Es läuft nicht mehr wie geschmiert
Bauwirtschaft erklärt Antikorruptionsklauseln den Krieg – Erste Klagen der Konzerne
Madrid – tl. Große Bauaufträge der öffentlichen Hand ziehen die Unternehmen an wie das Licht die Motten. Da gibt es viel zu verdienen. Nicht immer geht es bei der Vergabe sauber zu: Korruption, Kartelle oder verbotene Preisabsprachen behindern einen fairen Wettbewerb und kosten Steuergelder.
Um unlautere Praktiken zu minimieren, haben öffentliche Großunternehmen wie etwa der Schienennetzbetreiber Adif, die Eisenbahngesellschaft Renfe oder der Flughafenbetreiber Aena vor drei Jahren eine Reihe von Antikorruptionsklauseln in die Ausschreibungsbedingungen eingefügt. Das macht es möglich, gegebenenfalls Unternehmen von der Auftragsvergabe auszuschießen oder bereits erteilte Aufträge zu widerrufen. Jetzt aber haben die Bauunternehmen diesen Klauseln den Krieg erklärt. Es läuft halt nicht mehr wie geschmiert.
Drei Jahre lang war Ruhe. Die
Klauseln wurden nicht in Frage gestellt. Eingeführt worden waren sie 2019, als die Nationale Kommission für Märkte und Wettbe
Hartes Vorgehen mit Hintergrund: 18 Milliarden aus Corona-Fonds
werb (CNMC) gegen 15 Unternehmen und deren Geschäftsführer eine Geldstrafe in Höhe von 115 Millionen Euro verhängt hatte. Die Wettbewerbshüter sahen es als erwiesen an, dass diese Unternehmen sich über eine Dauer von 14 Jahren die Bauaufträge von Adif gegenseitig zugeschanzt hatten. Gegen diese Strafe wurde wie üblich Widerspruch eingelegt. Das Verfahren läuft noch vor dem Nationalen Strafgericht.
Im Juli diesen Jahres holte die Kommission zu einem weiteren Schlag aus. Sie verhängte wieder gegen führende Bauunternehmen eine Strafe – diesmal über 203,6 Millionen Euro. Unter den Betroffenen befindet sich die Créme de la Créme der spanischen Bauwirtschaft: Acciona, Dragados (ACS), FCC, Ferrovial, OHLA und Sacyr. Sie sollen sich zwischen 1992 und 2017 – also 25 Jahre lang – bei Tausenden von Bauaufträgen für Flughäfen, Straßen oder Krankenhäuser abgesprochen haben. Streng genommen wären diese Unternehmen jetzt von jeglicher Auftragsvergabe der öffentlichen Hand ausgeschlossen.
Das will die Nationale Vereinigung der Bauwirtschaft (CNC) nicht riskieren und entschied sich für den Generalangriff. Der Dachverband bezeichnete die Antikorruptionsklauseln als „ missbräuchlich“und klagte bereits in zwölf Vergabefällen gegen den Schienennetzbetreiber Adif. Sollte die Bauwirtschaft Recht bekommen, wäre das ein Rückschritt und könnte nicht im Interesse der öffentlichen Hand liegen, meinten Juristen gegenüber der Zeitung „ El País“.
Das Problem reicht aber weiter. Das Kartellamt CNMC hat sich in seinen Entscheidungen stets auf europäisches Wettbewerbsrecht berufen. Im schlimmsten Fall könnte Brüssel die Rückgabe der Gelder fordern, mit denen die betroffenen Bauprojekte in Spanien gefördert wurden. Dass die Bauwirtschaft so massiv gegen die Ausschreibungsbedingungen vorgeht, hat einen konkreten Grund. Es steht für sie viel auf dem Spiel. So kann das Verkehrsministerium in den kommenden Jahren mehr als 18 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbauprogramm der EU in Projekte investieren. Allein 5,8 Milliarden Euro entfallen davon auf den Schienennetzbetreiber Adif. Das wollen sich ACS, FCC & Co. nicht entgehen lassen.