Die Hürden der Entsalzung
Spaniens Regierung will Anlage in Torrevieja mit Solartechnik – Uni-Forscher üben Kritik
Torrevieja – sw. Wo soll bloß das Wasser der Zukunft herkommen?, fragt sich Spanien immer verzweifelter. Einen gewichtigen Hoffnungsträger bietet die südöstliche Mittelmeerküste des Landes: Die Entsalzungsanlage in Torrevieja. 765 Werke dieser Art sind in Spanien in Betrieb, doch ist keiner so groß wie der, der in der Salinenstadt das Meerwasser entsalzt. Nun stehen in der Anlage gewichtige Ausbau- und Modernisierungsmaßnahmen an. Aber kann die Entsalzung überhaupt zu einer festen Größe der Wasserversorgung werden?
Aktuell produzieren die spanischen desaladoras (Entsalzungsanlagen) am Tag fünf Millionen Kubikmeter salzbefreites Wasser und steuern damit bereits neun Prozent des Trinkwassers bei. Dass dieser Anteil nicht deutlich ansteigt, hat vor allem mit den immensen Kosten der Entsalzungstechnik zu tun. Allein das Pumpen des Wassers aus dem Meer ist sehr energieaufwändig – und entsprechend teuer.
Arabische Spitzenreiter
Doch die spanische Wassernot wächst und wächst. Ein historisches Tief weisen die Stauseen des Landes mit lediglich 39,2 Prozent Wassergehalt auf. Noch vor zehn Jahren lag der Durchschnitt bei 60 Prozent! Auch aus diesem Grund stutzt die Zentralregierung altgediente Lösungen wie den Tajo-Segura-Kanal zurecht – sehr zum Unmut der Landwirte von Valencia bis Almería. Auf ihren schweren Vorwurf, Madrid lasse die Küste austrocknen, reagiert Spanien nicht zuletzt mit Großinvestitionen in die Entsalzungsindustrie.
Siehe Torrevieja. Ein großer Aus- und Umbau erwartet die salzentfernende Anlage. Das Umweltministerium entwirft derzeit ein
Projekt, das die Kapazität der desaladora von 80 auf 120 Kubikhektometer im Jahr steigern soll. Am Tag würden statt 240.000 wie bisher 360.000 Kubikmeter salzfreies Wasser hergestellt. Im Vergleich zu internationalen Krösus-Anlagen etwa im arabischen Raum, die sogar die Million Kubikmeter am Tag toppen, ist das weltweit gesehen kein Rekordwert. Dennoch sei Torreviejas Werk schon jetzt das
Entsalzung sorgt bereits für neun Prozent des spanischen Trinkwassers.
größte seiner Art in Europa, informierte im spanischen Fernsehen kürzlich Ana María Boix, die stellvertretende Chefin der Anlage.
Seit April laufe in dem direkt an den Lagunen des Naturparks gelegenen Werk der Betrieb auf Hochtouren – und soll es möglichst bald auch mit erneuerbarer Energie tun. Denn die Zentralregierung kündigte ein Projekt an, das innerhalb von zwei Jahren die Versorgung des Werks mit SolarStrom studieren und gewährleisten soll. Die Kosten des Projekts belaufen sich auf 943.000 Euro. Von einem 120 Hektar umfassenden Gelände voller Photovoltaik-Anlagen ist die Rede – Standort aber noch unbekannt.
Allerdings ist noch keineswegs klar, ob die Solartechnik die Stromversorgung der Entsalzungsanlage zu 100 Prozent oder nur zum Teil übernehmen könnte. Jedenfalls würde sie der desaladora auf dem von Schwankungen erschütterten Strommarkt zumindest eine gewisse Kostenstabilität verleihen, erhofft sich der Staat.
Aber geht die Rechnung auf? Leider nein, funken diese Woche Experten des Instituts für Wasser und Umweltforschung der Universität Alicante (UA). Die Photovoltaik-Technik mag die Stromgewinnung an sich umweltfreundlicher machen, aber das Problem der Kosten wäre keineswegs gelöst, meinen die Forscher Marcos García, Joaquín Melgarejo und Borja Montano in einem Gutachten. Um höchstens zehn Prozent würde sich der Energiepreis reduzieren.
Den hohen Aufwand und die Kosten für die Errichtung eines Solarparks so groß wie Torreviejas beide Lagunen zusammen würde der Eingriff keineswegs rechtfertigen. Ein vernichtendes Fazit schieben die UA-Wissenschaftler hinterher: Die Nutzung von Sonnenenergie sei praktikabel für Kläranlagen, Überleitungen oder als Ergänzung für die Energiegewinnung in Stauseen – aber nicht für Entsalzungsanlagen von solch großen Ausmaßen wie Torrevieja. Für einen 24-stündigen Non-Stop-Dienst etwa sei die Solartechnik schließlich nicht gemacht. Zu idealistisch sei die Vision des Umweltministeriums, das für die Ausstattung der Entsalzungswerke mit Sonnenstrom im Haushalt 500 Millionen Euro reservierte.
Fresser bleiben Fresser
Doch auch in Punkto Abfall sorgt der Entsalzungs-Aufschwung für Kritik. Wiederholt prangerte Greenpeace Spanien an, dass die beim Verfahren entstehende Salzlake die Meeresflora schwer belaste. Mittels Membrantechnik und einer sogenannten Umkehrosmose pressen die Werke das Abfallprodukt aus dem Wasser – und entsorgen es in der Regel im Meer. Zwar verdünnt, aber dennoch sei das sehr schädlich für die Unterwasserwelt, sagte im spanischen Fernsehen zuletzt Greenpeace-Experte Julio Barea.
Leiden würden allem voran die Posidonia-Gräser, ein bedeutender Stabilisator des Ökosystems. Und ob nun bewährte oder moderne Stromerzeuger genutzt würden – Energiefresser blieben die desaladoras so oder so, kritisiert Greenpeace. Höchstens als punktueller Lieferer, für Momente großer Dürre, seien die Entsalzungsanlagen geeignet. Als definitive Lösung der Wassernot käme nur eines in Frage: Ein allgemeiner verantwortlicher Gebrauch natürlicher Ressourcen.