Picasso mit Köpfchen im Centro Botín
Santander zeigt iberische Skulpturen, die aus dem Louvre verschwanden und beim Maler auftauchten
Botín bedeutet auf Spanisch Beute, ist aber auch der Name einer angesehenen Familie, die 1857 die Banco Santander gegründet hat und bis heute leitet. Die Familie macht nicht nur Kapital-Geschäfte, sondern führt auch eine Stiftung und hat mit dem spektakulären Bau von Renzo Piano ein modernes Kunstzentrum in Kantabriens Hauptstadt Santander geschaffen.
Das Centro Botín bereitet eine große Ausstellung vor, die schon im Vorfeld als ein Höhepunkt des Jahres gefeiert wird. Es geht um den Einfluss der iberischen Kunst auf Pablo Picasso, der so groß war, dass er den Künstler zu einem neuen Stil anregte, den Kubismus. Vom 1. Mai bis 12. September werden 215 Werke zu sehen sein, die Hälfte von Picasso, die andere Hälfte Ausgrabungsstücke aus dem 6. bis 3. Jahrhundert vor Christus.
Ausgestellt werden auch zwei iberische Köpfe aus dem Pariser Louvre, die 1998 schon einmal in Barcelona gezeigt wurden, ansonsten in Spanien aber nicht zu sehen waren, obwohl sie aus einer Ausgrabung in Albacete stammten. Viele spanische Fundstücke landeten, wie auch die berühmte Dame aus Elche, mehr oder weniger offiziell im Louvre. Die Dame aus Elche holte Diktator Francisco Franco bei einem Kunstaustausch mit Marschall Phillipe Pétain zurück, die meisten anderen blieben in Frankreich.
Um die beiden iberischen Büsten rankt sich eine abenteuerliche Geschichte, immerhin hielt Picasso sie jahrelang in seinem Kleiderschrank zwischen Socken versteckt. Der Kopf einer Frau und Kopf eines Mannes wurden im März 1907 aus dem schlecht bewachten Louvre entwendet. Dieb war der Belgier Honoré Joseph Géry Pieret, der eine Zeitlang als Sekretär für den polnischen Lyriker Guillaume Apollinaire in Paris gearbeitet hatte. Dieser war enger Freund von Picasso, und möglicherweise war der Diebstahl sogar ein Auftrag des Spaniers, aber das wurde nie bestätigt.
Tatsache ist, dass Picasso schon Jahre zuvor von diesen kleinen Statuen schwärmte und sie als Inspirationsquelle für sein berühmtes Bild „ Las señoritas de Avignon“(1907) bezeichnete. Angeblich zahlte er 50 Francs an Géry Pieret und versteckte sie. Picassos damalige Lebensgefährtin Fernande Olivier schreibt in der Biographie „ Picasso und seine Freunde“: Géry „ hatte bloß empfohlen, sie nicht zur Schau zu stellen. Picasso war entzückt, hütete diese Geschenke sorgfältig und verbarg sie in der Tiefe seines Schrankes“.
Im August 1911 wurde dann Leonardo da Vincis „ Mona Lisa“aus dem Louvre geraubt. In diesem Fall war es ein Italiener, der die Ikone aus Paris zurückholen wollte, was bekanntlich scheiterte. Aber als die „ Mona Lisa“verschwand, wandte sich der stolze Belgier an die Presse mit einer weiteren iberischen Statue unter dem Arm, um sich zu brüsten, wie einfach es wäre, den Louvre zu plündern.
Die Details, die er über den Raub 1907 bekannt gab, alarmierten Apollinaire und Picasso. Zuerst wollten sie die Diebesbeute in der Seine versenken, dann überließ Apollinaire die beiden iberischen Köpfe anonym der Zeitung „ Paris-Journal“. Die Polizei kam ihm dennoch auf die Spur, er musste sechs Tage ins Gefängnis. Picasso, ein Nervenbündel, als die Polizei ihn verhörte, stritt ab, Apollinaire gut zu kennen. Ihm geschah nichts. Der Vorwurf, dass beide auch die „ Mona Lisa“entwendet hätten, wurde fallengelassen. Ein Nebeneffekt dieser Geschichte war eine gewisse Ausländerfeindlichkeit, die sich gegen die „ Invasion der internationalen Gäste“in Paris richtete. Schließlich sahen sich die Franzosen von Belgiern, Polen, Spaniern und Italienern um ihr Kulturgut gebracht.
Und wie sehr jedes Land eben sein Kulturgut schützen will, zeigen die Schwierigkeiten mit der Justiz, in die der Onkel der heutigen Banco-Santander-Präsidentin Ana Botín geraten ist. Dem vermögenden Bankier Jaime Botín drohen über drei Jahre Gefängnis und eine hohe Geldstrafe, weil er versucht hat, ein Ölbild Picassos von 1906 außer Landes zu schmuggeln. Der „ Kopf einer jungen Frau“wurde 2015 auf seiner Jacht beschlagnahmt, die von Alicante abgelegt hatte und auf Korsika Zwischenstation machte. Das Bild war ein geschütztes Kulturgut (BIC) und durfte als solches ohne Exportgenehmigung das Land nicht verlassen. Botíns Anwalt argumentiert, der Eingriff des Staates gegen Privatbesitz in Europa verstoße gegen den freien Warenverkehr, und wollte eine Präzedenz schaffen. Der Oberste Gerichtshof (TS) in Madrid hat diese Strategie aber abgelehnt.
Centro Botín Santander „Picasso Ibero“
1. Mai bis 12. September www.centrobotin.org