau. Und das, obwohl bei GeografieSchulolympiaden Mädchen mindestens ebenbürtig sind. Wir lernen: Noch heute müssen sie Gipfel stürmen und Vulkane im Herzen tragen, um dem Ruf der ganzheitlichen Disziplin über die Erde und den Menschen folgen zu können.